Zwischen mächtigen Baumstämmen wuchern im Norden des Landes ökologisch besonders wertvolle, geheimnisvolle Biotope – ein stiller Streifzug über weiche Moospolster, an Flechten und mystischen Baumschwämmen vorbei
Ob der Dichter (siehe Zitat unten) jemals den hohen Norden des weiten Landes durchstreift hat, ist im Nebel ungeschriebener Geschichte verborgen, auf das Waldviertel trifft das Gedicht jedenfalls zu.
„Da wächst ein Urwald ohnegleichen und wuchert wild und wunderbar im Tannendunkel Jahr für Jahr“
Schriftsteller Siegfried von Vegesack im 20. Jahrhundert
Jede Region hat ihre Farbe
Es ist kein lautes, flammendes Rot wie im Herbst der Wachau, kein blendendes Weiß wie die winterlichen Höhen der Rax. Nein, das Waldviertel ist grün – es ist ein tiefes, uraltes Grün, das selbst raueste Nordwinde überdauert. Es ist das Grün der Moose, Flechten und Baumschwämme, die wie stille Umwelt-Chronisten die Jahrhunderte überbrücken.
Naturmittel gegen Lungenleiden
„Wer die Geschichte des Waldes lesen will, muss auf das Kleinste achten“, sagt Gerhard Blabensteiner, Waldhüter und Forstbesitzer aus Schönbach im Bezirk Zwettl, während seine Fingerspitzen sanft über den feuchten Moospolster eines umgestürzten Baumriesen gleiten. Hier, im verborgenen Mikrokosmos der Forste, regieren Arten, die älter sind als die Bäume, auf denen sie wachsen. Da ist etwa das Widertonmoos (Polytrichum commune), das in dichten, smaragdgrünen Teppichen die Böden bedeckt und hier im hohen Norden des weiten Landes selbst im kältesten Februar noch einen Hauch von Frühling bewahrt. Oder das filigrane Isländische Moos (Cetraria islandica), das in Wirklichkeit eine Flechte ist und von heilkundigen Menschen einst als Naturmittel gegen Lungenleiden geschätzt wurde. Hoch in den Kronen der alten Fichten und Buchen hängt das Bartflechtengewebe (Usnea), als hätten sich die Jahrhunderte selbst dort verfangen. „Wenn man diese Flechten sieht, weiß man, dass die Luft rein ist“, murmelt Blabensteiner – ein stiller Vermerk gegen die Vergänglichkeit und ein Zeichen dafür, dass es noch tatsächlich unberührte Orte gibt.
Das Unsichtbare verbindet alles
Und dann sind da die Baumpilze – geformt wie Muscheln aus Holz, beharrlich und geheimnisvoll. Der Zunderschwamm (Fomes fomentarius), einst vom Menschen zur Feuergewinnung genutzt, klammert sich an abgestorbene Stämme, während der leuchtend gelbe Schwefelporling (Laetiporus sulphureus) an alten Eichen wächst, wie ein stilles Sonnenlicht im Schatten der Wälder. „Es sind nicht die Baumriesen, die den Wald am Leben halten“, sagt Blabensteiner und schaut hinab auf den moosigen Grund. „Es ist das Kleine, das Unsichtbare, das alles verbindet.“ Und so verharrt das uralte Grün des Waldviertels, still und beständig – ein grünes Vermächtnis, das von der Zeit selbst erzählt.
Appell an alle Waldbesucher
Blabensteiner, rühriger Obmann des Vereins zur Förderung des Waldes, appelliert um so flammender an alle Wanderer: „Wandelt sanft über die weichen Polster und – vor allem – reißt das kostbare Grün nicht achtlos für die Osternesterln aus!“
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