Hürden im Berufsleben

„Wir machen Frauen Mut, ihr Leben zu gestalten“

Wien
08.03.2025 19:00

Monika Nigl, Leiterin des Beratungszentrums im waff, als Abschluss unserer Frauen-Themenwoche im Gespräch über Frauen im Job, Weiterbildung, Unterschiede in der „Beratungsfreude“ zwischen den Geschlechtern – und wo es noch Luft nach oben gibt.

„Krone“: In Wien leben mehr Frauen als Männer, eine dementsprechend wichtige Rolle haben sie in der Arbeitswelt. Sie beraten Frauen in der Hinsicht. Was sind Ihre Erfahrungen?
Monika Nigl: Das stimmt, und erfreulich ist, dass die Erwerbsquote seit 2008 leicht gestiegen ist und in Wien diese Quote um vier Prozent über dem österreichischen Durchschnitt – bei 76 Prozent – liegt. Weiters kann man beobachten, dass Teilzeit ein wichtiges Thema ist. In Wien beträgt der Anteil 45 Prozent, österreichweit 52 Prozent, was doch sehr viel mehr ist. Auch die Einkommenssituation ist für Wienerinnen besser.

Dennoch gibt es nach wie vor einen Gender Pay Gap.
Das ist ein großes Thema, die Lücke schließt sich nur sehr langsam, da ist Luft nach oben, aber auch hier ist die Situation für Wienerinnen besser – hier beträgt er 11 Prozent, österreichweit 17 Prozent.

Warum ist das so?
Besonders günstig ist das gute Kinderbetreuungssystem und der Gratis-Kindergarten. Hinzu kommt, dass der Aus- und Weiterbildungsbereich gut ausgebaut ist. Und drittens die gut ausgebauten Öffis, das fördert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Dass junge Frauen oft forscher im Beruf auftreten, findet Nigl „mutig“ und gut. (Bild: Zwefo)
Dass junge Frauen oft forscher im Beruf auftreten, findet Nigl „mutig“ und gut.

Dennoch ist die Arbeitslosigkeit im Jänner im Jahresvergleich um 6,7 Prozent angestiegen, sind Frauen davon besonders betroffen?
Ja. In einem angespannten Arbeitsmarkt sind Branchen, in denen überwiegend Frauen arbeiten, noch einmal mehr betroffen. Und in nicht so gut positionierten Jobs ist das Risiko höher, dass man arbeitslos wird. Aber nicht nur Niedriglohnjobs sind betroffen, nehmen wir als Beispiel die Bankenbranche her, hier sind in den letzten Jahren viele gut bezahlte Jobs verloren gegangen. Hier hat sich der Arbeitsmarkt stark verändert und das wird er auch in Zukunft.

Zurzeit gibt es ja auch einige Betriebsschließungen, wie Kika/Leiner oder Palmers.
Der Handel ist der allergrößte Frauenkollektivvertrag und gleichzeitig ein risikobehafteter Bereich, alleine mit der Konkurrenz durch Online-Handel, aber auch Betriebsschließungen.

Kommen derzeit mehr Frauen in die Beratung?
Es gibt eine gute Nachfrage bei Angeboten für beschäftigte Frauen. Programme, wie „Jobs PLUS Ausbildung“, bei denen Arbeitgeber gezielt zukünftige Fachkräfte suchen, sind sehr gefragt. Im Bereich der Elternkarenz sehen wir steigende Nachfrage nach Unterstützung bei beruflicher Umorientierung. Viele Frauen nutzen unsere Beratung, um sich neu zu orientieren oder durch Weiterbildung bessere Berufschancen zu schaffen.

Zitat Icon

Wir gehen auf Bedürfnisse von Alleinerziehenden ein, weil es eine große Herausforderung ist, Kind und Beruf zu vereinen.

(Bild: Zwefo)

Monika Nigl, waff

Woher kommen diese Frauen und wo wollen Sie hin?
Wir unterstützen vor allem Frauen, die keine oder eine niedrige Qualifikation mitbringen. Das sind Personen, die in der Gastronomie oder Reinigung arbeiten und die den Wunsch haben, mehr zu verdienen, keine Schichtarbeit oder körperlich weniger anstrengende Arbeit anstreben. Wir raten den Frauen, in Branchen zu gehen, wo es eine große Nachfrage gibt und wo man sich entwickeln kann.

Welche Branchen sind das?
Der gesamte Bereich der Digitalisierung, der Gesundheits- und Bildungsbereich etwa. Das sind auch Branchen, wo ein Quereinstieg gut möglich ist. Dabei bauen wir auf vorhandene Kompetenzen auf – etwa Kommunikationsfähigkeiten aus dem Handel für den Social-Media-Bereich. Wir begleiten sie auf ihrem Weg zu einer stabileren und besseren beruflichen Zukunft.

