Es sei eine Verkettung von Zufällen gewesen, die zur Anklage eines Wieners führten. Er habe auf der Strecke der U4 „ein Naturschauspiel“ beobachtet und sei dabei über einen Kübel mit blauer Farbe gefallen.
Er trägt einen klingenden Namen, scheint aus gutem Hause zu kommen. Doch die Eliteschule Theresianum brach der Wiener ab, stieg früh ins Berufsleben ein. Er ist unbescholten und höflich. Der Monteur ist angeklagt, weil er für ein Graffiti auf der Strecke der U4 zwischen Friedensbrücke und Rossauerlände verantwortlich sein soll. Konkret für einen riesigen knallblauen Farbfleck auf einer Wand der Wiener Linien.
Arbeitskleidung mit blauen Farbflecken
Ein U-Bahn-Fahrer hatte an jenem Abend Sprayer neben den Gleisen gemeldet, der Betrieb musste eingestellt, das Stromnetz abgestellt werden. Acht Streifenwägen eilten herbei, in einer Nische ertappte man den früheren Privatschüler in Arbeitskleidung, mit blitzblauen Flecken auf seiner Kleidung.
Der Mann, der auf seinen 50er zugeht, aber jugendlich bekleidet ist, bekennt sich nicht schuldig. Am 18. November 2024 sei beim Donaukanal eine Eisentüre, die in die U-Bahn führt, offen gestanden: „Dort hab‘ ich einen Fuchs gesehen. Ich war neugierig, deshalb bin ich ihm über die Gleise in Richtung Friedensbrücke nachgestiegen. Bei der Wand bin ich über den Farbkübel gestolpert“, so seine holprige Verantwortung. Die er im Prozess auch zweimal veranschaulicht.
Ich hab‘ einen Fuchs gesehen und bin ihm über die Gleise nachgestiegen. Bei der Wand bin ich über den Farbkübel gestolpert.
Der Angeklagte in seinem Prozess.
Theaterreife Vorführungen im Gerichtssaal
Er steht vom Anklagestuhl auf, geht ein paar Schritte und spielt dann in Burgtheater-Manier den Sturz nach, lässt sich vor dem Richter und der Staatsanwältin mit einem lauten Knall auf den Bauch fallen. „Ich dachte, es war eine anschauliche Darstellung“, kehrt er nach Aufforderung durch Herrn Rat auf seinen Platz zurück. „Durchaus“, erwidert Richter Patrick Madl.
Den Angeklagten hält es nicht auf seinem Stuhl. Er zeigt auf allen Vieren, wie er im U-Bahn-Tunnel agierte, und will damit die blauen Farbflecken auf seiner Kleidung erklären. „Es ist echt unglücklich gelaufen. Ich kann nachvollziehen, dass das für Sie komisch aussieht, Herr Richter.“
Ob er ein spezielles Interesse an Füchsen hätte, zumal er ihnen über stromführende Gleise folge, will die Staatsanwältin wissen: „Nein, es ist meine allgemeine Tieraffinität.“ Es sei ein „interessantes Naturschauspiel“ gewesen.
2160 Euro Schaden
Aber: Aufgrund der fatalen Optik sei der Angeklagte bereit, für den Schaden in Höhe von 2160 Euro aufzukommen. Für den Richter reicht diese „Verantwortungsübernahme“ nicht für eine Diversion aus, er verurteilt den Mann zu einem Monat bedingter Haft, zum Kostenersatz für das Verfahren und zur Wiedergutmachung des Schadens an die Wiener Linien. „Das waren zu viele Zufälle, die für mich nicht erklärbar sind. Die Beweislage ist erdrückend“, sagt er in seiner Urteilsbegründung.
Der Sprayer bleibt höflich: „Herr Richter. Vielen Dank. Danke für Ihr mildes Urteil“, verlässt er erleichtert den Saal.
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