Für die Unabhängigkeit seines Reiches war ihm jedes Mittel recht: Der walachische Fürst Vlad Tepes ließ angeblich jeden, der sich ihm in den Weg stellte, grausam töten. Deshalb wurde aus „Vlad, dem Pfähler“ 400 Jahre nach seinem Tod „Dracula“, der Vampir. Ein Mythos war geboren.
Vor der Stadt verwesen die auf Pfählen aufgespießten Leichen. Der Gestank ist unerträglich. Als sich ein Gefolgsmann darüber beschwert, dass die Getöteten über Wochen an den Pfählen bleiben, lässt ihn der Fürst ebenfalls pfählen. Nun kann man auch seinen Körper vor den Stadttoren besichtigen. Als deutliche Warnung – niemand hat Fürst Vlads Entscheidungen zu kritisieren.
Fürst Vlad III., geboren um 1431 und gestorben 1477, erhielt aufgrund seiner bevorzugten Hinrichtungsart den Beinamen Tepes („der Pfähler“) und ist die historische Gestalt hinter der Dracula-Legende. Er ist der Herr über die Walachai, ein Fürstentum, das sich erst im 14. Jahrhundert aus dem damals weitreichenden ungarischen Königreich herausgebildet hat.
Transsilvanien und Vlad, der „Sohn des Drachen“
Es ist das Land der dunklen Wälder, der tiefen Karpatenschluchten und der transsilvanischen Alpen, an dessen Spitze ein Wojwode herrscht. Die Walachai ist ein Pufferstaat zwischen dem ungarischen Großreich, und dem mächtigen Osmanischen Reich. Dieses walachische Fürstentum mit seiner schwierigen geopolitischen Lage zu einem souveränen, unabhängigen Staat zu machen, war das Lebensziel von Vlad III.
Es ist ein kühner Plan angesichts dieser übermächtigen Gegner, sein Vater Vlad II. ist daran gescheitert. Er trug den seinerzeit ehrenvollen, vom lateinischen „draco“ („Drachen“) abgeleiteten Beinamen „Dracul“, weil er Mitglied von Kaiser Sigismunds Drachenorden war; sein Sohn Vlad III. wurde deshalb auch Vlad Drăculea („der Sohn des Drachen“) genannt. Weil das rumänische Wort „drac“ aber „Teufel“ bedeutet, liegt hier einer der Ursprünge des späteren Dracula-Mythos.
Als die türkischen Heere vor den Grenzen der Walachai stehen, unterwirft sich Vlad II., sein Fürstentum wird zum Vasallenstaat des Osmanischen Reichs. Die Unterwerfung der Walachai hat für seinen Sohn Vlad Drăculea eine dramatische persönliche Konsequenz: Der Zehnjährige kommt als Geisel an den Hof des Sultans – als Faustpfand, damit sein Vater seine Treupflicht nicht vergisst.
Der neue Wojwode der Walachei rächt den Mord an seinem Vater
Als Vlad Drăculea sechzehn Jahre alt ist, wird sein Vater von den Bojaren, dem walachischen Adel, der die eigentliche Macht im Fürstentum hat, ermordet und statt ihm ein pro-ungarischer Kandidat auf den Thron gebracht. Der Sultan duldet diese Eigenmächtigkeit nicht, fegt den Thronräuber hinweg und setzt nun Vlad Drăculea als seinen neuen Marionettenfürsten über die Walachei ein.
Doch auch Vlad Drăculeas Herrschaft endet bald, ihm widerfährt das gleiche Schicksal wie seinem Vorgänger; nur, dass ihn der ungarische Regent vom Thron fegt. Jahrelang lebt Vlad Drăculea nun im Exil, klappert die osteuropäischen Höfe ab, auf der Suche nach Unterstützung, schmiedet Allianzen und erwirbt auf diese Art exzellente Kenntnisse der regionalen Machtverhältnisse. Nach einigen Jahren wird er mit ungarischer Unterstützung wieder zum Wojwoden ausgerufen, diesmal ist er aber kein Fürst von Sultans Gnaden mehr.
