Bei Stefan Raabs „Chefsache ESC 2025“ setzte sich das Wiener Geschwisterpaar Abor & Tynna gegen tausende Konkurrenten durch und vertritt jetzt Deutschland beim Song Contest in Basel. Im „Krone“-Talk erzählen uns die beiden, wie es zur Teilnahme kam, was es noch zu verbessern gibt und was sie von Österreichs Beitrag halten.
Wer die Quoten bei den Wettbüros für den diesjährigen Song Contest in Basel verfolgt, findet Österreichs Beitrag „Wasted Love“ von Countertenor JJ irgendwo zwischen Platz eins und drei verortet. Während die ORF-Generalintendanz zumindest im Hinterkopf behalten sollte, dass der Bewerb 2026 eventuell wieder in Österreich stattfinden könnte, hoffen unsere deutschen Nachbarn auf ein weniger blamables Ergebnis als in den letzten Jahren. Die Kohlen aus dem Feuer holen sollen kurioserweise Wiener – das Geschwisterpaar Abor & Tynna setzte sich unlängst (zu seiner eigenen Überraschung) bei Stefan Raabs „Chefsache“ gegen rund 3000 Bewerber durch.
Mit ihrem flotten Song „Baller“ überzeugten sie nicht nur das alte ESC-Schlachtross Raab, sondern auch viele Fans vor dem Fernseher und auf den unterschiedlichen Social-Media-Plattformen. Stark kritisiert wurde dabei der nuschelnde Gesang von Tünde, die bei der Live-Performance allerdings auch an einer Verkühlung litt. Parallel zum Hype um das europäische Wettsingen veröffentlicht das klassisch ausgebildete Duo dieser Tage auch sein Debütalbum „Bittersüß“. Wir haben bei den beiden genauer nachgefragt, was es mit ihrem ESC-Lied auf sich hat und wie es überhaupt dazu kam.
„Krone“: Tünde, Attila – unlängst habt ihr es über die Sendung „Chefsache ESC“ von Stefan Raab geschafft, diesen Mai in Basel beim Eurovision Song Contest für Deutschland anzutreten. Wie geht es euch jetzt, ein paar Tage nach dem Erfolg?
Attila: Die Freude vermischt sich mit Verantwortung und man macht sich bewusst, was auf einen zukommt. Wir vertreten beim Song Contest eine ganze Nation.
Tünde: Wir freuen uns aber schon richtig darauf, denn mittlerweile konnten wir alles sacken lassen. Nach dem Auftritt in Köln gab es gleich einmal eine Pressekonferenz und ein Fotoshooting. Ich war da mental noch nicht ganz da, aber jetzt realisiere ich alles und freue mich auf alles Weitere.
Die Arbeit Richtung Song Contest geht für euch jetzt erst so richtig los …
Attila: Die hat überhaupt nie aufgehört. (lacht) Nach der Pressekonferenz gingen wir ins Bett, aber am Morgen danach ging es schon mit ersten Besprechungen los.
Tünde: Die Show dauerte drei Wochen und eine Woche vorher kamen wir an - wir waren also einen Monat lang in Köln und da gab es jeden Tag Arbeit. Proben, Interviews, Social-Media-Content.
Attila: Dort mussten wir unsere Termine selbst einteilen. Jetzt wird für uns alles organisiert.
Ich habe bemerkt, dass es offenbar vielen Leuten gar nicht so bewusst war, dass man nicht aus dem Land kommen muss, für das man startet. Ihr seid als Wiener für Deutschland dabei.
Tünde: Das ist aber schon sehr lange so. Céline Dion trat damals etwa für die Schweiz auf und es gibt viele andere Beispiele. Uns war das immer klar und wir haben uns bei der Bewerbung nicht viel gedacht. Das Label hat uns empfohlen, etwas einzusenden und einige Leute haben auf TikTok gemeint, wir sollten es mal probieren – so kam der Stein ins Rollen.
2024 wart ihr ja auch in der österreichischen Auswahlkommission im Gespräch. Wie war das dort?
Attila: Wir waren im Gespräch und machten ein Interview mit Peter Schreiber. Er fragte uns, ob wir Interesse hätten, aber das war es dann auch.
