Gastwirt als Spion

Mehr als 500 Jahre alter Grenzstreit nicht vorbei

Burgenland
12.03.2025 11:00

Der teils skurrile Verlauf der Grenze zwischen dem Burgenland und der Steiermark samt kuriosen Ausbuchtungen gab lange Zeit Rätsel auf. Ein Lehrerpaar lüftet nun viele alte Geheimnisse. Eine ganz besondere Rolle ist einst den Gasthäusern zugekommen, die als eine Art Bastion in heiß umfehdeten Gebieten errichtet worden sind. Wirte waren fast wie Späher und Spione, weil sie alles erfahren konnten.

110 Kilometer vom steirischen Sinnersdorf und dem burgenländischen Pinkafeld bis zur Mur nahe Murska Sobota nahmen Ulrike und Thomas Hochwarter aus Litzelsdorf im Bezirk Oberwart genau unter die Lupe. „Unser Heimatort mit 1140 Einwohnern hat zwei Anger, westlich und östlich der Strem. Das hat uns stutzig gemacht, auch die Bezeichnung Stadtgraben“, erinnert sich das Lehrer-Ehepaar. Dazu kam die Entdeckung etlicher Landkarten, die teils skurrile Grenzverläufe von anno dazumal zwischen dem heutigen Burgenland und der Steiermark zeigen.

Spannende Nachforschungen
Die Professoren forschten nach: „Als im Jahr 1524 König Ludwig II. die Herrschaft Güssing der ungarischen Adelsfamilie Batthyány überlassen hat, begannen die neuen Landesherrn die Steirer östlich der Lafnitz zu vertreiben – zuerst mit Worten, dann mit Waffen.“ Türkenkriege und Kuruzenkreuzzüge mischten sich dazu. Viele Territorien waren heiß umkämpft. Im 18. Jahrhundert krempelte schließlich Monarchin Maria Theresia das Steuersystem um. Adelige mussten ihre Besitztümer daher vermessen lassen – hitzige Fehden inbegriffen. Später wurden unter Joseph II. mit verbesserter Technik und eigens eingesetzten Kommissionen die Landesgrenzen wiederum neu vermessen, der Grenzkonflikt an der Lafnitz kam aber nicht zur Ruhe.

Das neue Buch wird am Samstag präsentiert. (Bild: Grammer Karl)
Das neue Buch wird am Samstag präsentiert.

Linien festgelegt
Die Lage spitzte sich bei der Überarbeitung des sogenannten Franziszeischen Katasters zu. Ungarn war aufgefordert, die Grenzen rund ums Königreich – auch jene zur Steiermark – zu klären, und schickte Kommissare aus. Graf Stubenberg legte die Linien für die Steiermark fest, Graf Festetits für Ungarn. Beide ersuchten den Kaiser in Wien um Bestätigung – Sinnersdorf, Neudauberg, Burgauberg, Hackerberg, Stinatz und die Westhälfte von Litzelsdorf sollten zur Steiermark gehören.

Doch dieser Entscheid dauerte – die Bauern wurden aufgrund der Doppelbesteuerung unruhig und griffen zu handfesten Methoden. „Dort, wo unklar war, wem der Landstrich gehört, errichteten treue ungarische Untertanen Gasthäuser als Bastionen. Die Wirte haben alles mitbekommen, sie wussten über viele geheime Dinge und die lokalen Vorkommnisse vermutlich bestens Bescheid“, sagt Thomas Hochwarter.

Wirbel um Sinnersdorf
Die Ereignisse der Revolution von 1848 verwischen die Spuren der Festlegung des Grenzverlaufes – 1857 jedoch ist die Westgrenze des heutigen Südburgenlandes dann aber weitestgehend geklärt. Sinnersdorf kommt zur Steiermark, die restlichen Gemeinden verbleiben bei Ungarn.

(Bild: Krone KREATIV/OpenStreetMaps)

Bis heute sind die Folgen des mehr als 500 Jahre langen Grenzstreits nicht ganz aus der Welt geschafft. Etwa in Kirchenfragen. Sinnersdorf wird noch immer von der katholischen Pfarre Pinkafeld mitbetreut. Hingegen werden Burgenländer aus Burgauberg im steirischen Burgau bestattet.

Präsentation in Volksschule
Alle Erkenntnisse aus den Nachforschungen und teils noch nicht veröffentlichte Landkarten präsentiert das Lehrerpaar am Samstag um 18 Uhr in der Volksschule Litzelsdorf – zusammengefasst in dem Buch „Von der Gyepű-Zone bis zur steirisch-burgenländischen Landesgrenze“. Bestellung um 35 € plus Versand per E-Mail unter office@bm-hochwarter.at möglich.

Apropos Gyepű: Unbewohnte Gebiete zwischen Ländereien waren ein Grenzschutzsystem der Ungarn im Mittelalter. Urige Steirer haben die Pufferzone in gewissen Abschnitten genutzt und ohne Genierer besiedelt.

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