Kommt es in der Ukraine zu einer 30-tägigen Waffenruhe? Das Angebot von Washington und Kiew liegt auf dem Tisch, der Kreml steht dementsprechend unter Zugzwang. Doch vieles deutet darauf hin, dass Russland ablehnt ...
Die Glättung der amerikanisch-ukrainischen Beziehungen hat Moskau offenbar kalt erwischt. Der am Dienstag in Saudi-Arabien ausgehandelte Deal erfordert erstmals klare Bekenntnisse von Präsident Wladimir Putin. Anstatt der täglichen Lautsprecher-Durchsagen regiert im Kreml nun Zurückhaltung.
Moskau brauche nähere Details, um zu einer Entscheidung zu kommen, ließ Kremlsprecher Dimitri Peskow kleinlaut mitteilen. „Sehen Sie, Sie greifen etwas vor, das wollen wir nicht“, erklärte Putins Sprachrohr dem staatsnahen Medium Kommersant zufolge gegenüber Journalisten, als er auf eine mögliche Vereinbarung angesprochen wurde.
Auch ein Telefonat Putins mit US-Präsident Donald Trump könne schnell organisiert werden. Erst danach könne man sagen, wie sich Russland zu dem Vorschlag verhalten werde. Anlass zur Hoffnung gibt das nur bedingt. Ein erstes Telefonat zwischen den beiden Präsidenten Mitte Februar markierte den Startpunkt der transatlantischen Entfremdung zwischen den USA und Europa. Rubio wolle noch „heute“ mit russischen Regierungsvertretern Kontakt aufnehmen. Der Chefdiplomat hat bereits am Dienstag durchklingen lassen, dass der vorgeschlagene Deal den russischen Verhandlungswillen auf die Probe stellen soll.
Vorzeichen für Waffenruhe schlecht
Die Zeichen stehen jedoch auf Ablehnung! Eine hochrangige russische Quelle erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass Russland die Bedingungen für einen Waffenstillstand selbst aushandeln und eine Art von Garantien erhalten müsse. „Es ist schwierig für Putin, dem in seiner jetzigen Form zuzustimmen“, sagte die Quelle, die aufgrund der sensiblen Situation anonym bleiben wollte.
Die aktuelle Situation auf dem Schlachtfeld macht eine Waffenruhe und in einem weiteren Schritt einen dauerhaften Frieden für die russischen Angreifer unattraktiv. „Putin hat eine starke Position, weil Russland auf dem Vormarsch ist“. Selbst in der russischen Region Kursk, wo die Ukraine für eine bessere Verhandlungsposition Gebiet erobert hat, werden zunehmend wieder russische Flaggen in den Stadtzentren gehisst.
Putins Kriegstreiberei hat sich zudem längst auf seinen finanziellen Handlungsspielraum ausgewirkt. Der Kreml hat das gesamte Land auf Kriegswirtschaft umgerüstet. Russlands Wirtschaftswachstum ist mittlerweile stark an die Militärausgaben gebunden. Der Krieg hält den Motor aktuell am Laufen.
„Russlands Abhängigkeit von Militärausgaben, Low-Tech-Exporten und hoher Inflation kann zu einer wirtschaftlichen Stagnation führen, wie sie in der Sowjetunion in den 1980er Jahren zu beobachten war“, analysiert etwa der transatlantische Thinktank CEPA. Ein Frieden zu westlichen Bedingungen könnte diesen Dominoeffekt weiter verschärfen, sind sich Ökonomen sicher.
Kann sich Russland einen Frieden leisten?
Um die russischen Finanzen steht es ohnehin schlecht. So hat sich das Staatsdefizit in den ersten beiden Monaten des Jahres verdoppelt, um das Wirtschaftswachstum kurzfristig anzukurbeln. Ein großes Problem für Russland sind dabei insbesondere die sinkenden Ölpreise, schließlich erwirtschaftet der Energiesektor etwa ein Drittel aller russischen Haushaltseinnahmen.
Die russische Zentralbank versucht seit Monaten, die galoppierende Inflation wieder einzufangen. Sie hat den Leitzinssatz auf 21 Prozent gesetzt – das höchste Niveau seit mehr als 20 Jahren. Investitionen im privaten Sektor sind dadurch praktisch unmöglich geworden, da Kredite unleistbar werden. Zudem hat sich Putin von China abhängig gemacht, da sich westliche Konzerne beinahe komplett aus Russland zurückgezogen haben. Peking hilft Moskau dabei, die etwa 16.000 Sanktionen gegen Russland zu umgehen.
Die USA wissen natürlich, wo Russlands Schwächen liegen. Mit einer Zustimmung zu einer Waffenruhe müsste Putin sie öffentlich eingestehen. Während sich US-Präsident Trump zurückhaltend äußerte, drohte US-Senator Lindsey Graham dem Kreml mit neuen Strafmaßnahmen: „Wenn Russland sich weigert, sollten wir massive Sanktionen gegen sie verhängen.“
Die USA müssten dann allerdings China und andere russische Partner ins Visier nehmen, denn Trumps favorisierte Zollstrategie fällt für Putin kaum noch ins Gewicht. Russland exportiert nur noch sehr wenige Güter in die USA – mittlerweile unter einem Prozent des Gesamtexportvolumens.
Ein Telefonat änderte alles
Dabei hatte es Pläne für US-Sanktionen gegeben, die den Kreml tatsächlich schmerzen würden. Doch dann griff der US-Präsident zum Hörer: „Trump hat mit Putin telefoniert und ist anschließend komplett umgefallen. Nun hat es einen Monat gedauert, die USA wieder von der Position des russischen Erfüllungsgehilfen zurückzurudern. Es gibt keinen Plan, keine vernünftige Strategie, wie es weitergeht und wie dieser Krieg vernünftig beendet werden kann – weder in den USA noch in Europa“, erklärte Militärexperte Gustav Gressel dem Nachrichtenportal „t-online“.
Putin könnte also weiter auf die Faktoren Zermürbung und Trump setzen: Der Kremlchef kann einer Waffenruhe wohl ohnehin nur zustimmen, wenn er sie selbst verhandelt hat, um sich wirtschaftlich abzusichern. Dadurch muss er auf dem Schlachtfeld aber vorrücken, um seine Position weiter zu verbessern. Das selbst geschaufelte Loch ist einfach schon zu tief ...
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