Volksoper Wien

„Csárdásfürstin“: Die letzten Tage der Operette

Kritik
09.03.2025 12:43

Regisseur Johannes Erath stellt mit Emmerich Kálmáns „Die Csárdásfürstin“ den sterbenslangweiligen Misstrauensantrag für die Operette. Die Volksoper steht dazu musikalisch unter Schock.

Bumsti! So lässt es Karl Kraus durch seine „Letzten Tage der Menschheit“ krachen, in denen er grandios monumental den Ersten Weltkrieg verarbeitet hat. Bumsti! Schreit der Feldkurat, wenn er wieder ein Geschütz abfeuert. Und die kriegsgeile Menge brüllt Bravo. In der Volksoper schlagen jetzt auch die Haubitzen ein, sodass man einen Schlag im Sessel spürt. Aber Bravo will keiner rufen.

Denn auf der Bühne scheitert man an Emmerich Kálmáns „Csárdásfürstin“. Statt Varieté-Fluidum liegen Pulverdampf in der Luft und toten Schlachtrösser auf dem Bühnenboden.

Das Stück um Fürstenspross Edwin, der in den nicht standesgemäßen Varietéstar Sylva Varescu verliebt ist, spielt im Krieg und wurde im Kriegsjahr 1915 in Wien uraufgeführt. Edwin soll sogar per Einberufungsbefehl von Sylva weggelockt werden.

Natürlich muss man den Weltkrieg nicht ignorieren. Regietheaterkönner Peter Konwitschny etwa hat das furios in Dresden und Graz vorgeführt und die „Csárdásfürstin“ aufs Schlachtfeld gestellt. Allein, er weiß damit hochmusikalisch umzugehen, verrät das Genre nicht. Auch verlangt heute niemand mehr nach Popo-Klapsern für operettenfidele Mädis vom Chantant oder Csárdás-Gehopse im bunten Puszta-Fummel.

Doch an der Volksoper misstraut Regisseur Johannes Erath der Operette und dem Stück grundsätzlich und zutiefst. Völlig humorbefreit, ignoriert jeden Hauch an Unterhaltung oder Sentiment. Er möchte lieber die „Letzten Tage“ in die „Csárdásfürstin“ hinein inszenieren. Und scheitert damit krachend. Selbst wenn manch gute Ideen aufblitzen, haben sie sich ins falsche Stück verirrt. Dazu schreibt er eine sinnlose Textfassung, überzieht alles mit bleiernem Ernst, lässt die flotten Spaßmomente im Trauermarsch-Tempo veröden, erlaubt fast keiner Nummer, sie selbst zu sein und unterbricht ständig durch Text oder andere Musik.

Szene aus der neuen „Csárdásfürstin“: Annette Dasch, Jakob Semotan, Regula Rosin, Roland Koch, Juliette Khalil, Alexandre Beuchat. (Bild: Volksoper/Monika Rittershaus)
Szene aus der neuen „Csárdásfürstin“: Annette Dasch, Jakob Semotan, Regula Rosin, Roland Koch, Juliette Khalil, Alexandre Beuchat.

Warum macht der brave, wenn auch mit dem Volksopernorchester ziemlich laute Dirigent Tobias Wögerer dabei mit? Aber auch sonst stimmt an diesem Abend fast nichts. Nur die Übertitel sind ein großes Glück. Denn man versteht die Dialoge kaum, den gesungenen Text, falls man die Stimmen überhaupt hört, schon gar nicht. Da geistert selbst der wunderbare Roland Koch in seiner Sprechrolle als Fürst von und zu Lippert-Weylersheim verloren durch die öde Kulisse (Bernhard Hammer).

Annette Dasch zeigt als Sylva zumindest beeindruckenden Körpereinsatz. Allein, selbst wenn sie auf dem Souffleurkasten singt, ist sie kaum zu hören. Alexandre Beuchat gibt dagegen dem Edwin ziemlich hart lauten Baritonstoff.

Juliette Khalil ist als Stasi herzig und der souveräne Jakob Semotan muss als Boni so sehr die Knallcharge in dieser Dunkelkammer raushängen lassen, dass es penetrant wird. Selbstverständlich bleibt am Ende offen, ob sich die völlig ernüchterten Liebenden überhaupt noch finden können. Auch das quittiert das Publikum mit heftigen Buhs. Für ein Missgeschick, das schnell entsorgt werden sollte, bevor es noch mehr Schaden anrichtet. Denn nach dieser „Csárdásfürstin“ fühlt man sich schwer dafür bestraft, dass man es gewagt hatte, eine Operette erleben zu wollen.

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