Der neue Wojwode der Walachei hat nur ein Ziel: Es muss wieder Ordnung herrschen in seinem Reich, denn mächtige außenpolitische Gegner kann man nur bezwingen, wenn die inneren Verhältnisse stimmen. Als Erstes nimmt er sich vor, die Ermordung seines Vaters zu rächen und den Bojaren zu zeigen, wer der Herr im Haus ist.
Als abschreckende Strafe für Diebstahl lasst Fürst Vlad pfählen
So lädt der Fürst die 500 mächtigsten von ihnen zu einem Festmahl. Als die Stimmung auf dem Höhepunkt ist, stürmt die Leibgarde des Fürsten in den Raum, nimmt alle anwesenden Bojaren fest und pfählt jeden Einzelnen von ihnen. Danach sind ihre Familien an der Reihe. Als später einmal ein Mönch den Fürsten fragt, warum er seine Schlächter nicht einmal vor Säuglingen Halt machen ließ, antwortet dieser: „Die Kinder von heute sind meine Feinde vor morgen und würden nicht zögern, ihre Väter an mir zu rächen“. Ab nun nennt man ihn Vlad Tepes – Vlad, den Pfähler.
Gegen die Kriminalität geht der Fürst genauso hart vor. Er braucht in seinem Reich eine funktionierende Wirtschaft und sichere Handelsplätze, um seinen Kampf für die Unabhängigkeit der Walachei zu finanzieren. Wenn etwa Händler die Walachei weiterhin mieden, weil sie dauernd überfallen wurden, verlöre das Land seine wichtigste Einnahmequelle: den Zwischenhandel. Als Strafe für Diebstahl setzt er deshalb ebenfalls Pfählen fest. Um den Kaufleuten zu demonstrieren, dass sie und ihre Ware ab jetzt in seinem Land vor Diebstahl sicher wären, ließ Vlad Tepes in seiner Residenzstadt Tirgoviste einen goldenen Becher auf den Rand des öffentlichen Brunnens aufstellen – angeblich traute sich niemand, ihn zu stehlen.
Auch, wer nichts zum Wohlergehen seines Reiches beitrug, sollte eliminiert werden. Diesen Vorsatz verdeutlichte der Fürst durch ein Exempel, von dem bald im ganzen Land die Rede war: Vlad Tepes lud die Bettler der Hauptstadt zu einer Ausspeisung, ließ sie fürstlich bewirten und fragte sie nach Speis und Trank, ob sie sich nicht wünschten, nie wieder Mangel leiden zu müssen. Die Bettler antworten freudestrahlend mit Ja. Daraufhin verließ der Fürst den Saal, ließ die Tür versperren und den Saal niederbrennen.
Vlads Strategie: nächtliche Angriffe und psychologische Kriegsführung
Doch trotz seiner – im Spätmittelalter nicht extrem auffälligen – Grausamkeit ist der Fürst bei vielen seiner Untertanten beliebt; die meisten hatten unter den einflussreichen Bojaren und der steigenden Kriminalität gelitten. Inzwischen herrschte Stabilität und eine Verbrechensquote, die gegen Null ging – und verfolgte Randgruppen interessierten in der mittelalterlichen Gesellschaft sowieso niemanden.
Bald fordert Vlad Tepes seinen mächtigsten Gegner heraus: den neuen Sultan Mehmed II. Dieser hat im Jahr 1453 Konstantinopel erobert und plant nun weitere Feldzüge. Vom walachischen Fürsten verlangt der Sultan für seine künftigen Eroberungszüge 10.000 Dukaten Tribut und 500 Knaben, die zu Janitscharen ausgebildet werden sollen. Als Antwort lässt der Fürst die Gesandtschaft des Sultans ermorden; alle Türken die über die Donau auf walachisches Gebiet übertreten, lässt er pfählen.