Tünde: Zu der Zeit hat es noch nicht zu 100 Prozent für uns gepasst, weil wir da erst mit der Musik begonnen haben und uns ernsthaft damit auseinandersetzten. Das ist mit viel Verantwortung verbunden und wir hatten noch keine Live-Auftritte, waren auch musikalisch weit von heute entfernt.
Attila: Wir waren aber nie in einem Auswahlverfahren, in Österreich ist alles intern geregelt.
Tünde: Wir haben uns heuer nicht für zwei Länder beworben. Unser Label schickte uns die Online-Bewerbung für Raabs Contest. Dort klickten wir drauf, haben das Formular ausgefüllt und es so versucht. Wir wurden dann von mehr als 3000 Bewerbern für die Show ausgewählt und selbst wenn man dort teilnimmt, ist man im Kopf nicht beim ESC. Ich habe es wirklich erst beim Sieg, im allerletzten Moment, realisiert, dass es wirklich geklappt hat.
Die Konkurrenz für den deutschen Beitrag war heuer sehr groß und immens vielseitig. Ihr wart lange nicht der Meinung, selbst zu den Favoriten zu gehören. Hat euch der Sieg temporär überfordert?
Tünde: Ich brauche immer zwei Tage, bis ich ein Erlebnis wie dieses verarbeite, aber das ist auch eine richtig große Sache. Es war überwältigend, aber auf eine positive Art und Weise. Ich konnte mich anfangs nur nicht freuen, weil ich krank war und alles verarbeiten musste. Es war wirklich viel auf einmal.
Österreichs Teilnehmer JJ ist begeistert von eurem Song. Was sagt ihr zu seinem, „Wasted Love“?
Attila: Wir finden seinen Song sehr cool. Er hat einen klassischen Ansatz und ist mit Elektronik vermischt.
Tünde: Durch unseren Papa haben wir auch einen klassischen Hintergrund und bauen diese Elemente gerne in unsere Musik ein. Wir finden es toll, dass es auch in Österreich so passiert.
Euer Vater Csaba ist seit 1993 Cellist bei den Wiener Philharmonikern. Hat es ihm gefallen, als ihr am Ende der Ausscheidungsshow in Deutschland das Cello zertrümmert habt?
Tünde: Das war ja nur ein Showelement. Weder unser Papa noch wir hegen Aggressionen gegen unsere Instrumente. (lacht) Die Performance wird bis zum Song Contest noch stark verändert, aber mehr können wir noch nicht verraten. Wir arbeiten stark an der Inszenierung. Zwischen all den Interviews gibt es viele WhatsApp-Nachrichten und Telefonate zu diesem Thema.
Attila: Der ESC hat sehr strenge Guidelines und man muss den Plan relativ früh freigeben.
Tünde: Deutschland ist mit der Ausscheidung auch spät dran, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das alles wunderbar hinkriegen.
Ihr spart euch als Teilnehmer für Deutschland die Knochenmühle des Semifinales. Beruhigt das innerlich?
Attila: Das wussten wir eine Zeit lang gar nicht, dass wir direkt im Finale sind.
Tünde: Wir waren mental nie darauf eingestellt, dass wir gewinnen und dann wirklich zum Song Contest fahren. Deshalb haben wir auch nicht viel über die Strukturen nachgedacht. Wir sind aber in den „Big 5“ und sind tatsächlich gleich im Finale. Das ist sehr cool.
Habt ihr euch schon früher mit dem Song Contest befasst? Gab es Bewerbe, die ihr euch aktiv angeschaut habt?
Tünde: Wir haben nicht jeden einzelnen Song Contest gesehen, aber an zwei oder drei erinnere ich mich gut. Zum Beispiel als Loreen mit „Euphoria“ gewann oder Måns Zelmerlöw mit „Heroes“. Das sind unsere Favoriten.
Deutschland hat seit vielen Jahren nicht unbedingt die besten Ergebnisse beim Song Contest eingefahren. Fühlt ihr euch durch die Erwartungshaltung somit anders unter Druck gesetzt?
Attila: Viel mehr Druck hätten wir, wäre Deutschland immer erster geworden - dann müssten wir gewinnen.
