Brunner in Straßburg

Rückkehrzentren & Co.: EU härter bei Abschiebungen

Außenpolitik
11.03.2025 17:52

Das neue EU-Rückführungsgesetz soll künftig Abschiebungen schneller und effizienter gestalten, besonders von illegal eingereisten Zuwanderern. Auch wird es künftig die Möglichkeit eines Einreiseverbots nach Abschiebungen von bis zu 20 Jahren geben. Die umstrittenen Rückführungszentren wären mit dem neuen Gesetz ebenso möglich. Migrationskommissar Magnus Brunner stellte den Gesetzesentwurf am Dienstag in Straßburg vor.

Brunner will ein „effizienteres, kohärenteres Rückführungssystem“ mit „in ganz Europa vereinheitlichten Regeln“ schaffen, wie er im Vorfeld erklärte. Diese Asylregeln sollen deutlich verschärft werden. „Die Bürger bitten uns nicht mehr darum – sie fordern, dass wir tätig werden“, sagte Brunner vor dem Europäischen Parlament.

Die Kernpunkte des neuen EU-Rückführungsgesetzes:

  • Rückführungen sollen künftig schneller und effizienter vonstattengehen. Von einem EU-Land erlassene Abschiebebescheide sollen auch in den anderen Mitgliedstaaten automatisch gelten. Dies soll die Rückführung schneller machen und verhindern, dass die illegalen Migranten erneut „untertauchen“. Sonderregeln soll es für Minderjährige geben. 
  • Straffällige Rückzuführende könnten in Haft genommen werden, sollten sie eine Sicherheitsbedrohung darstellen. Die Mitgliedstaaten sollen laut Vorschlag künftig frühzeitig prüfen müssen, ob eine Person ein Sicherheitsrisiko darstellt. Sobald diese Personen identifiziert sind, gelten für sie strengen Regeln wie die zwangsweise Rückführung, längere Einreiseverbote und gesonderte Haftgründe. Die Inhaftierung kann auf richterliche Anordnung über die normalen 24 Monate hinaus verlängert werden, so die Kommission.
  • Aufgegriffene illegale Migranten sollen direkt aus dem EU-Land in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden können, in dem sie zuletzt aufgegriffen wurden – anstatt in ein anderes EU-Land, wie es bisher möglich war. 

  • Ein neues Konzept soll die Definition „sicherer Drittstaaten“ vereinheitlichen und vereinfachen, da diese Einstufung momentan dem jeweiligen EU-Land obliegt. Brunner kündigte dieses Konzept bis Juni 2025 an.
  • Ein wichtiger Kernpunkt: Die umstrittenen „Return hubs“, also Rückkehrzentren, können künftig in Drittstaaten errichtet werden, für die bereits ein Rückführungsbescheid erlassen wurde. Entsprechende Abkommen können laut Entwurf mit einem Drittland geschlossen werden, das die internationalen Menschenrechtsstandards und -grundsätze achte. Die Zentren würden unter sehr strengen Bedingungen agieren, so Kommissions-Vizepräsidentin Henna Virkkunen in der Pressekonferenz am Dienstag. Der Vorschlag geht damit auf die massive Kritik von NGOs und Menschenrechtsorganisationen ein. 
  • Bei einem legalen Aufenthaltstitel soll es auch Garantien für Grundrechte geben. Damit geht Brunner auf die Kritik von NGOs und Menschenrechtsorganisationen ein, die das Gesetz als zu scharf kritisiert hatten. 
  • Rückzuführende sollen in Zukunft auch enger mit den Behörden kooperieren müssen. Tun sie dies nicht, drohen harte Konsequenzen. Genannt werden hier die Kürzung oder Streichung von Leistungen oder die Beschlagnahme von Reisedokumenten. Zugleich sollen Anreize zur Zusammenarbeit, einschließlich der Unterstützung der freiwilligen Rückkehr, verstärkt werden.

Rückführungsquote aktuell nur bei 20 Prozent
Eine aktuelle Rückführungsquote in der EU von nur 20 Prozent und unterschiedliche Systeme in den einzelnen EU-Staaten würden Missbrauch fördern, so die EU-Kommission. „Rückführungen müssen eine Priorität sein“, so Virkkunen. Das neue Gesetz soll strikt zwischen denen unterscheiden, die legal in Europa leben und arbeiten und jenen, die kein Recht darauf haben.

