Der Prozess gegen den ehemaligen BVT-Chefinspektor Egisto Ott und den Ex-FPÖ-Nationalratsabgeordneten Hans-Jörg Jenewein wurde am Montag mit der Aussage eines früheren BVT-Kollegen fortgesetzt. Der Zeuge zeigte jedoch erhebliche Erinnerungslücken – unter anderem dazu, ob er unter dem Nicknamen „Alpha77“ mit Ott gechattet hatte. Das Urteil: 12 Monate bedingt für Jenewein und Freispruch für Ott.
Laut Anklage soll es ab August 2018 eine „Kooperation“ zwischen Ott und Jenewein gegeben haben. Jenewein, damals Mitglied des parlamentarischen BVT-Untersuchungsausschusses und kurzzeitig FPÖ-Sicherheitssprecher, habe von Ott Informationen über ein Treffen des „Berner Clubs“ erhalten.
Die Vorwürfe gegen Ott und Jenewein
Ott, der zu diesem Zeitpunkt bereits suspendiert war, soll ihm eine Namensliste von BVT-Beamten übermittelt haben, die an diesem internationalen Treffen von Nachrichtendienst-Mitarbeitern teilgenommen hatten. Zudem soll Jenewein Ott beauftragt haben, Informationen über die „Soko Tape“ zu beschaffen – eine Ermittlungsgruppe, die nach dem Ibiza-Video eingerichtet wurde. Jenewein wird außerdem vorgeworfen, im U-Ausschuss verbotenerweise Fotos gemacht und an Ott geschickt zu haben.
Jenewein soll wiederum von Oktober 2018 bis Mai 2019 eine frühere Kabinettsmitarbeiterin Kickls beauftragt haben, ihm Berichte mit Informationen zu Teilnehmenden an zwei Treffen europäischer Nachrichtendienste zu liefern. Im Juni 2020 soll Ott dann einem Deutschen vertrauliche Informationen zu zwei BVT-Beamten und einem verdeckten Ermittler „gesteckt“ haben. Alle Angeklagten bestreiten die gegen sie erhobenen Vorwürfe.
Nach der Befragung des Ex-BVT-Kollegen, des früheren BVT-Chefs Peter Gridling und einer Mitarbeiterin der BVT-Nachfolgeorganisation DSN wurden alle weiteren Beweisanträge abgelehnt. Am Nachmittag wurde dann das Urteil verkündet: 12 Monate bedingt für Jenewein, Freispruch für Ott. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Wer ist „Alpha 77“?
Ein zentrales Thema am Montag war die Identität von „Alpha77“. Chat-Protokollen zufolge hatte Ott diesen User gefragt, wer in der „Soko Tape“ sei. Der Zeuge konnte sich jedoch nicht erinnern, ob er selbst „Alpha77“ war – obwohl die zugehörige Nummer unter seinem Namen auf Otts Handy gespeichert war. „Wir hatten ja mehrere Nicknames“, so der Ex-BVT-Beamte. Über die Zusammensetzung der „Soko Tape“ habe er durch Chats auf sozialen Medien gewusst. Dort sei ebenfalls unter Spitznamen immer wieder darüber gewitzelt worden, wer denn jetzt dort hingehe. „Dort geht keiner hin, der was kann“, sei etwa der Tenor gewesen.
Im Anschluss soltle eine DSN-Beamtin die dortig geltenden Geheimhaltungsmaßnahmen erläutern. Sie betonte, dass Teilnehmerlisten internationaler Gremien nicht an Untersuchungsausschüsse übermittelt würden. Die Weitergabe von DSN-Namen würde laut der Zeugin nationale Sicherheitsinteressen gefährden, da sie das Vertrauen von Partnerdiensten untergrabe. Zur näheren Erörterung der Teilnehmerlisten wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
Jeneweins Verteidigung hielt dagegen: Er sei als Unterausschuss-Mitglied für die Geheimdienstkontrolle zuständig gewesen. Dabei seien einige Mitglieder im U-Ausschuss namentlich aufgetreten, andere im Amtskalender der Nationalbibliothek ersichtlich. Auch Ex-BVT-Chef Gridling erklärte, dass solche Teilnehmerlisten am Berner Club an Ausschüsse nicht herausgegeben würden, wenngleich die Namen auf internen Spesenabrechnungen aufscheinen könnten.
Ausländische Skepsis gegenüber BVT unter Kickl
Für besonders problematisch hielt Gridling ein Foto, das Ott an Jenewein weitergeleitet haben soll: Es zeigte zwei BVT-Beamte mit einem südkoreanischen Kollegen beim Kauf von Lederhosen. Dies könne das Vertrauen internationaler Partnerdienste beschädigen, so der Ex-BVT-Chef.
Gridling verwies zudem auf die bereits zuvor bestehende Skepsis ausländischer Geheimdienste gegenüber dem BVT vor der Razzia – verstärkt seit der Ernennung von Herbert Kickl (FPÖ) zum Innenminister. Mitbekommen habe man das unter anderem durch eine Info der Finnen – diese hätten versehentlich eine Information, die an alle außer Österreich gerichtet war, versehentlich an das BVT geschickt.
Spionage-Ermittlungen nicht abgeschlossen
Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt seit 2017 gegen Ott unter anderem wegen Amtsmissbrauchs, geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs und weiteren Delikten. Am 29. März 2024 wurde er fest- und bis zum 26. Juni desselben Jahres in U-Haft genommen.
Ausschlaggebend für die Inhaftierung waren Informationen, Ott habe Diensthandys von drei früheren Kabinettsmitarbeitern des seinerzeitigen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) und einen Signa-Laptop mit geheimen Information eines EU-Staates dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB übergeben. Diese Vorwürfe sind nicht verfahrensgegenständlich und werden von Ott ebenfalls bestritten – die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in dieser Causa sind noch nicht abgeschlossen.
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