Tünde: So wie Stefan Raab wollen auch wir gewinnen, diese Einstellung ist wichtig. Aber es ist vor allem ein riesiges Musikfest, bei dem es darum geht, dass Europa zusammenkommt und Musik das verbindende Element von allen Teilnehmern ist. Unser Song „Baller“ ist ein Feier-Song, in dem es um Befreiung und eine positive Energie geht – genau das wollen wir beim Bewerb vermitteln. Unabhängig davon, welchen Platz wir damit erreichen.
Was den Song Contest angeht, sind sich Österreich und Deutschland nicht immer grün. Bei der Punktevergabe an das jeweilige Nachbarland gibt es noch viel Luft nach oben. Wart ihr schon mit Kommentaren und Feedback konfrontiert, das eure Teilnahme für Deutschland hinterfragt?
Tünde: Es geht vor allem um das Miteinander, auch wenn es ein Wettbewerb ist. Wir finden es komplett normal und schön, für Deutschland antreten zu dürfen – das ist eine riesige Ehre. Wir sind dort für Deutschland, mit einem deutschen Song. Ich persönliche habe am Song Contest immer gemocht, dass die jeweiligen Länder mit ihren Landessprachen angetreten sind. Englisch ist natürlich auch okay, aber es ist schon schön, wenn die verschiedenen Kulturen gefeiert werden. Würden alle Länder englische Songs haben, ginge dieses Gefühl für mich verloren.
War es für euch klar, dass ihr euch der Jury und den Menschen mit „Baller“ vorstellt, oder gab es auch andere Songkandidaten?
Attila: Wir haben uns nicht mit „Baller“ per se vorgestellt, sondern generell mit unseren eigenen Songs. Als es zum Vorentscheid kam, haben wir sogar extra einen ESC-Song geschrieben – auf Englisch in nur vier Tagen.
Tünde: Es musste immer ganz schnell gehen. Stefan Raab stolperte dann auf TikTok über ein Lip-Sync-Video von „Baller“, weil wir unser Album „Bittersüß“ davor schon stark beworben haben. Das Video hat ihm so gefallen, dass er uns anrief und sagte, wir sollen den Song nehmen. Wir haben seinen Rat befolgt und jetzt sind wir da.
Wie war die Zusammenarbeit mit Raab so allgemein? Für die Deutschen ist er im Song-Contest-Kontext fast ein Heiliger?
Tünde: Ich finde es cool, dass er die Sache wieder in die Hand genommen hat und sich am Vorentscheid beteiligte. Wir hatten vor dem Start der Show ein Casting, wo wir ihn erstmals persönlich trafen. Er war sofort offen und freundlich. Ein cooler und gelassener Typ, der sich für unsere Musik interessierte. Es war und ist ein toller Austausch mit ihm. Er hat mit dem ESC viel Erfahrung, hat selbst teilgenommen und mit Lena Meyer-Landrut gewonnen – für uns ist das natürlich extrem wertvoll.
Tünde, deine Gesangsleistung bei der finalen Show wurde zuweilen heftig kritisiert. Hast du versucht, diese Kritik beiseitezuschieben und dich anders zu fokussieren?
Tünde: Man muss sich der Kritik nicht immer entziehen, sie hat durchaus ihren legitimen Platz. Mir ist bewusst, dass ich nicht die allerbeste Performance meines Lebens hingelegt habe und dafür gibt es verschiedene Gründe. Es war technisch nicht alles in Ordnung und ich war an dem Abend auch krank. Wichtig ist, dass wir beide die Performance so gut es geht perfektionieren.
Attila: Wir können uns jetzt zwei Monate lang auf die drei Minuten bei der Show vorbereiten.
Tünde: Alles, was über diese Kritik hinausgeht und sonst noch so im Internet steht, nehme ich mir nicht so zu Herzen. Man sieht es unter den Postings zwar nicht immer, aber wir bekommen auch sehr viel positives Feedback und tolle private Nachrichten. Im September gehen wir erstmals auf Tour und die ist bereits ausverkauft. Das spricht dafür, dass es genug Leute gibt, die froh darüber sind, dass wir Deutschland vertreten.
Attila: Und die Abstimmung der Menschen bei der „Chefsache“.
