Rund 30 Jahre lang prägte Dave Ellefson als Bassist der Kultband Megadeth den Thrash Metal. Nach einem Zerwürfnis mit Frontmann Dave Mustaine ist er sein ein paar Jahren auf Solotour. Vor seinem Gig im Wiener Reigen im Zuge des „Vienna Blues Spring“ sprach er mit der „Krone“ über seine Kindheit, Verirrungen am Karriereweg und wieso er die Musik noch immer so liebt.
Die Musikgeschichte ist voll mit Geschichten über narzisstische Egomanen, die aufgrund ihrer sturen Borniertheit nicht nur sich, sondern ihr gesamtes Drumherum mit in den Abwärtsstrudel gezogen haben. Als besonders schwieriger Charakter gilt die amerikanische Thrash-Metal-Ikone Dave Mustaine, der zuerst Mit-Songwriter bei den frühen Metallica-Songs war, mit seiner eigenen Band Megadeth ab Mitte der 80er-Jahre aber selbst eine Weltkarriere in Angriff nahm. Auf allen wichtigen Alben (also jenen bis Mitte der 90er-Jahre) spielte David Ellefson Bass. Während der hitzköpfige Mustaine keiner verbalen und nonverbalen Konfrontation aus dem Weg ging und sich selbst von einem Wahnsinn in den nächsten steuerte, galt Ellefson stets als sympathisches und vor allem präzises Instrumentaluhrwerk, das sich einen Dreck um Skandale oder Selbstverliebtheit kümmerte, dafür aber immer darauf achtete, der Band mit seinen Fähigkeiten auf die nächste Stufe zu verhelfen.
Unterschiedliche Charaktere
„Ich erinnere mich noch gut daran, als wir 1993 am ,Youthanasia‘-Album gearbeitet haben“, erinnert sich der 60-Jährige im „Krone“-Gespräch zurück, „damals zogen wir nach Phoenix, um dort in fetten Anwesen zu wohnen und mit deutschen Qualitätsautos durch die Gegend zu fahren. Als ich mit Dave einmal vom Studio heimfuhr, sagte ich ihm, dass es langsam komisch wird, ein so feudales Leben zu leben, aber immer noch so aggressive, wilde, zuweilen beängstigende Musik zu schreiben. Er hat überhaupt nicht verstanden, was ich damit meinte.“ Die Geschichte spiegelt die unterschiedliche Charakterzuschreibung der beiden Musiker perfekt wider. Erst ein Raubein wie Mustaine machte es Megadeth durch seine Kompromisslosigkeit überhaupt möglich, eine so große Rolle in der Öffentlichkeit einzunehmen. Zweimal verließ Ellefson nach Streitereien mit Mustaine die Band. Nach anfänglich harschen Worten sieht der Bassist mittlerweile die positiven Seiten der Vergangenheit und findet zuweilen versöhnlichere Worte.
Seit geraumer Zeit befindet sich Ellefson mit italienischen Mitstreitern auf Solotour. Unter dem martialischen Banner „Bass Warrior“ bringt er allabendlich die größten Hits der Megadeth-Historie unters Volk. So kommt er heute Abend wieder in den Wiener Reigen in die Hadikgasse, wo er zuletzt vor ziemlich genau einem Jahr überzeugte. „Ich liebe es, mit meinen Kumpels unterwegs zu sein und diese Venues zu spielen“, zeigt er sich erfreut, „es ist auch gar kein Vergleich mit früher. Ich habe mich vor rund 30 Jahren mal aufgeregt, weil wir auf einer Megadeth-Tour in Deutschland in einer sehr kleinen Location spielten und nicht viele Leute kamen. Unser Tourmanager sagte mir damals, ein guter Musiker und Performer könne überall seine Top-Leistung bringen. Egal, ob die Bühne groß oder klein ist. Das hat mich schon damals zum Nachdenken gebracht, heute ist mir glasklar, was damit gemeint war.“ Wer von Ellefson spricht, der spricht garantiert nicht von selbstverliebten Ausritten. Die fetten Jahre mit viel Geld und Ruhm haben aber auch ihn temporär vernebelt. Heute hat er freilich einen ganz anderen Blick auf die Dinge.
Keine Rebellion notwendig
„Ich wurde in einer stabilen Familie auf einer Farm in Minnesota großgezogen, uns fehlte es eigentlich an nichts. Es gab keinen Grund, dauernd wütend oder gemein zu sein. Es gab nichts, gegen das ich rebellieren konnte und ich fand Gefallen an harter Musik.“ Den ersten Bass zupft Ellefson mit elf, zwei Jahre später spielt er in frühen Bands, was sich bis heute nicht mehr ändern sollte. „Erst als ich Dave kennengelernt habe, habe ich die andere Seite gesehen. Mir war plötzlich klar, wie authentisch aggressive Lieder sein können, wenn sie aus jemandem kommen, der diese Wut mit sich trägt und dem es vielleicht nicht immer so gut ging wie mir. Über die Jahre habe ich auch verstanden, dass beide Seiten in so einer Band Platz haben. Eine wilde und eine mildere.“ In seinen Live-Sets spielt Ellefson kaum Songs aus seinem Soloschaffen oder von anderen Projekten. Sie werden maximal angeschnitten. Bei Megadeth gibt es von „99 Ways To Die“ über „Peace Sells“ bis zur Hymne „Symphony Of Destruction“ die absolute Vollbedienung.
Den Terminus „Warrior“ soll man anhand seiner Tour nicht kriegerisch verstehen. „Auf meinem Album mit Soto gab es den Song ,Sharpen The Sword‘. Er dreht sich darum, dass sich ein Krieger nach einem Kampf wieder zurückzieht, um sein Schwert zu schärfen und für den nächsten Kampf bereit zu sein. Ich finde, das ist eine schöne Metapher für das Musikgeschäft. Wir haben mit Megadeth erst nach zwölf Nominierungen einen Grammy gewonnen. Ich wollte ihn immer haben, es ist sich nie ausgegangen, aber 2017 war es dann endlich so weit. Man muss durchhalten und dabeibleiben, auch im Livekontext. Solange ich noch gerne auf der Bühne stehe und die Fans Gefallen daran finden, solange werden wir auch so weitermachen.“ Mit seiner italienischen Band hat Ellefson wieder Lunte gerochen. „Ich sage den Jungs immer, sie sollen sich auf der Bühne nach vorne stellen und das Rampenlicht genießen. Es steht zwar mein Name drauf, aber wir haben alle denselben Spaß, wenn wir auftreten.“
Die Liebe zum Authentischen
Nach mehr als 40 Jahren im Musikgeschäft hat Ellefson den Zugang zur nächsten Generation nicht verloren. Neben den bekannten Thrash-Metal-Klassikern covert er regelmäßig den Song „Over Now“ von Post Malone, der diesen Sommer im Zuge des Frequency Festivals erstmals in Österreich vorstellig wird. „Es gibt sehr viel gute Musik da draußen, man muss sich aber auch darauf einlassen. Ich bin mit Acts wie KISS oder Alice Cooper aufgewachsen. Die haben sich zwar geschminkt oder maskiert, aber sie waren echt. So wie Pink Floyd, nur anders. In meiner Jugend waren dann ausgefranste Jeans, Lederjacken, Patronengurte, wilde Mähnen und ein böser Blick wichtig. Jede Generation hat ihre Tricks, aber man muss spüren, dass es echt gemeint ist. Das fehlt mir bei vielen heutigen Acts. Ich hatte über zwei Phasen 30 fantastische Jahre bei Megadeth, einer der größten Metalbands der Welt. Jetzt spiele ich die großen Songs, an denen ich mitgearbeitet habe, noch immer und die Leute freuen sich darüber. Mehr kann man sich als Musiker nicht wünschen.“
Live im Wiener Reigen
Heute Abend, am 18. März, tritt David Ellefson mit seiner Band wieder im Wiener Reigen auf. Unter www.oeticket.com und heute an der Abendkassa gibt es noch Karten für das kultige Metal-Highlight in der Bundeshauptstadt. Unter www.viennabluesspring.org findet man noch weitere Highlights, die thematisch passend bis Ende Mai quer durch Wien stattfinden.
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