Ohne jegliche Hilfe und nur mit der vagen Zusage von Unterstützung durch den neuen ungarischen König Matthias Corvinus nimmt es der Fürst der Walachei mit dem mächtigen Heer des Sultans auf. Vlad Tepes, der die osmanische Kriegsführung in seiner Jugend genau studiert hatte, rechnet damit, dass Mehmed II. die Walachei nur als Nebenschauplatz betrachtet, schließlich hat Papst Pius II. eben zu einem Kreuzzug gegen die Osmanen aufgerufen. Mit der üblichen Taktik, dem Zusammentreffen zweier Heere auf weitem Feld, würde er gegen das riesige Heer des Sultans nicht ankommen, aber eine Guerilla-Taktik konnte funktionieren: schnelle Überfälle aus dem Hinterhalt, schnelle Rückzüge und vor allem, so möglich, eine Blockade der feindlichen Versorgungswege.
Niemand weiß, wie Vlad Tepes genau ums Leben kam
Tatsächlich schafft er es, den Türken massiv zu schaden: durch permanente Attacken, nächtliche Angriffe und psychologische Kriegsführung. Bevor der Sultan die walachische Hauptstadt erreicht, muss er eine halbe Stunde lang an einem „Wald der Gepfählten“ vorbeireiten – angeblich hatte Vlad Tsepes 20.000 türkische Gefangene pfählen lassen.
Mehmed II. bricht den Feldzug schließlich ab, Vlad Tepes wird zum Kriegshelden – er hatte gezeigt, dass man das mächtige osmanische Heer doch schlagen konnte. Aber der Preis für seinen Sieg ist hoch. Die Walachei ist verwüstet und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die türkischen Heere wiederkommen. In dieser verletzlichen Situation wiederholt sich die jüngste Vergangenheit: Vlads Halbbruder Radu, ein Verbündeter des Sultans, kann die Elite des Landes davon überzeugen, dass es besser ist, ein friedliches Leben als türkische Vasallen zu führen, als ein verwüstetes Land in permanenten Kriegszustand zu halten. Zum zweiten Mal wird Vlad Tepes gestürzt, erneut muss er Allianzen schmieden, um die Herrschaft über die Walachei zurückzuerobern. Im Verbund mit dem Wojwoden von Siebenbürgen schlägt er noch einmal das türkische Heer zurück, und noch einmal, zum dritten und letzten Mal, wird er zum Wojwoden der Walachai ausgerufen.
Vlad Tepes’ Ende kommt zur Jahreswende 1476/77. Wie genau er ums Leben kam, verraten die historischen Quellen nicht, wahrscheinlich fiel er im Kampf um seinen Fürstenthron. Ein politischer Gegner, der mit den Osmanen paktierte, soll ihn von hinten enthauptet haben. Sein Kopf, heißt es, wurde in Honig konserviert und an den Sultan geschickt. Dieser ließ Vlad Tepes’ Haupt auf einer Stange aufgespießt öffentlich zur Schau stellen. Der Körper des Fürsten wurde im Kloster Snagov bestattet. Als man das Grab in den 1980er Jahren öffnete, war es leer.
Aus den Grausamkeiten des Fürsten wurde der Mythos Dracula
Die Walachei geriet nach Vlad Tepes’ Tod wieder unter osmanische Oberherrschaft. Im Jahr 1859 schlossen sich die beiden Donaufürstentümer Moldau und Walachei zum Fürstentum – später Königreich – Rumänien zusammen.
In Westeuropa setzte schon zu Vlads Lebzeiten die Propaganda gegen ihn ein. Die osteuropäischen Geschichten über den Wojwoden aus dem finsteren Tal sind, trotz aller Erwähnung der Grausamkeiten des Fürsten, im Tonfall deutlich sachlicher als etwa die deutschen. Nicht vergessen werden darf auch, dass die Lebensgeschichte Vlads III. – seine Taten wie Schandtaten – nun, durch die noch junge Erfindung des Buchdrucks, in einer Weise und Geschwindigkeit publik gemacht wurde, die früheren Despoten erspart blieb. Die unzähligen, in Büchern und Flugblättern verbreiteten, meist blutrünstig ausgeschmückten Geschichten über Vlad Tepes gingen 400 Jahre später, als einer seiner Ursprünge, in den Mythos von Dracula ein.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.