Für viele noch ein Insider-Tipp, aber bereits am Sprung nach oben: Die 21-jährige Anja Sodnikar aka Sodl bekam unlängst den FM4-Amadeus-Award verliehen, veröffentlicht ihr Debütalbum „Sheepman“ und teilte schon die Bühne mit Buntspecht und Endless Wellness. 2025 wird ihr Jahr. Im großen „Krone“-Gespräch erklärt sie die persönlichen Inhalte ihres Albums, schwärmt von ihrer Familie und ehrt Viktor Frankl.
„Krone“: Anja, du hast dieses Jahr den FM4-Award beim Amadeus bekommen. Das ist ein Publikumsaward, der nicht an eine Jury oder Verkaufszahlen gekoppelt ist. Zählt so eine Auszeichnung für dich mehr als andere?
Sodl: Es ist unglaublich zu sehen, wie viele Leute wollten, dass ich gewinne und mitgevotet haben. Ich kenne zwar die genauen Zahlen nicht, aber das ist schon ein besonderes Gefühl. Ich freue mich natürlich über Anerkennung, denn wenn man an Musik arbeitet, macht man das irgendwo allen, wo es erst einmal niemand um einen herum interessiert. Ich bin jedenfalls nicht zu cool dafür, dass mir dieser Award egal ist. (lacht)
Deine Karriere legt aktuell einen ziemlichen Kickstart hin. Kann so eine Auszeichnung hilfreich sein für den nächsten Schritt?
Es werden definitiv wieder neue Leute auf einen aufmerksam und stoßen dabei auf die Musik. Der Award ist auf jeden Fall ein weiteres Argument, von denen man als Indie-Musiker in der Branche immer welche braucht.
Dieser Tage erscheint dein Debütalbum „Sheepman“ mit Songs, die du über einige Jahre hinweg geschrieben hast. Das Album ist ungemein vielseitig, hat aber stets einen musikalischen Schlenker zur Gitarrenmusik der 90er-Jahre. Woher kommt dafür die Inspiration, denn die 90er hast du selbst nicht erlebt?
Mein Bruder ist zehn Jahre älter als ich und hat mich in der Hinsicht sehr stark geprägt – vor allem in Hinblick auf die Musik der 60er-Jahre. Ich finde schon, dass man den Leuten heute ein Album zumuten kann, das vielseitig ist, weil ich mich beim Songschreiben nicht einbremsen möchte. Es ist aber schwierig, genau zu benennen, was ich mache – es hat alles seine Vor- und Nachteile.
Klare Kategorisierungen und Genre-Einteilungen sind heute nicht mehr so wichtig wie vor 20 oder 30 Jahren. Das gibt Musikerinnen wie dir die Freiheit, offener und freier komponieren zu können. Erleichtert dir das ein Eintauchen in verschiedene Klangwelten?
Es ist aber auch immer eine Notwendigkeit da, Musik zu labeln. Man braucht Texte, die prägnant formulieren, was man macht und das ist bei mir wirklich schwierig, weil es manchmal richtig knallt, dann aber auch wieder sehr sphärisch und folkig ist. Es gibt auch instrumentale Akkordeonnummern. Ich werfe dann alles zusammen, aber am Ende muss es trotzdem zusammenpassen.
Gibt der Text vor, wo es musikalisch hingeht? Also ob es schneller und aggressiver, oder bedächtiger und sanfter wird?
Es ist eher der Impuls, was mich gerade inspiriert. Text und Musik entstehen bei mir aber sehr oft gleichzeitig, weil es eine Sache ist. Ich sitze da, mache mir Gedanken und dann fließt was aus mir raus.
Die 90er-Jahre waren ein Bruch mit den hedonistischen 80ern. Die engen Spandexhosen und langen Gitarrensolos gerieten ins Hintertreffen, Grunge und Alternative Rock gaben mehr Raum für Verletzlichkeit und Offenheit. Es war alles weniger oberflächlich, dafür mehr authentisch.
Und es war Platz für raue und rohe Musik – so wie ich sie auch mache. Ich habe eine Aversion gegen überproduzierte Sachen und mag es, wenn Musik eine Textur hat. Mir gefällt diese Art von Aufbruch, der aber auch automatisch passiert. Ich schreibe keine politischen Statements, habe aber meine politischen Einstellungen und Sichtweisen, die dann von selbst in der Musik landen.