Wenn man sich zwei Monate ganz tief in das Thema hineinkniet – muss man da auch darauf achten, dass man sich nicht „über übt“?
Tünde: Das werden wir sehen. Zu einem gewissen Grad ist es für jeden Musiker, der viele Shows spielt und seine eigenen Songs oft performt, normal, sich immer wieder reinzuknien. Es gibt aber Möglichkeiten, dass man die drohende Routine vermeidet und nicht in diese Spirale gerät. Es hat aber auch seine Vorteile, wenn man den Song in- und auswendig kennt. Man kann ihn dann im Schlaf vortragen. (lacht)
Werdet ihr euch im Vorfeld mit ehemaligen Song-Contest-Siegern oder -Teilnehmern vernetzen? Conchita Wurst ist ja omnipräsent, was Hilfe und Unterstützung angeht …
Tünde: Das wissen wir jetzt noch gar nicht, weil wir so stark mit den Vorbereitungen beschäftigt sind, aber wir werden sicher zunehmend Leute kennenlernen.
Attila: Vor allem auf der österreichischen Seite. Wir sind hier tatsächlich weniger gut vernetzt, weil wir quasi aus dem Wohnzimmer heraus in Deutschland unter Vertrag genommen wurden. Wir haben die österreichischen Künstler aber alle am Radar. Bibiza ist ein Top-Künstler, der geile Musik macht. Sein „Schickeria“-Album ist Hammer, es ist auch ein bisschen eine Ode an Falco. Ich freue mich darauf, all diese Leute kennenzulernen.
Die Öffentlichkeit konzentriert sich vornehmlich auf „Baller“, aber das Album „Bittersüß“, das erst vor wenigen Wochen rauskam, erzählt noch viel mehr Geschichten …
Tünde: So ist es. Wenn es jemanden wirklich interessiert, wer da für Deutschland antritt, der hört sich hoffentlich auch das Album an und wird an dem einen oder anderen Song Gefallen finden. Ich würde behaupten, dass wir sehr viele verschiedene Stile und Musikrichtungen darauf versammeln und ich glaube, da ist fast für jeden was dabei.
Was ist bei euch das musikalische Fundament, das bei allen Stilschlenkern und Veränderungen immer da sein muss?
Attila: Eine gute Melodie. Es sollte möglichst immer ein Ohrwurm sein. Ob wir das schaffen, ist eine andere Sache, aber wir bemühen uns.
Tünde: Wir haben stark daran gearbeitet, unser Songwriting für das Album zu verbessern und ich hoffe, dass uns das ganz gut gelungen ist. Wir sind mit dem Album sehr zufrieden.
Attila: Wir haben eineinhalb Jahre daran gearbeitet. Nicht konkret nur an den Songs, aber wir haben rund 70 Demos geschrieben und dann die besten ausgesucht.
Was ist eigentlich mit diesem eigens für den ESC geschriebenen englischen Song passiert?
Tünde: Der ist am Laptop von Attila und dort einmal gut verwahrt. (lacht)
Attila: Vielleicht wird er auch mal veröffentlicht und wir sagen den Leuten, dass er eben beim ESC hätte sein sollen. Vielleicht bleibt der Song aber auch eine Demo. Wir könnten einen Teaser auf TikTok machen und dann schauen, was passiert.
Habt ihr ein persönliches Ziel für den Song Contest in Basel? Einerseits in Form einer Platzierung, andererseits, was die Performance und den Bewerb allgemein angeht?
Attila: Ich würde gerne Estlands Kandidat Tommy Cash kennenlernen, weil er immer eine geile Performance abliefert. Und natürlich wünsche ich uns eine möglichst gute Platzierung. Und so eine hohe TV-Einschaltquote wie möglich. (lacht)
Tünde: Du siehst, Attila denkt in Zahlen. Mein Ziel ist es, die allerbeste Performance hinzulegen und viel Spaß zu haben.
Live in Wien
Wer Abor & Tynna nicht nur am 17. Mai am Fernseher beim Song Contest, sondern auch live sehen möchte, der hat die Gelegenheit dazu am 4. Oktober – da werden sie im Wiener Flex spielen. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten, aber die werden zusehends weniger.
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