Die „Krone“ in Nuuk

Fisch für Stimmen: So skurril lief Grönlandwahl ab

Außenpolitik
11.03.2025 20:33

Wahltag in Grönland – und der läuft so ganz anders ab als in unseren Breiten. Bis direkt vor der Stimmabgabe wird die Inuit-Bevölkerung mit Liedern der Parteien beschallt. Als kleine Bestechungen werden von den Kandidaten Kulis sowie Butterbrote gereicht – und gegrillter Fisch.

Nach Blizzards, die jeden Schritt zum Kraftakt werden ließen, minus 15 Grad Celsius und akutem Glatteis am Wochenende zeigt sich das arktische Wetter am Dienstag von seiner schönsten Seite. Die Schneewechten, die sich in den vergangenen Tagen aufgetürmt haben, schmelzen bei leichten Plusgraden im Zeitraffer dahin. Keine einzige Wolke trübt den Polarhimmel, die Sonne lässt die driftenden Eisberge im Fjord in jenem Gletscherblau leuchten, das man sonst nur aus Prospekten kennt. Dementsprechend hoch dürfte die Wahlbeteiligung ausfallen.

Kandidat Oliver Bech (Sozialdemokraten) wird interviewt, Andrang vor Wahllokal. (Bild: Brandl Gregor)
Kandidat Oliver Bech (Sozialdemokraten) wird interviewt, Andrang vor Wahllokal.

Worum geht es bei der Wahl, der ein wahrer Geheimdienst-Krimi vorausging? Nicht weniger als um das Selbstbestimmungsrecht der größten Insel der Welt, die offiziell zu Dänemark gehört, zuletzt aber von Donald Trump beansprucht wurde. Kein Wunder, ist Grönland angesichts seiner Lage zwischen den Nuklearmächten Russland und den USA von höchstem geopolitischem Interesse, und das Vorkommen riesiger Reserven an Bodenschätzen wie Gold, Zink und seltenen Erden trägt das seinige dazu bei.

„Vor ein paar Monaten“, bringt es eine Pensionistin mit Prada-Brillen auf den Punkt, „hätte kein Mensch Grönland auf der Landkarte gefunden, jetzt stehen wir im Zentrum des weltweiten Interesses. Das sollte gut für uns sein. Schließlich haben wir einiges zu bieten. Wir wollen aber endlich unsere Unabhängigkeit!“

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Vor ein paar Monaten hätte kein Mensch Grönland auf der Landkarte gefunden, jetzt stehen wir im Zentrum des weltweiten Interesses. Das sollte gut für uns sein. Wir wollen die Unabhängigkeit – von Dänemark und den Vereinigten Staaten!

Pensionistin Anneliese vor der Stimmabgabe zur „Krone“

Darüber herrscht bei den Parteien auch weitgehende Einigkeit. Die regierende Links-Partei von Premierminister Múte Inequnaaluk Bourup Egede namens Inuit Ataqatigiit (IA) will aber nichts überstürzen und weiter enge Beziehungen zu Dänemark pflegen. Die Sozialdemokraten von Siumut sind aktuell der kleinere Koalitionspartner des Regierungschefs. Sie haben jüngst eine politische Kehrtwende hingelegt und wollen jetzt ein Unabhängigkeits-Referendum in der kommenden Legislaturperiode durchpeitschen. Das könnte ihnen Stimmenzuwächse bescheren.

Die Nationalisten von Naleraq möchten besser heute als morgen mit Kopenhagen brechen und dürften ebenfalls zulegen. Sie gelten vergleichsweise als Amerika-freundlich und könnten sich auch einen Verteidigungsvertrag mit den USA vorstellen. Als Kolonie von Trump wollen aber auch sie sich nicht sehen.

Mann der Stunde: Premier Egede (re.) mit „Krone“-Reporter Gregor Brandl (Bild: Brandl Gregor)
Mann der Stunde: Premier Egede (re.) mit „Krone“-Reporter Gregor Brandl
Premier Egede auf einem Plakat direkt vor der Wahlzelle (Bild: Gregor Brandl)
Premier Egede auf einem Plakat direkt vor der Wahlzelle

Eine inoffizielle Wahltagsbefragung legt nahe, dass Egedes Partei trotz Verlusten den ersten Platz behalten dürfte. Er ist jung, pragmatisch – und die Mehrheit der Bevölkerung weiß, dass das Land ohne Unterstützung aus Dänemark den Gletscher-Bach hinuntergehen würde. Zuletzt konnte der Regierungschef mit einer flammenden Rede bei der TV-Konfrontation im hiesigen Gymnasium verlorenes Terrain wiedergutmachen – die „Krone“ war vor Ort. In Krisenzeiten sammelt man sich in der Regel hinter dem Regierungschef. Auch die Tatsache, dass er regelmäßig auf CNN und Fox News auftaucht, dürfte ihm nicht schaden.  

Im einzigen Pub in Nuuk
Der Medienrummel ist ohnehin so eine Sache hier. In normalen Zeiten locken Regionalwahlen nördlich des Polarkreises niemanden aus dem Iglu. Seit Trumps Annexionsansagen ist alles anders. Reporter der großen US-Networks reisten ebenso an wie die internationalen Nachrichtenagenturen Reuters und AP. Geschätzt 100 Journalisten sind aktuell vor Ort. Tagsüber bekriegen sich die Fernseh-Kollegen um die besten Kamerapositionen und die interessantesten Interviewpartner. Abends trifft man sich im einzigen Pub von Nuuk, im „Daddys“, auf das ein oder andere Bier und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein. Auch das ist die Arktis ...

Aktivistin der Liste Naleraq verteilt Butterbrote an Unschlüssige. (Bild: Gregor Brandl)
Aktivistin der Liste Naleraq verteilt Butterbrote an Unschlüssige.

Indes werden die Menschenschlangen auf dem steilen und immer noch weißen Kissarneqqortuunnguaq-Weg immer länger. In diesem Vorort von Nuuk gibt es nämlich gleich zwei Wahllokale: Eines ist in der Godthåbhalle, die vom örtlichen Eishockeyverein als Trainingszentrum genutzt wird, das andere in der grün lackierten Holzkirche, die mittlerweile zu einem Heimatkundemuseum umfunktioniert worden ist. Dazwischen haben sich die Parteien Hochseecontainer eingerichtet, aus denen heraus Musik ertönt und Butterbrote oder gegrillter Fisch angeboten werden. Liebe geht bekanntlich durch den Magen ...

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Grönland gehört den Grönländern. 

Premierminister Egede von der Liste IA hofft auf Wiederwahl.

Erste Ergebnisse trudeln per Hundeschlitten ein
Vor dem Schließen der ersten Wahllokale taucht dann auch noch Premier Egede höchstpersönlich auf. Er trägt einen Goretex-Overall in der kaminroten Parteifarbe, busselt IA-Fans ab und will die letzten Unentschlossenen zur Urne treiben. Auch für die „Krone“ nimmt er sich kurz Zeit. Er posiert für ein Foto und gibt sich bezüglich des Ausganges optimistisch, während seine Assistenten ihn mit ersten Ergebnissen aus abgeschiedenen Eskimo-Enklaven versorgen, die teilweise mit Hundeschlitten zugestellt werden müssen, weil es zwischen den Orten keine Straßen gibt.

Valide Daten dürfte es aber erst nach Mitternacht österreichischer Zeit geben, wenn auch die ersten Hochrechnungen aus der Hauptstadt Nuuk einlangen. Es bleibt also spannend in der Arktis!

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