„Krone“-Interview

5/8erl in Ehr‘n: „Ein Gespräch ist Improvisation“

Musik
16.03.2025 08:00

Sie sind die etwas andere Band aus Wien und haben damit schon sechs Mal einen Amadeus-Award mit nach Hause genommen. Nach längerer Pause veröffentlicht das Quintett 5/8erl in Ehr‘n jetzt das Album „Burn On!“ und propagiert den Gemeinschaftssinn und stellt sich gegen die Leistungsgesellschaft. Sänger Max Gaier gibt uns nähere Einblicke.

Die auf 5/8erl in Ehr’n angewandte Begrifflichkeit des Wiener Soul ist längst überholt. Wie keine zweite Band aus Österreich mäandert das Quintett zwischen Soul, Jazz, Blues, Groove und dem urigen Gefühl des Wienerlieds, ohne sich dabei in Schablonen zu verirren. Seit mittlerweile 19 Jahren begeistert das Kollektiv mit Songs, die das alltägliche Leben aufgreifen, sich gegen toxischen Neoliberalismus stellen und die Gemeinschaft propagieren. Dass man sich dabei das eine oder andere Achterl gönnt, ist selbstverständlich – der Spaß am guten Leben ist nämlich ein zentrales Element im Tun der Band. Mit „Burn On!“ veröffentlichten die Achterl dieser Tage ihr siebentes Studioalbum – das erste seit fünf Jahren. Untätig war man seit dem mehr als gelungenen Pandemiewerk „Yeah Yeah Yeah“ (2020) nicht. Es gab unzählige Konzerte und eine ausufernde Kooperation mit dem Jazzorchester Vorarlberg, das sich auch auf dem neuen Werk wiederfindet.

Wertvolle Zeremonie
Vor rund zwei Jahren traf man sich bei Gitarristin Miki Liebermann am Schafberg zu einer Grillage und startete den Songwritingprozess für das neue Album. „Es war wie eine Zeremonie“, denkt Sänger Max Gaier im „Krone“-Gespräch zurück, „wir brauchen solche Zeremonien, wenn wir etwas beenden oder mit etwas Neuem anfangen. Das gibt dem Ganzen einen offiziellen Charakter.“ Vor knapp 20 Jahren gab es vielleicht noch keine Dropbox-Ordner, aber an der Arbeitsweise der Musikerinnen hat sich über die Jahre nichts verändert. „Die schönsten Sachen entstehen, wenn man gemeinsam in einem Raum steht und jammt. Wir erarbeiten die Lieder gemeinsam und nützen die neuen Produktionsmöglichkeiten zur Erleichterung der Aufnahmen. Wichtig ist aber, dass wir als echte Menschen, die Musik machen und uns sehen, treffen und miteinander spielen.“

Das Echte und Haptische im Leben ist den Achterl ein besonderes Anliegen, das sich auch lose durch die Songs von „Burn On!“ zieht. Den Albumtitel kann man auf zwei verschiedenen Deutungsebenen erfassen. „Einerseits gilt Burn On in der Arbeitspsychologie als Begriff, über den man quasi nie zum Burn Out kommt. Du bist ständig am Limit und hast immer das Gefühl, den nächsten Schritt auch noch zu schaffen. Das ist die neoliberale Idee, in der wir uns alle ausbeuten. Andererseits dient ,Burn On!‘ aber auch als positives Beispiel. Dass man für etwas brennt und das sind im besten Fall Dinge, die uns guttun und der Gemeinschaft dienen. Gut zueinander sein, aufeinander achten und anderen einen Raum geben. Wir brennen als Band für die Musik und dafür, gemeinsam eine gute Zeit und viel Spaß zu haben. Aber im Album stecken definitiv beide Lesarten drinnen.“