Magnus Brunner stellte am Dienstag in Straßburg den neuen EU-Plan für ein effizienteres Rückführungssystem vor. (Bild: RONALD WITTEK)
Magnus Brunner stellte am Dienstag in Straßburg den neuen EU-Plan für ein effizienteres Rückführungssystem vor.

Noch eine Stufe strenger soll es für jene werden, die straffällig geworden sind und ein Sicherheitsrisiko darstellen. Personen, die eine Bedrohung darstellten, dürften nicht weiter einfach in der Öffentlichkeit unterwegs sein, ergänzte Brunner in der Pressekonferenz vor seiner Rede im Parlament. 

„Schmutziges Geschäft der Schlepper trockenlegen“
Der Ansatz sei eine „gerechte, aber unnachgiebige Migrationspolitik“, so Brunner weiter. Es sei nicht akzeptabel, „wenn Personen, die nicht das Recht haben zu bleiben, dieses ausnutzen“. Brunner kündigte an, das „schmutzige Geschäft der Schlepper trockenzulegen“.

Applaus bekam Brunner von den ÖVP-Europarlamentariern. Delegationsleiter Reinhold Lopatka verwies am Vormittag auf Eurostat-Zahlen, wonach 480.000 Menschen die EU verlassen hätten sollen, aber nur 100.000 es tatsächlich getan hätten. „Wer hier behauptet, es besteht kein Handlungsbedarf, geht völlig an der Realität vorbei!“

Abgeordneter Lukas Mandl meinte später per Aussendung: „Das Tempo, mit dem die neue EU-Kommission diesen Vorschlag auf den Tisch gebracht hat, ist beachtlich. Das gehört gewürdigt.“ Die Umsetzung des Kommissionsvorschlags werde „dazu beitragen, der organisierten Kriminalität im Bereich Menschenhandel das Handwerk zu legen“, so Mandl, der schon früher im Europaparlament den Asyl- und Migrationspaket mitverhandelte und sich nun als Mitglied des Innenausschusses an den Verhandlungen zum aktuellen Vorschlag beteiligen wird.

Schieder sieht „grundrechtliche Probleme“
„Alles, was die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten in diesem Bereich verbessert, ist zu begrüßen“, sagte SP-Delegationsleiter Andreas Schieder am Vormittag. Ob es dazu tatsächlich einen neuen gesetzlichen Anlauf brauche, könne er nicht beurteilen. Schubhaftzentren könnten jedoch „auch grundrechtliche Problem mit sich bringen“. Deutlicher wurde Thomas Waitz von den Grünen: „Abschiebezentren in Drittstaaten sind mit den EU-Menschen- und Grundrechten nicht vereinbar! Man braucht andere Lösungen dafür – aber innerhalb der EU.“ Man brauche eine Umsetzung der bisherigen Vereinbarungen statt Showpolitik und Scheinhandlungen.

Während es Anna Stürgkh von den NEOS grundsätzlich positiv fand, dass eine gemeinsame europäische Initiative die nationalen Alleingänge ersetzen soll, fiel die Zeugnisverteilung durch Petra Steger (FPÖ) vernichtend aus: „Ich kann nur sagen: Nicht genügend, setzen! Das wird nicht für die notwendige Trendwende sorgen!“ Migranten, die sich in der EU illegal aufhielten, werden man mit dieser Verordnung „nicht aus der EU bringen“.

Derzeitige Richtlinie aus dem Jahr 2008
Die Rückführungsrichtlinie der EU regelt die Rückführung von Menschen aus Drittstaaten, die sich illegal in der EU aufhalten. Die derzeitige Richtlinie wurde 2008 verabschiedet. Ihre Überarbeitung ist eines der Kernprojekte der von der Leyen-Kommission, und die erste große Aufgabe für den ehemaligen österreichischen Finanzminister Brunner. Der Vorschlag der Kommission muss vom EU-Parlament und dem Rat der Mitgliedstaaten angenommen werden, bevor er gelten kann.

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