Gehört es nicht zur Magie des guten Songwritings, Botschaften so zu verpacken, dass sie nicht belehrend und auch nicht zu tagesaktuell daherkommen?
Es kann jeder hineininterpretieren, was er will. Viele checken vielleicht gar nicht, worum es geht, was völlig okay ist, weil sie in der Musik dann was anderes für sich finden. Es soll jeder das für sich herausnehmen, was er gerade braucht.
Gab es Künstlerinnen oder Bands, wo du als Fan besonders aufmerksam auf die Texte geachtet hast?
Bei Künstlern wie Jimi Hendrix sind mir die Texte wirklich egal. Da geht es beim Vibe um was anderes. Es gibt aber Paradebeispiele wie Adrianne Lenker, wo mir die Texte immens wichtig sind. Wenn ich merke, dass ein Text schnell ausgeschrieben oder richtiggehend pathetisch ist, dann bin ich schnell raus und manchmal direkt angewidert davon.
Du hast in einem Interview betont, die Bühne wäre für dich ein „Safe Space“. Jetzt bist du erst 21 Jahre jung und trägst viel von dir und deinen Gedanken, Wünschen und Sorgen durch deine Texte in die Öffentlichkeit. Erschwert das nicht diese Sicherheit?
Ja, aber ich singe auf Englisch, das ist ein wesentlicher Punkt. Würde ich auf Deutsch singen, würde mir die Pumpe gehen. Auf Englisch bin ich geschützt und manchmal nuschle ich auch beim Singen. Wer sich aber intensiv mit den Songs auseinandersetzen möchte, der wird wissen, worum es darin geht.
Gibt es einen roten Faden, der die einzelnen Songs auf dem Album miteinander verbindet?
Ich schreibe keine Geschichten, die nicht stimmen und alle Songs behandeln Dinge, die ich auch selbst so erlebt habe. Der rote Faden ist eine lila-grün gesponnene Schafswolle, die irgendwie verwurstet ist – es gibt also keinen klassischen roten Faden.
Ich persönlich finde das handgemalte Albumcover wunderschön. Für Plattensammler ist so ein Bild wie ein Eldorado.
Wir haben das Album in einer Runde von guten Freunden in einem schimmligen Keller aufgenommen und jene Freunde, die nicht selbst Musik machen, waren auch da, weil sie ein Teil von all dem sein wollten. Eine Freundin von mir hat uns zugeschaut und die ganze Zeit gezeichnet – da entstand der Woodpecker, also der Specht. Ich fragte sie, ob sie Lust hätte, das ganze Cover zu zeichnen und das war ein langer und sehr intensiver Prozess. Es sind jetzt Elemente von allen Songs in dem Bild zu sehen, das habe ich vor fünf Jahren auch schon für meine erste EP so gemacht. Es gibt zwar keinen roten Faden, aber dadurch sind die Lieder zumindest grafisch in ein Kollektiv gebracht. Außerdem kommt die Märchenstimmung gut zur Geltung, die viele der Lieder transportieren.
Hast du das Album in der Entstehung klar visualisiert? Man hört den Liedern eine gewisse Naturbelassenheit an. Alles wirkt sehr entspannt und entschlackt.
Das passiert automatisch. Wenn man schreibt und sich etwas richtig anfühlt, dann geht es direkt in den Song hinein. Ich tüftle nicht lange herum und versuche eine gewisse Stimmung heraufzubeschwören. Ich spüre, was gerade ist und versuche das im Lied auszudrücken.
Die ältesten Songs auf dem Album haben sicher schon ein paar Jahre auf dem Buckel …
Die ältesten habe ich mit 16 geschrieben, also vor fünf Jahren. Die entstanden noch daheim im Salzkammergut und nicht hier in Wien. Wenn ich ins Salzkammergut heimfahre, dann merke ich schon, dass ich dort anders schreibe als in Wien. Andererseits habe ich „The Great Patterned Woodpecker“ auch in Wien geschrieben, obwohl das ein sehr mystischer und naturbelassener Song ist. Der Song ist aus einer Situation in Wien heraus entstanden. In Wien ist viel Beton, es gibt Menschenmassen und manchmal Überforderung. Das ist ein gewisser Pfeffer, der mir am Land nicht so begegnet.
