Die regelbasierte Weltordnung hat an Bedeutung verloren. Das zeigen der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und der Kampf zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas ganz deutlich. Bei der Lösung dieser beiden Konflikte spielen die Vereinten Nationen kaum eine Rolle, analysiert Brigadier Berthold Sandtner.
„Die auf dem Völkerrecht basierende Weltordnung verschwindet zusehends. Es entsteht eine neue“, so Sandtner, Leiter des Institutes für Höhere Militärische Führung an der Landesverteidigungsakademie im Gespräch mit Gerhard Koller. Die Frage, ob auch die NATO ausgedient hat, bejaht Sandtner nicht. Durch den russischen Angriffskrieg ist das westliche Verteidigungsbündnis eigentlich gestärkt worden.
Die NATO hat eine Renaissance erlebt
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat vor einigen Jahren der NATO den „Hirntod“ bescheinigt, Russland habe eine Wiederbelebung der NATO erzeugt. Zwei ernstzunehmende neutrale Staaten – Finnland und Schweden sind beigetreten. „Die NATO ist durchaus militärisch und politisch wiederbelebt. Sie hat eine Renaissance erlebt. Die Bündnisstaaten geben inzwischen 2,7 Prozent ihres BIP für Verteidigung aus. Polen investiert prozentual sogar deutlich mehr als die USA.“ Eine NATO ohne USA sei aber nicht vorstellbar, so Sandtner über die Drohungen von US-Präsident Donald Trump, aus dem Bündnis auszutreten.
Die Frage, ob sich Europa im Krieg befindet, beantwortet der Brigadier differenziert: „Es kommt darauf an, wie man den Krieg definiert. Krieg im Sinne von einer Auseinandersetzung zwischen zwei militärischen Parteien gibt es in der Ukraine. Fasst man den Begriff weiter, als Kampf einer Macht mit einem hegemonialen Streben, der mit ihren hybriden Mitteln, wie Propaganda, Desinformation, wirtschaftlicher Erpressung, Sabotage, geführt wird, dann ja.“
Hybride Kriege statt reiner Panzerschlacht
„In Wirklichkeit geht es jetzt um Cyber-Krieg, um Unterseekabel und Internetverbindungen, die durchbrochen werden und Desinformation in der Bevölkerung oder Manipulation von Wahlen. Konventionelle Kriege mit Waffen sind, wie man derzeit hautnahe erlebt, aber auch kein Schnee von gestern.“
Beim österreichischen Bundesheer sei in zahlreichen Bereichen schon sehr viel geschehen, aber es gebe zum Beispiel in der elektronischen Kampfführung Aufholbedarf. „Eines der brennendsten Probleme ist die Herstellung einer robusten Luftabwehrfähigkeit.“ Würde Österreich wie an manchen Tagen in der Ukraine auf einmal von 300 Drohnen angegriffen werden, könnte das Bundesheer derzeitig höchstens einzelne abfangen.
„Das könnte auch kein anderer europäischer Staat. Der einzige Staat der Welt, der so einen umfassenden Angriff derzeit abwehren kann, ist Israel. Das haben sie bei zwei massiven iranischen Großangriffen bewiesen.“ Von einem derartigen umfassenden Bedrohungsszenario sei Österreich aber zurzeit weit entfernt, betont Sandtner.
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