Sie trank Wolfsmilch, wanderte nachts rastlos umher und sah furchterregend aus. Um die unheimliche Fürstin Eleonore Schwarzenberg ranken sich bis heute Gerüchte. Nach ihrem Tod ließ Eleonores Familie ihren Sarg regelrecht in die Gruft einmauern – ein Hinweis auf die Ängste ihrer Zeitgenossen?
Man nennt sie die „Vampirfürstin“ oder „Vampirprinzessin“. Sie soll das Vorbild für Gottfried August Bürgers gespenstische Ballade „Lenore“ gewesen sein, die von einer jungen Frau erzählt, die vor Trauer über ihren aus dem Krieg nicht heimgekehrten Bräutigam an Gott verzweifelt, bis eines Nachts der Geist des Geliebten angeritten kommt und sie ins Reich der Untoten mitnimmt. Bram Stoker zitiert die Zeile „Die Toten reiten schnell“ aus Bürgers Ballade in seinem „Dracula“-Roman, angeblich hatte er zuvor auch überlegt, die „Vampirfürstin“ zu seiner Titelheldin zu machen.
Die historische Gestalt hinter der Legende ist Fürstin Eleonore von Schwarzenberg (1682-1741). Sie gehört zu den höchsten Aristokratinnen ihrer Zeit und hat einen ausgeprägten Hang zur Exzentrik: Eleonore, eine geborene Prinzessin Lobkowitz, heiratet den steinreichen Fürsten Adam Schwarzenberg. Es wird keine glückliche Ehe, man geht sich bald aus dem Weg, schließlich lebt man getrennt. Nach außen hin heißt es jedoch Haltung bewahren und die repräsentativen Pflichten erfüllen. Das Fürstenpaar hält Hof und arrangiert prächtige Empfänge. Seiner wichtigsten Pflicht kommt das hohe Paar allerdings mehr als zwanzig Jahre nicht nach: dem Haus einen Erben zu schenken. Erst als Eleonore vierzig Jahre alt ist, bringt sie den ersehnten Stammhalter zur Welt – und schon setzt das Gemunkel ein: Ging das noch mit rechten Dingen zu?
Obskure Heiler, Quacksalber, Säftemischer kamen ins Schloss
Als Sohn Joseph Adam zehn Jahre alt ist, stirbt Eleonores Ehemann unter merkwürdigen Umständen bei einer kaiserlichen Hirschjagd. Kaiser Karl VI. höchstpersönlich, der Vater Maria Theresias, hatte den Fürsten ohne Absicht erschossen – die Kugel war ein Irrläufer gewesen. Der Wiener Hof reagiert schnell: Eleonores Sohn Joseph Adam wird in die Residenzstadt geholt, einer der künftig mächtigsten Aristokraten des Reiches muss schließlich im Sinne des Kaisers an dessen Hof erzogen werden. Fürstin Eleonore stellt man kalt, sie erhält dafür eine hohe Apanage. Dass man einer Mutter auf allerhöchsten Befehl das Kind entzieht, ist unüblich – hat es mit den Gerüchten zu tun, die über die Fürstin zirkulieren?
Eleonore ist vielen ihrer Standesgenossen, vor allem den Männern, ein Dorn im Auge. Sie benimmt sich nicht, wie man es von einer Dame ihres Ranges erwartet: Sie raucht wie ein Schlot, sie geht auf Bärenjagd – wie unweiblich! Sie hält sich ein Rudel Wölfe in einem Gehege im Schlosshof; ein Wolfwärter muss die weiblichen Tiere täglich melken, diese Wolfsmilch trinkt die Fürstin regelmäßig. Wahrscheinlich, so flüstert man, verdankte sie ihre späte Schwangerschaft dem unheimlichen Trank.