Ist das Songwriting auch eine Suche nach Ruhe in der Großstadt? Wie beim Opener „Father’s Tears“. Ein Lied, das inhaltlich den Lärm der Stadt benennt, aber auch ein Plädoyer dafür ist, dass Männer sich verletzlich zeigen können. Wo ist die Verbindung bei diesem Spagat?
Das Lied ist aus einer Situation entstanden, die ich auf den Stiegen der Hauptbibliothek in Wien erlebt habe. Ich saß dort herum und wollte einfach meine Ruhe haben. Dann kam eine Gruppe von Männern, die mich nervten. Sie haben die ganze Zeit gepfiffen, aber ich habe kein Interesse gezeigt und sie ignoriert. Ich bin dann gegangen, aber am nächsten Tag passierte mir das Gleiche. Da habe ich mich gefragt, ob ich verhext bin und warum das genau bei mir der Fall ist. Ich war richtig grantig, weil ich meinen Raum hergeben musste, nur weil andere so forsch agieren. Ich will das Buch aber lesen wollen, wo ich möchte. Raum ist für mich sehr stark mit Stille und Lärm verbunden – also akustisch. Ich habe dann für das Lied die vereinfachte Theorie aufgestellt, dass Männer ihn sich nicht so ergreifen sollten.
Sind die Songs zu einem Teil auch ein Kampf gegen die toxische Hypermaskulinität, die teilweise rundum herrscht?
Ja, aber auch gegen die Unsichtbarkeit, die man als Frau oft hat. Es ist ein bisschen wie eine Beschwörung, dass man sich das immer vergegenwärtigt und sich laut vorsagt.
Spürst du die geschlechtliche Schieflage in deiner Profession als Musikerin direkt?
Ich glaube, die spürt man überall. Sie ist faktisch vorhanden und es ist unmöglich, sie nie nicht zu spüren.
Entstehen Songs wie „Father’s Tears“ aus einer spontanen Wut oder einer bestimmten Unzufriedenheit heraus? Kanalisierst du diese Emotionen dann direkt in Songs?
Es herrscht auf jeden Fall eine sehr starke Energie. Ich schreibe öfters aus der Wut oder dem Entsetzen heraus. Das ist gut, um etwas zu begreifen und es verarbeiten zu können. Man ist oft wütend, weil man sich kleingemacht fühlt und diese Wut in Ermächtigung zu kanalisieren, ist ein guter Gegensatz. Manchmal weiß ich aber auch gar nicht, warum ich etwas schreibe. Es ist einfach da.
Welche Themen machen dich besonders wütend?
Übergriffige Männer sind wirklich oft ein Thema. Es fällt mir so oft negativ auf und dann natürlich der angesprochene Raum, der mir oft genommen wird. Manchmal bin ich für Wien zu geräuschsensibel, was auch in meinen Texten vorkommt. Das ist ziemlich paradox.
In der Tat. Zumal der Lärm und das Lautsein wichtige Parameter deiner Profession sind. Auf der Bühne ist es schließlich nie leise.
Diese Art von Lärm brauche ich, davon habe ich auch was. Wenn meine Nachbarn laut sind, habe ich nichts davon. (lacht)
Ist Wien als Wohnort trotzdem unersetzbar, weil sich das österreichische Musikbusiness hier zentriert und man die Hauptstadt auch zur Vernetzung benötigt?
Ich vermittle irgendwie immer das Bild, dass ich nicht gerne in Wien bin, aber das stimmt überhaupt nicht. Ich wohne mit meiner Geigerin in derselben Wohnung, mein Schlagzeuger ist auch in Wien daheim. Es ist hier viel los und das genieße ich sehr. Ich würde aber keinem raten, dass er unbedingt als Musiker nach Wien ziehen muss, so ist es auch nicht. Ich bin sehr gerne hier und wüsste auch gar nicht, wie meine Karriere verlaufen würde, wäre ich nicht hier.
Man kann sich zwar leicht virtuell vernetzen, aber deine Musik macht den Anschein, als wärst du durchaus ein Fan der echten Begegnung. Ist das direkte Zusammenspiel wichtig?
