Im Manipulationsskandal um illegal modifizierte Skisprunganzüge bei der Nordischen WM in Trondheim hat der norwegische Skiverband die eigenen betrügerischen Handlungen zugegeben. Das sagte Sportdirektor Jan-Erik Aalbu bei einer Pressekonferenz am Schlusstag der Titelkämpfe am Sonntag.
Tags zuvor waren drei Norweger beim Großschanzenbewerb disqualifiziert worden, Normalschanzen-Weltmeister Marius Lindvik verlor seine Silbermedaille, die der Salzburger Jan Hörl erbte. „Wir haben betrogen. Wir haben versucht, das System auszutricksen. Das ist inakzeptabel. Wir haben damit alle Skisprungfans enttäuscht, auch uns selbst. Ich möchte mich bei den anderen Teams, den Springern, den Sponsoren und den Fans entschuldigen. Wir werden der Sache auf den Grund gehen“, sagte Aalbu im Teamhotel. Er betonte allerdings, dass es sich nur um die zwei Anzüge von Lindvik und Johann André Forfang beim Großschanzenbewerb am Samstag gehandelt habe. Er selbst habe keine Kenntnis von den Praktiken gehabt und erst am Sonntagvormittag davon erfahren.
Personelle Konsequenzen ließ Aalbu offen. Namen der Verantwortlichen wollte er nicht nennen. Cheftrainer Magnus Brevig, der in dem Manipulations-Video zu sehen war, fehlte bei der Pressekonferenz. Er soll bereits auf dem Weg nach Oslo gewesen sein. „Ich habe keine Kontrolle darüber, was Magnus Brevig letzte Nacht getan hat“, antwortete Aalbu auf eine Frage von VG.
ÖSV hält Ausführungen für unglaubwürdig
ÖSV-Geschäftsführer Christian Scherer kritisierte den Auftritt von Aalbu scharf. „Es gab null Einsicht. Das war sehr eigentümlich, arrogant und nicht sehr glaubwürdig. Auf die wesentlichen und offensichtlichsten Fragen hat er keine Antworten gegeben. Und es gipfelte darin, dass er erst heute davon erfahren haben will“, sagte Scherer und forderte im APA-Gespräch sofortige personelle Konsequenzen. „Diese Arroganz gehört abgestraft. Wenn jemand seine Disziplin nicht im Griff hat, dann ist er rücktrittsreif. Der norwegische Skiverband wäre gut beraten, alle Verantwortlichen im Team während der internen Untersuchungen bis auf weiteres zu suspendieren, im Sinne aller Beteiligten, allen voran der Sportler.“
Dass Aalbu die internen Untersuchung selbst leiten will, ist für Scherer untragbar. „Es braucht umgehend eine externe Kommission.“ Ebenso verärgert war er über das Fehlen der norwegischen Verbandsführung und des Cheftrainers bei der öffentlichen Erklärung. Das sei respektlos gegenüber allen Beteiligten. Dass die norwegischen Mitverantwortlichen bereits in ein paar Tagen beim Weltcup in Oslo wieder in den gleichen Funktionen zugegen sein werden, ist für Scherer ebenfalls ein No-Go. „Wie fühlen sich die anderen Sportler, wenn die gleichen Leute, die nachweislich betrogen haben, weiter auf den Schanzen herumturnen werden“, so Scherer. Weiters betonte er, dass der ÖSV darauf bestehe, dass auch alle Kombinationsbewerbe der WM in den angekündigten Untersuchungen umfasst sind.
Ergebnis-Annullierung gefordert
Der ÖSV pochte unverändert auf die Aberkennung aller norwegischen Resultate auf den Schanzen. „Unser Protest ging in die Richtung, dass die gesamten WM-Ergebnisse der Norweger im Skispringen und in der Nordischen Kombination annulliert werden. Dazu stehen wir auch“, betonte ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher im APA-Gespräch. „Wenn das bei einem Anzug passiert, dann ist das sicher auch für das gesamte Team machbar. Dieser Verdacht erhärtet sich schon, das gehört aufgearbeitet.“
ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober nannte den Betrug „unfassbar“ und sprach ebenfalls mögliche Disqualifikationen im Nachhinein an. „Dass das nur an diesem einen Tag war, bezweifelt man natürlich. Man darf keinen in Generalverdacht nehmen, aber die Vermutung liegt nahe. Da ist die FIS jetzt am Zug, das abzuarbeiten“, sagte sie im ORF.
Nachdem mehrere geheim aufgenommene Videos aus der Anzugschneiderei der Norweger aufgetaucht worden waren, in denen zu sehen ist, wie im Beisein von Brevig nachts Anzüge manipuliert wurden, reichte der ÖSV gemeinsam mit Slowenien und Polen einen Protest bei der FIS ein. „Das war definitiv der richtige Weg“, sagte Stecher. Nun müsse nachgehakt werden, auch Scherer ist dazu laufend mit der FIS in Kontakt. „Das gehört sich nicht, dass sich die Norweger da Vorteile verschaffen“, erklärte Stecher.
FIS untersucht Causa
Zuvor hatte die FIS mitgeteilt, dass eine die unabhängige Ethik-und Compliance-Abteilung des Weltverbandes eine Untersuchung durchführen wird. Dabei sollen die Umstände der Disqualifikationen von Lindvik und Forfang sowie des Kombinierers Jörgen Graabak, der bei der Bronzemedaille im Teambewerb am Freitag wegen einer regelwidrigen Skisprung-Bindung aus der Wertung genommen worden war, näher geprüft werden. Außerdem will die Abteilung die Umstände untersuchen, wie das Material der Sportler bei den FIS-Kontrollen vorgelegt wurde.
FIS-Generalsekretär Michel Vion betonte, dass der Untersuchungsprozess erst beginne und auch Monate dauern könnte. Der Weltverband könne alle Anzüge für jeden einzelnen Sprung wegen eingenähter Chips auch nachträglich überprüfen, sagte er. Sollten weitere Vergehen ans Tageslicht kommen, seien auch Disqualifikationen und damit Änderungen bei den Medaillengewinnern nicht ausgeschlossen. „Das ist dann eine andere Geschichte. Dann gibt es nach den Untersuchungen weitere Strafen. Das könnten auch Disqualifikationen sein.“
Veranstalter am Schlusstag unbeeindruckt
Die Veranstalter der Titelkämpfe in Norwegen zeigten sich vom Anzug-Eklat jedenfalls unbeeindruckt. „Es gibt dadurch absolut keinen Schatten über der WM. Wir haben hier ein zweiwöchiges Volksfest gefeiert“, sagte WM-Organisationschef Age Skinstad am Sonntagvormittag auf APA-Nachfrage. Die Causa betreffe den norwegischen Skiverband, die Jury und die FIS. „Wir schauen auf das, was wir hier geschaffen haben wie die 18.000 Fans beim Skispringen am Samstag, die die gute Performance gefeiert haben. Das ist der wichtige Punkt für uns.“
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