Zauberrollen und Zauberbücher als Reste des alten Aberglaubens
Das Gerede wird immer lauter, selbst die Kirchenfürsten interessieren sich mittlerweile für die eigenartige Adelige. Sie wird bespitzelt und das nicht nur, weil sich die – nach Ansicht ihrer Umgebung – viel zu selbstbewusste Frau oft kritisch über die Kirche äußert, sondern auch, weil allerlei verdächtiges Volk bei ihr ein- und ausgeht: Obskure Heiler, Quacksalber, Säftemischer, vielleicht sogar Magier? Spätere Archivrecherchen bestätigen Eleonores Neigung zum Okkultismus: Im Archiv des Schlosses Krumau hat sich bis heute eine sogenannte „Zauberrolle“ Eleonores erhalten, darin sind allerlei magische Formeln, Beschwörungen und fromme Sprüche vereint. Solche Zauberrollen und Zauberbücher wurden bis Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet, sie sind Reste des alten Aberglaubens.
Eleonore Schwarzenbergs Verhalten, aber auch ihr Aussehen, macht den Menschen ihrer Umgebung Angst. Zudem erteilt sie angeblich eigenartige Aufträge; zum Beispiel lässt sie in alte Ölgemälde nachträglich Hexen hineinmalen. Und sie sieht immer furchterregender aus: Von Tag zu Tag wird sie dünner, blässer und schwächer; bald sieht sie aus, als hätte sie kein Blut mehr in sich. Des Nachts schläft sie nicht, sondern wandert in der hell erleuchteten Mantelbrücke von Schloss Krumau umher. Da das Schloss über der Stadt thront, können die Krumauer sie von ihren Häusern aus sehen; man fürchtet sich.
Der erhaltene Obduktionsbefund erklärt das mysteriöse Verhalten
Im April 1741 reist Fürstin Eleonore in ihr Wiener Palais, kurze Zeit später verstirbt sie in der Residenzstadt. Im Auftrag ihrer Familie wird eine Obduktion des Leichnams vorgenommen – ein ungewöhnlicher Vorgang bei einer derart ranghohen Persönlichkeit. Der Obduktionsbefund existiert heute noch. Seine Auswertung durch Forensiker ergab, dass Eleonore Schwarzenberg wohl an einem metastasierenden Eierstockkrebs gestorben war – eine Diagnose, mit deren Hilfe die Gerüchte um ihre Person erklärbar werden: Die Fürstin litt an einer unheilbaren, äußerst schmerzhaften Krankheit.
Sie verfiel körperlich, sah zunehmend „blutleer“ aus und wanderte, von Schmerzen gepeinigt, in der Nacht durch ihr Schloss. Sie klammerte sich offenbar an jeden kleinen Strohhalm, der Heilung versprach, an den Rat von Quacksalbern ebenso wie an magische Rituale. Außerdem war Eleonore selbstbewusst und unangepasst, ihre eigenwillige Lebensweise entsprach nicht dem tradierten Frauenbild – umso leichter konnte man Unheimliches in sie hineinprojizieren. Auch der Zeitrahmen spielt eine Rolle: Eleonores Leidensgeschichte ereignet sich genau in dem Moment, in dem sich die Vampir-Hysterie im Habsburgerreich auf dem Höhepunkt befindet – hinter nahezu jedem plötzlichen Todesfall wird jetzt ein Untoter als Täter vermutet.
Eleonore ließ Hexen in die alten Familiengemälde hineinmalen
Die sterblichen Überreste Eleonores wurden auf ihren eigenen Wunsch hin nicht in der Familiengruft der Schwarzenberg in der Wiener Augustinergruft bestattet, sondern in der Kirche St. Veit in Krumau. Zu ihrem Begräbnis kamen weder ihr Sohn, noch ein einziges Mitglied der Aristokratie oder der Kirche. Eleonores Sarg hat man regelrecht in die Gruft eingemauert – ein Hinweis auf die Ängste ihrer Zeitgenossen?
Aus dem bekannten Gemälde, das die Fürstin in Jagdkleidung neben ihrem Sohn zeigt, war ihr Kopf herausgeschnitten und später wieder eingesetzt worden – das haben Röntgenaufnahmen des Bildes gezeigt. Wollte man alle Erinnerungen an die unangepasste Frau aus dem öffentlichen Bewusstsein tilgen? Und noch etwas konnten die wissenschaftlichen Untersuchungen der Gemälde von Schloss Krumau belegen: Ja, Eleonore ließ wirklich Hexen in die alten Familiengemälde hineinmalen. Warum, sie dies tat, darüber rätselt man noch.
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