Ich schreibe und produziere eigentlich alles allein, aber natürlich spiele ich zum Beispiel nicht auch das Schlagzeug selbst ein. Meine Band ist mir sehr wichtig und bei „Sheepman“ waren sehr viele Hände im Spiel, ohne die ich es nie geschafft hätte. Es ist aber kein einziger computergenerierter Track dabei – alles wurde von Menschen eingespielt. Es ist ein großes Privileg, das so machen zu können. Solange es noch möglich ist, will ich weiterhin mit Menschen arbeiten und nicht alles vom Computer einspielen lassen.
Ich habe manchmal das Gefühl, die Menschen wollen – abseits der Mainstreampop-Produktionen – gerne ein bisschen Knarzen und die Imperfektion hören. Ist es nicht schön, wenn etwas nicht zu 100 Prozent glatt ist?
Ich mag das Raue gerne, nicht das Glattgebügelte. Ich will die Musik spüren und sie soll sich warm anfühlen, alles andere ist relativ schnell uninteressant. Deshalb bin ich auch sehr vorsichtig, was externe Produzenten angeht. Ich will niemanden erwischen, der meinen Sound perfektioniert.
Verstanden, Max Martin ist also nicht erwünscht. Gibt es aus der Fan-Perspektive Produktionen von anderen Acts, die du richtig gut findest?
Die Alben von Big Thief, der Band von Adrianne Lenker, klingen warm und angenehm. Sie nehmen gerne live auf, was man sich auch einmal trauen muss. Bei Buntspecht gefällt mir die Produktion sehr gut, die durfte ich 2023 in der Wiener Arena supporten. Das war sehr aufregend.
Bist du, was größere Bühnen angeht, mittlerweile schon etwas routinierter?
Würde ich schon sagen und wir sind als Band auch ein richtig gutes Team. Ich spielte Ende Jänner beim FM4-Geburtstagsfest in der Ottakringer Brauerei, das war dann doch wieder anders. Der Backstage-Bereich war weit weg von der Bühne, dazwischen gab es viele Interviews und alles war stressig. Da habe ich den Erdäpfelsalat vor dem Auftritt nicht mehr fertig gegessen vor lauter Aufregung. Da waren richtige Kaliber auf der Bühne, aber ich habe zum Glück nicht mit Lampenfieber zu kämpfen. Ansonsten bin ich sehr entspannt.
Ist dir diese Lässigkeit und Offenheit auf der Bühne angeboren?
Ich weiß es nicht und manchmal wundert es mich selbst. Ich bin das erste Mal als Siebenjährige auf einer größeren Bühne gestanden, als ich Akkordeon gelernt habe. Das war in irgendeinem Stadl am Land und ist so richtig eingefahren. Ich hatte die volle Kontrolle und konnte allen zeigen, was ich kann. Natürlich habe ich noch Momente der Unsicherheit, wenn zum Beispiel die Technik streikt. Ansonsten ist es schön. Man darf anderen zeigen, woran man lange und hart gearbeitet hat.
Akkordeon und Geigen hört man auf „Sheepman“ genauso wie E-Gitarren. Gibt es eigentlich ein Soundfundament, das alle Songs verbindet?
Schwer zu sagen, weil die Lieder sehr unterschiedlich sind. Ich fühle aber instinktiv, was ein Lied braucht und was wo dazugehört. Musik verändert sich immer ein bisschen. Meine alten Nummern spielen wir heute ein bisschen anders als früher, aber prinzipiell habe ich nicht so viel verändert. Früher habe ich geschrieben und fertig. Mittlerweile tüfteln wir sehr lange an Songs herum, aber am Ende ist das alles immer noch meins. Das fühlt sich gut an.
Mittlerweile interessieren sich viele Leute für deine Musik und kennen auch einige Lieder. Gehst du durch diese Erwartungshaltung anders an das Songschreiben heran?
Nein, aber ich habe einfach schon viel gemacht und heute höhere Ansprüche an mich selbst. Früher hatte ich drei Akkorde und habe etwas drüber gesungen. Jetzt kann ich wesentlich mehr aus Liedern rausholen. Ich habe den Anspruch, dass etwas gut klingt, ohne zu geschliffen zu sein. Insofern bin ich schon auch Perfektionistin. Das muss man aber auch sein, wenn man gewisse Sachen ordentlich machen will.
