Kämpfe in Syrien
Berichte über „Massaker“ an Zivilbevölkerung
Im Zuge des Großeinsatzes der syrischen Übergangsregierung gegen bewaffnete Anhänger des gestürzten Diktators Bashar al-Assad in der Region Latakia am Mittelmeer soll es mittlerweile mehr als 1000 Tote geben. Dies geht aus Berichten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte hervor. Die Rede ist von regelrechten „Massakern“. Unter den Opfern seien auch zahlreiche Frauen und Kinder. Die Opfer sind Alawiten. Zu der Minderheit gehört auch der Assad-Clan.
Die mehrheitlich von Alawiten bewohnte Region Latakia ist seit Donnerstag Schauplatz heftiger Gefechte zwischen Kämpfern der neuen Führung und Anhängern des vor drei Monaten gestürzten Machthabers Assad, der ebenfalls der alawitischen Minderheit angehört. Am Freitag verkündete die neue islamistische Regierung in Damaskus den Beginn eines „groß angelegten“ Einsatzes, der auf „die Überreste von Assads Milizen und ihre Unterstützer“ ziele. Die Truppen von Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa waren davor heftigen Angriffen ausgesetzt gewesen. Zahlreiche Tote gab es, als Einheiten in einen Hinterhalt gelockt wurden.
Insgesamt wurden nach Angaben der Beobachtungsstelle in den vergangenen Tagen mehr als 1000 Menschen – mehrheitlich Zivilisten – bei Massakern und Gefechten getötet. Die Beobachtungsstelle bezieht ihre Informationen von einem Netzwerk von Aktivisten vor Ort. In Latakia sei es auch zu Ausfällen bei der Strom- und Wasserversorgung gekommen. Bäckereien hätten die Produktion eingestellt und Märkte seien geschlossen, was es der Bevölkerung immer schwerer mache, sich zu versorgen. Die Angaben der Aktivisten können oft nicht unabhängig überprüft werden.
Sharaa forderte die Anhänger Assads am Freitag zur Kapitulation auf. Die alawitischen Kämpfer müssten sich ergeben, „bevor es zu spät ist“, sagte er in einer Ansprache im Onlinedienst Telegram. „Sie haben sich gegen alle Syrer gewandt und einen unverzeihlichen Fehler begangen. Der Gegenschlag ist gekommen.“ Sharaa erklärte, seine Regierung werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass lediglich staatliche Vertreter über Waffen verfügen. Es werde keinen unkontrollierten Waffenbesitz mehr geben.
Aktivisten: Leichenberge nach Offensive
Von der Syrischen Beobachtungsstelle veröffentlichte Videoaufnahmen zeigten Dutzende vor einem Haus aufgestapelte Leichen in Zivilkleidung. Blutlachen und weinende Frauen waren zu sehen. Weitere Aufnahmen zeigten Männer in Militäruniform, die aus nächster Nähe auf Menschen schossen. Die Echtheit der Aufnahmen konnte nicht überprüft werden. Echt hingegen sind die Aufnahmen vom russischen Armeestützpunkt Hmeimim.
Ein Bewohner der Stadt Baniyas, der Alawit Samir Haidar, berichtete, „Bewaffnete“ seien in die Häuser eingedrungen und hätten zwei seiner Brüder und seine Nichte getötet. Unter den Angreifern seien „Ausländer“ gewesen. Er selbst sei nur knapp entkommen. Haidar gab weiter an, dass er zu Zeiten der Assad-Regierung auf der Seite der Opposition stand und deswegen mehr als zehn Jahre lang im Gefängnis saß.
„Angriff von Überresten des gestürzten Regimes“
Die staatliche Nachrichtenagentur SANA berichtete, Regierungstruppen hätten einen „Angriff von Überresten des gestürzten Regimes“ auf das nationale Krankenhaus in Latakia verhindert. Die Sicherheitskräfte in den Städten der Region hätten den Befehl, die Ordnung wieder herzustellen. Zahlreiche Plünderer seien verhaftet worden. Machthaber Sharaa ging nicht auf die Berichte über mögliche Massaker ein. Der frühere Anführer Terrormiliz HTS, der bis vor Kurzem noch seinen Kampfnamen Abu Mohammed al-Golani trug, drohte aber jedem, „der Übergriffe gegen Zivilisten begehe“ mit einer harten Bestrafung.
Syriens Nachbarn sind besorgt
Die Nachbarländer Syriens machen sich angesichts der schwierigen Sicherheitslage in der Region Sorgen: Hochrangige Beamte aus der Türkei, Jordanien, Syrien und dem Irak wollen sich daher in der jordanischen Hauptstadt Amman zu regionalen Sicherheitsgesprächen treffen, wie türkische diplomatische Quellen mitteilten. Als ein Fokus der Gespräche gelten auch die Extremisten des Islamischen Staats. Tausende von deren Kämpfern werden in Gefängnissen im Nordosten Syriens festgehalten.
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