Systeme korrekt ausrichten
Die Songtitel sind programmatisch und geben die inhaltliche Richtung vor. „Ruhe macht Panik“, „Arbeit 2.0“ oder „Am Ende des Tages“ drehen sich nicht zuletzt um den Stress des Alltags, die ständige Getriebenheit durch die Macht des Kapitals und die Illusion, sich dieser Welt irgendwie entziehen zu können. „Wir Menschen laufen immer der an einem Stock vor uns baumelnden Karotte hinterher, ohne sie jemals zu erreichen. Wir müssten ein System erschaffen, wo das System für den Menschen arbeitet und nicht der Mensch für das System.“ Ein Übel sieht Gaier auch in der digitalen Welt. Social-Media-Plattformen und Smartphones befeuern Eitelkeit und Narzissmus. „Alle wollen Superstars sein. Das begann einst mit Michael Jackson und zieht sich immer stärker bis heute durch. Wenn man andere auf Instagram sieht, unterliegt man einem gewissen Diktat. Früher gab es Dinge wie Religion oder Musik. Höhere Anrufungen, auf die wir uns beriefen. Heute sind die Technik und das Kapital. Diese Kommunikationsformen gaukeln uns vor, wir wären alle unheimlich politisch und gesellschaftlich engagiert, aber ein Regenbogen-Emoji verändert noch lange nicht die Lage der Welt.“

5/8erl in Ehr’n stellen sich auf „Burn On!“ durchaus die großen Fragen des Lebens, die Platte dreht sich stark um Selbsterkenntnis und das kollektive Miteinander. „,Burn On‘ war ein Arbeitstitel, der sich bis zum Schluss gehalten hat“, erinnert sich Gaier, „wir haben viele Lieder geschrieben, die sich dann gar nicht mehr ausgegangen sind. In den nächsten zwei Jahren wird es sicher noch ein paar Veröffentlichungen geben, denn es hat nicht alles in den Flow des Albums gepasst. Unser Job als Musiker ist es, dem jeweiligen Lied gerecht zu werden. Wir sind eine stilistisch ungemein offene Band, die sich irgendwann auch eingrenzen muss. Das passiert dann meist intuitiv und aus einem inneren Bedürfnis heraus.“ Mit ihrer schwer greifbaren und handgemachten Musik sind die Achterl weit entfernt von üppigen Verkaufszahlen. „Das ist aber auch der Grund, warum wir nach so langer Zeit noch immer so viel Spaß daran haben und für das Musikmachen brennen. Wir denken nicht in Verkaufsstrategien, sondern zelebrieren die Vielfalt. Wir haben verschiedene Laufwege, aber wir wissen alle, wo der Lichtschalter ist.“

Alles für die Achtsamkeit
Achtsamkeit propagiert die Band nicht nur nach außen, sie beherzigt sie auch im inneren Kern. „Man muss auf sich und aufeinander ein bisschen besser aufpassen.“ Der Song „Lass uns kurz sprechen“ geht klar auf die Vorteile des direkten Umgangs miteinander ein. „Die Leute schreiben mehr miteinander als sie reden. Heute schickt man sich Sprachnachrichten und lange Zeit zu überlegen, wie man darauf antwortet. Ein richtiges, gutes Gespräch funktioniert aber wie eine Improvisation. Wir kämpfen gerne dafür, dass diese Dinge nicht verloren gehen.“ Mit „Burn On!“ folgen 5/8erl in Ehr’n ihren eingeschlagenen Weg, ohne sich selbst zu kopieren und in der Statik zu verharren. „Nächstes Jahr feiern wir unser 20-Jähriges und dann schauen wir mal. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir alle zusammen eine so schöne und musikalisch fruchtbare Zeit erlebt haben.“

Live in ganz Österreich
Mit dem Album „Burn On!“ gehen 5/8erl in Ehr’n jetzt auch auf Österreich-Tour. Bis einschließlich Mitte April spielen sie in Linz, Mattersburg, St. Pölten, Salzburg, Innsbruck, Dornbirn, Graz, Spital an der Drau und im Wiener Globe. Unter www.5achterl.at finden Sie alle Termine, Informationen und Konzertkarten.

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