Welcher Song auf „Sheepman“ steht dir am nächsten?
Das ist ganz schwer zu sagen. Ich mag sie alle, sonst wären sie nicht da. „Fuchsia“ zum Beispiel gefällt mir sehr. Wir nennen ihn einen „Liebhabersong“, weil die Leute länger brauchen, um reinzukommen. Mein Bruder hasst den Song, weil er ihn so schief findet, aber ich mag ihn vor allem in der Liveversion besonders gern. Wenn wir proben, hat das Ende eine irrsinnige Wucht.
Die Natur ist ein wichtiges Element des Albums, aber auch die Familie. „Father’s Tears“ oder „Mama“ gehen mitunter in diese Richtung.
Wir können viel Kraft aus der Natur schöpfen und meine Kindheit und Herkunft sind immens wichtige Themen für mich. Ohne dass ich das jetzt übertreiben möchte, aber diese Bereiche stecken wahrscheinlich überall ein bisschen drinnen.
Kannst du dir mit deiner Musik auch immer ein bisschen deiner Kindheit bewahren?
Ja. Vieles verschwindet mit den Jahren, aber man kann damit auch Erlebnisse festhalten, weil man sie dann für immer auf eine Platte gepresst hat. Ich habe das große Glück, dass mich meine Familie schon immer stark unterstützt, aber sie sind beim Musikmachen nicht direkt beteiligt. Ich spiele ihnen gerne meine Lieder vor, wenn ich was Neues mache und wenn die Mama daheim kocht, will sie immer, dass ich was zeige.
Das Lied „Mama“ scheint aus deinem Umzug heraus entstanden zu sein. Ist es verbunden mit den Abnabelungsschmerzen, die man spürt, wenn man das erste Mal allein in die weite Welt fliegt?
Die Distanz hat mich eigentlich näher an sie herangebracht. „Mama“ schrieb ich, bevor ich ausgezogen bin, aber es ist eine Mischung aus Neugierde und Wachstumsschmerzen. Man weiß nicht, was auf einen zukommt – dieses Gefühl ist hier stark vorhanden.
Von „Mama“ geht es auf dem Album direkt weiter zu „Sex“. Das ist eine Nummer, wo du expliziter Wünsche und Begierden ausdrückst. Inhaltlich ist das in der Songreihenfolge eigentlich ein harter Bruch.
Das stimmt. Die Songs auf dem Album zu reihen war schwierig und ich habe mich lange davor gedrückt. Ich habe darauf geachtet, welche Anfangs- und Schlussakkorde zusammenpassen. Ich habe dann verschiedene Kapitel sortiert. Dieser Übergang ist mir tatsächlich erst am Plattencover aufgefallen, aber jetzt ist es so und passt auch.
Die Songs sind alles in allem eine Reise deiner Entwicklung über die letzten fünf bis sechs Jahre?
Zwar nicht chronologisch, aber ja, es steckt mein ganzes Leben da drinnen. Geheimnisse sind aber auch ein wichtiger Teil des Albums und davon gibt es einige.
Du zitierst auf dem Album auch den legendären Viktor Frankl – welche Bedeutung hat er für dich künstlerisch und persönlich?
Ich finde seine ganze Lebensgeschichte bewundernswert und habe über ihn in der Schule geschrieben. Er hat die Theorie aufgestellt, dass der Mensch nicht trieb-, sondern sinngesteuert ist. Das ist ein schöner Gedanke, der mit mir räsoniert. „Sheepman“ ist so ein diffuses Lied. Fast wie ein Wanderlied, das erst spät eine Struktur bekommt. Der Sinn des Lebens ist für mich sehr stark mit meiner Musik verknüpft. Würden wir die Musik wegdenken, dann gäbe es mich eigentlich gar nicht.
Was war davor? Es gab doch sicher eine Zeit vor der Musik?
Vielleicht die Zeit im Krankenhaus vor meiner Geburt, aber dann war die Musik schon da. (lacht)
Worauf beruft sich der Albumtitel?
Es gibt das Buch „Tanz mit dem Schafsmann“ von Haruki Murakami. Dahinter steckt eine schräge Geschichte. Ich wollte online mal Second-Hand-Bücher bestellen und stieß auf dieses Cover. Da ist ein Schaf mit Hemd drauf und ich fand das irrsinnig gruselig. Meine Mitbewohnerin und ich haben uns das richtig verbildlicht. Wie so ein riesiger, bedrohlicher Mann – und ich fürchte mich allgemein vor großen Männern. Wir haben uns dann reingesteigert und eine Matratze in mein Zimmer gelegt, weil meine Freundin nicht mehr alleine schlafen wollte. Wir haben uns dabei nur vor unseren eigenen Gedanken gefürchtet. Dazu gibt es im Salzkammergut eine sehr lebendige Krampus-Tradition. Das hat mich traumatisiert. Wenn ich eine Kuhglocke schon höre, bin ich über alle Berge. Das finde ich etwa auch sehr schön an Wien, dass das hier nicht praktiziert wird.
Gibt es einen Schlüsselbegriff für das Album „Sheepman“?
Ich glaube, das ist der Specht, also der Woodpecker. Für mich ist er wie ein Zaubertierchen, das etwas sehr Weises, aber auch Kindliches an sich hat. Der Song „The Great Patterned Woodpecker“ ist mir sehr wichtig und bei der Melodie singen die Leute auch gerne mit. Es ist ein zentraler Song.
Heute Abend, am 13. März, spielst du deine Release-Show in der Wiener Sargfabrik. Was darf man sich von diesem Abend erwarten? Wirst du im Set auch etwas covern?
Covern kann ich gar nicht und habe ich nie wirklich. Ich spiele schon sehr viel von dem Album, aber nicht in der Reihenfolge, wie wir die Lieder gepresst haben. Ich werde mir auf jeden Fall was Schönes einfallen lassen.
Hast du eine Vision, wo du mit dieser Musik noch überall hinkommen kannst? Wie weit kann es gehen und wohin soll es gehen?
Ich spiele gerne auf großen Bühnen und bin, was das angeht, auch protzig. Ich würde gerne mal im Linzer Posthof spielen. Und wenn sie mich mal einladen, natürlich auch im Wiener Ernst-Happel-Stadion. (lacht) Wenn wir das Budget hätten, würde ich auch gerne ein richtig spezielles Bühnenbild kreieren. Da wären dann ganz eigenartige Wurzelfiguren und Wolpertinger darauf zu sehen. Vielleicht auch noch irgendwelche Pflanzen.
Unlängst wurdest du für deinen FM4-Award im ORF-Teletext erwähnt, was du auf deinen Socials mit einem verschmitzten „Alles im Leben erreicht“ quittiert hast. Bist du ein großer Teletext-Fan?
Das ist eine schöne Erinnerung an meinen Papa – oder eigentlich eine nervige. Wenn ich als Kind ferngeschaut habe, kam er rein und hat einfach den Teletext eingeschalten und sich informiert. Ohne zu fragen, ob mir das jetzt passt oder nicht. Es schwingt eine familiäre und nostalgische Bedeutung damit mit.
Schließen die Lieder auf „Sheepman“ nun eigentlich ein bestimmtes Kapitel in deinem Leben? Und werden neue Songs eine ganz andere Richtung einnehmen?
Dieses Album ist wohl ein Abschluss, aber vor diesem Abschluss fürchte ich mich. Ich habe die letzten zwei Jahre all meine Zeit und Energie in das Album investiert und kann mir noch gar nicht vorstellen, was danach kommt. Ich werde jetzt einmal so viel wie möglich live spielen und dann versuchen, aus einer drohenden Leere rauszukommen, die vielleicht direkt danach droht.
Live in Österreich
Ihr Debütalbum „Sheepman“ stellt Sodl heute Abend, 13. März, in der bereits restlos ausverkauften Wiener Sargfabrik vor. Weitere Termine stehen aber schon fest: 14. März im Grazer Music House, am 28. März in der ARGE Salzburg mit Mira Lu Kovacs, am 20. März in der Bar Café Hildegard in Kirchdorf und am 15. Mai im Wiener Neustädter Triebwerk. Weitere Termine werden folgen.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.