Wie läuft der Umstieg ab?
Zuerst machen sich die Frauen bei uns einen Einzeltermin aus. Dann wird abgeklärt, welche Qualifikationen und Stärken die Frauen haben. Wenn es Lücken gibt, wird versucht, diese mit Weiterbildungsprogrammen zu schließen. Die Umschulungen kosten natürlich Geld, der waff übernimmt einen Großteil mit bis zu 5000 Euro. Und dann ist noch wichtig: Wie kann ich die Weiterbildung gut mit meiner familiären Situation unter einen Hut bringen? Viele Frauen stehen vor der Herausforderung, Beruf, Ausbildung und private Verpflichtungen zu koordinieren. Unsere Beraterinnen sind begleitende Mutmacherinnen, die die Frauen auf ihrem Weg unterstützen.

Monika Nigl im Interview mit Redakteurin Kathi Mötzl. (Bild: Zwefo)
Monika Nigl im Interview mit Redakteurin Kathi Mötzl.

Welche Altersgruppe von Frauen sprecht ihr an?
Unsere größte Kundengruppe ist zwischen 25 und 45 Jahre alt. Aber wir haben auch Frauen, die älter sind. Durch das angehobene Pensionsalter hat eine Frau, die 50 ist noch 15 Jahre Arbeitsleben vor sich. Insofern ist es relevant, dass Frauen sich auch in diesem Alter mit ihren Kompetenzen auseinandersetzen und vielleicht noch einen Weiterbildungsschritt wagen.

Eine große Gruppe sind Migrantinnen, die oft bei Kindern daheim bleiben und wo Sprachprobleme ein Thema sind. Wie wollt ihr diese Frauen erreichen?
Migrantinnen sind eine sehr große, differenzierte Gruppe. In einem ersten Schritt wird geschaut, wie sieht es mit der Ausbildung aus, wurde sie im Aus- oder Inland erworben. Hier helfen wir auch mit der Anerkennung. Dann bieten wir auch Infoveranstaltungen in Erstsprache an, damit sich die Zugewanderten orientieren können. Zudem sind Sprachkenntnisse ein relevantes Thema, hier können wir ebenfalls vermitteln. Viele Frauen, die zu uns kommen, machen zuerst einen Deutschkurs und im Anschluss eine Ausbildung.

Zitat Icon

Frauen sind im Normalfall beratungsfreudiger als Männer. Jobs verändern sich und die Frauen müssen flexibel bleiben.

(Bild: Zwefo)

Monika Nigl, waff

Eine andere Gruppe sind Alleinerziehende. Was sind hier die Themen?
Wir gehen besonders auf die Bedürfnisse von Alleinerziehenden ein, weil es eine große Herausforderung ist Kind und Beruf zu vereinen. Zum Beispiel bieten wir Beratungstermine zu Randzeiten des Tages.

Bei jungen Frauen hört man oft den Vorwurf, dass sie arbeitsscheu sind oder zu hohe Ansprüche stellen. Was ist Ihre Erfahrung?
Ich würde das nicht so negativ sehen. Es ist gut, dass Dinge hinterfragt werden und Frauen mutig auftreten. Pauschalisieren lässt sich das ohnehin nicht. Viele junge Frauen, die zu uns kommen, haben klare Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft, bringen gute Englischkenntnisse mit und wissen, was ihnen wichtig ist.

Von welchen Herausforderungen im Joballtag berichten Frauen?
Arbeitszeiten sind oft ein Thema, hier vor allem unregelmäßige Zeiten und kurzfristiges Einspringen. Auch das Gehalt ist oft ein Grund für Unzufriedenheit. Viele Frauen kommen zu uns, weil sie sich weiterentwickeln und mehr verdienen oder in eine andere Branche wechseln möchten.

Hat die Bereitschaft, sich zu verändern, zugenommen?
Frauen sind sehr beratungsfreudig im Vergleich zu Männern. Mittlerweile ist bei vielen Frauen angekommen, dass sich vieles verändert. Und auch das Verständnis dafür, Gestalterin des eigenen Lebens zu sein. Wir machen Frauen Mut dazu.

Punkto Führungskräfte: Oft fehlt Frauen das Selbstbewusstsein dafür.
Wir versuchen die Frauen hierbei zu unterstützen, indem wir ihre Fähigkeiten sichtbar machen. Auch die Arbeit mit Vorbildern ist wichtig.

Manche Frauen entscheiden sich allerdings bewusst gegen eine Karriere und für die Familie. Was früher normal war, wird jetzt kritisch gesehen. Wie sehen Sie das?
Grundsätzlich ist es die Entscheidung jeder Frau, ihr Leben so zu gestalten, wie sie will. Gleichzeitig sehen wir in der Beratung, dass ein eigener Beruf und ein eigenes Einkommen langfristig viele Vorteile bringen. Wer lange aus dem Arbeitsmarkt draußen ist, hat es später oft schwerer beim Wiedereinstieg – auch mit Blick auf die Pension und das Risiko von Altersarmut. Es geht darum, gut informiert eine Entscheidung zu treffen.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt