Ein Spaßprojekt mit ernster Motivation dahinter – das psychedelische Stoner-Rock-Gespann Lurch mischt seit geraumer Zeit die heimische Liveszene auf, nun folgt das Debütalbum. Der „Krone“ verriet das Quartett, was es mit dem Bandnamen auf sich hat, warum die Kulinarik eine so große Rolle spielt und wieso man nicht zu Black Sabbath nach Birmingham fliegt.
Bleischwere Riffs, dröhnende Gitarren und sehr viel Delay und Reverb im Sound – wenn die Klangwand dicht dröhnt, dann sind Lurch nicht weit entfernt. 2018 hat sich das Quartett zusammengefunden, um der gemeinsamen Leidenschaft für Stoner Rock und Doom Metal zu frönen. Als Fans der Musik waren die vier nicht nur Stammgäste bei der „Roadtrip To Outer Space“-Reihe in der Wiener Arena, sondern haben sich auch früh mit einheimischen Bands aus dem Bereich vernetzt. Lurch hat übrigens per se nichts mit der sich in Bodenritzen versteckenden Staubschlange zu tun. Eigentlich beruft sich der Bandname auf das englische Verb „to lurch“, die Phonetik dessen hat in hiesigen Breitengraden dann aber eine Eigendynamik genommen, die man längst schmunzelnd zur Kenntnis nimmt.
Ungeplante Bandzusammenstellung
Bevor Lurch dieser Tage ihr gleichnamiges Debüt eingespielt und aufgenommen haben, hat man sich in Österreich längst einen Namen als explosive Live-Band erspielt. Gigs zwischen Ottensheim, Linz und Wien zeugten nicht nur von der großen Leidenschaft der Musikerinnen, sondern ließen auch das Talent im Songwriting erkennen. Dass die Band schlussendlich eine rein weibliche in einer eher männerbasierten Szene werden würde, war nicht dezidiert geplant. „Als letztes kam unsere Bassistin Marie zu uns“, erzählt Gitarristin und Sprachrohr Miriam im „Krone“-Talk, „wir haben beim Proben gemerkt, dass der Sound ohne Bass nicht funktioniert. Aber dass auch eine Frau am Bass sein muss, war nicht der große Vorsatz.“ Das Debütalbum ist jetzt aber auch abseits der Musikerinnen eine rein weibliche Angelegenheit geworden.
Gemastert wurde das Album von der Schwedin Frida Claeson Johansson, das schmucke Artwork stammt von Lena Bell und aufgenommen hat es Sabina Schöberl, die ansonsten schon mit Mother’s Cake oder The Vintage Caravan auf Tour war und für die Lurch sogar eine längere Pause einlegten. Zwischen Aufnahmestart und Veröffentlichung des Albums liegen mehr als eineinhalb Jahre. „Sabina war unsere erste Wahl. Sie hatte zwischendurch aus privaten Gründen länger keine Zeit, aber wir haben auf sie gewartet“, so Miriam, „sie ist ein extrem lieber Mensch und total professionell. Wir wollten es nicht an die große Glocke hängen, dass nur Frauen an dem Album arbeiten, aber irgendwann hat sich es so weit ergeben, dass wir es dann selbst so durchziehen wollten.“ Wiewohl sich auch in der härteren Gitarrenszene viel zum Positiven verändert hat (siehe etwa Vulvarine), gibt es in puncto Gleichberechtigung noch immer ausreichend Aufholbedarf. „Als ich 2010 auf Stoner-Konzerte ging, gab es meistens nur die Freundinnen von Fans“, erinnert sich Miriam, „das hat sich heute zum Glück deutlich geändert. Es sind auch vor der Bühne immer mehr Frauen, die den Sound lieben.“
Hunger im Proberaum
Die gemeinsamen Säulenheiligen sind schon im ersten Song klar zu erkennen. Doomige Rifflächen à la Black Sabbath paaren sich mit Groove-Passagen der Marke Queens Of The Stone Age, dazu viel Psychedelisches und etwas klassischer Heavy Metal. Sängerin Pauline ist nur äußert selten im Einsatz. Lurch sind zwar keine reine Instrumentalband wie etwa Karma To Burn, setzen ihre Energie aber vorwiegend auf den Sound und nicht auf die Stimme. Die Songtexte pendeln irgendwo zwischen jugendlicher Anarchie, Dialektwörtern und der Vorliebe für Kulinarik. So steht „Wauga“ burgenländisch für den Nasenpetzi, „Shoota“ leitet sich von den „Italian Weeks“ bei McDonald’s ab (Pastasciutta) und „Croque Madame“ zelebriert den französischen Spezialtoast mit Spiegelei und Béchamelsauce. „Bei uns im Proberaum wird massiv gesnackt“, lacht die Band unisono, „früher haben wir alle Songs nach italienischen Speisen benannt.“ Mittlerweile geht man vielseitiger ans Werk.
Hinter den harmlosen Songtiteln verbergen sich sechs Tracks, die nicht mit instrumentaler Wucht und einer Vorliebe für das 70er-Jahre-Feeling geizen. Lurch durften schon früh mit dem Analog-Equipment der Wiener Band Pastor aufnehmen, was den Sound der Band klar geprägt hat. „Bis auf meine Hofer-Gitarre hatten wir noch nie schlechtes Material zum Spielen. Im Proberaum haben wir ihre Vintage-Röhrenverstärker verwendet – ein absoluter Traum.“ Beruflich sind die vier Vollblutmusikerinnen in unterschiedlichen Bereichen unterwegs. Miriam arbeitet im integrativen Erwachsenenbildungsbereich für Frauen, die nicht Deutsch als Muttersprache haben. Bassistin Marie ist bei einer Umweltschutz-NGO tätig, Frontfrau Pauline ist Kindergärtnerin und Drummerin Eva arbeitet im Kurzfilmbereich. Wann immer man die Zeit findet, versammelt man sich im gemeinsamen Proberaum, um an neuen Songs und Ideen zu feilen. Da das Album zumindest für die Band schon alt ist, ist man da auch schon relativ weit gekommen.
Keine Black-Sabbath-Show
„Wir haben einen rund zehnminütigen Song ausgearbeitet, der sicher ein paar Leute überraschen wird.“ Das Fundament soll auf jeden Fall der analoge Klang und ein gewisser Groove bleiben. „Es muss jetzt nicht zwingend etwas im 5/4-Takt eingespielt werden, wo dann auch noch ein schräger Wechsel folgt. Wir finden es selbst spannend, wohin die Reise geht.“ Das nächste Album möchte man auf jeden Fall live und gemeinsam einspielen. „Das hat einen ganz anderen Vibe. In dieser Konstellation fühlen wir uns wohler, als wenn wir die Spuren getrennt aufnehmen.“ Apropos Black Sabbath – natürlich hat sich Miriam um Karten für das Abschiedskonzert von Ozzy Osbourne im Juli in Birmingham bemüht. „VIP-Tickets um 500 Pfund wären noch drinnen gewesen, aber das war mir dann doch zu dekadent“, lacht sie, „irgendwo gibt es dann doch auch Grenzen.“
Live in Österreich
Wer Black-Sabbath-ähnliche Klänge wesentlich günstiger und frischer hören möchte, der sollte eines der Lurch-Konzerte besuchen. Mit ihrem Debütalbum sind sie am 28. März im Schlosskeller Waidhofen an der Ybbs, am 29. März im Grazer Music House, am 4. April in der Wiener Arena, am 19. April in der Linzer Kapu, am 17. Mai beim Stadtfest in Scheibbs und am 4. Juli im Roeda in Steyr zu sehen. Weitere Termine werden folgen.
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