Nach dreißig Jahren ist die Erinnerung bei Zeitzeugen noch immer frisch: Ein Mühlviertler Amokläufer richtete am 10. März 1995 nach einem Beleidigungsprozess am Bezirksgericht im Linzer Stadtteil Urfahr fünf Menschen hin. Ein bis heute beispielloses Verbrechen in der Geschichte Oberösterreichs.
„Ich war damals junger Richter, hab’ gerade meine Anstellung bekommen. Ich weiß noch, wie die Sekretärin plötzlich sagt: ,Habt’s ihr das gehört, im Radio haben sie gerade durchgegeben, dass sie im Bezirksgericht Urfahr geschossen ham‘. Ein ermordeter Richter, der Dr. Eugen Kordik, war vorher unser Kollege im Landesgericht. Wenn man die Leute gut kennt, dann ist das schon noch eine ganz andere Dimension. Das war wirklich eine arge Geschichte“, erinnert sich Walter Eichinger, Vizepräsident des Linzer Landesgerichts, an den blutigen 10. März 1995.
Was war damals passiert?
„Er hat wie verrückt losgeschossen“
Ein verlorener Ehrenbeleidigungsprozess endete in einem Blutbad: Der Amokläufer Rudolf Kehrer (63) aus Bad Mühllacken hatte sich wegen eines angeblich heimlich um 20 Zentimeter versetzten Grundsteins heillos mit seinem Nachbarn Ludwig Schürz (52) zerstritten. Dieser soll Kehrer einen „Hundsbeutel“ genannt haben. Als Schürz freigesprochen wurde, rastete Kehrer völlig aus. Er schrie: „Was ist das für eine Gerechtigkeit?“ Dann ging er zur Garderobe und zog aus seinem Mantel seine Pistole heraus. „Er hat sofort wie verrückt auf uns losgeschossen“, erzählte später seine Anwältin, die Linzerin Maria Navarro, der „Krone“.
Es war so ein Moment wie 9/11 bei dem Anschlag auf das World Trade Center in New York, wo man auch später noch genau weiß, wo man sich befunden hat, als man die Nachricht gehört hat.
Walter Eichinger ist der Vizepräsident des Linzer Landesgerichts
Fünf Menschen getötet
Das Blutbad im Saal 209 war fürchterlich: Verhandlungsleiter Eugen Kordik (36, zweifacher Vater), Gegenanwalt Alfred Eichler (67) und Nachbar Ludwig Schürz brachen von den Schüssen getroffen sterbend zusammen. Anwältin Navarro (30) wurde am linken Bein getroffen, Schriftführer Gerald Kocher (26) am Hals und an einem Bein verletzt.
Doch Kehrer hatte noch nicht genug. Zeugin Heidemarie Schinkinger (34), eine vierfache Mutter, floh mit anderen Zeugen. Kehrer verfolgte sie und schoss ihr in den Rücken. Eine Reinigungskraft flüchtete ins Büro des Jugendrichters Erwin Streinesberger (40). Dieser wollte zur Hilfe eilen, wurde selbst tödlich getroffen. Der Mörder flüchtete endlich, jagte sich in Neulichtenberg eine Kugel in den Kopf.
Am Montag wird vor dem Bezirksgericht eine Kranzlegung stattfinden.
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