Die Welt sucht ihr Klimaheil in der Atomenergie! Greenpeace warnt aber eindringlich vor den Gefahren. Konzerne wie Microsoft oder Google setzen auf Mini-Atomkraftwerke. Kleine Reaktoren liefern mehr Strom aus der gleichen Menge Brennstoff. Doch welche Gefahren birgt die neue Technologie?
Die Dominosteine brechen die nach der Katastrophe von Fukushima 2011 errichteten Bollwerke gegen die Atomenergie zusammen. Nachdem Italiens Premierministerin Giorgia Meloni die nukleare Renaissance verkündete und Ungarn Paks-II-Meiler ausbauen will, obwohl das Kühlwasser die Donau auf 30 (!) Grad erhitzen wird, segelt nun auch Polen auf atomarem Kurs: Ab 2028 wird an der Ostküste der erste Meiler gebaut.
Uran ist ein endlicher Energieträger
„Atomkraft stellt als Hochrisikotechnologie eine existenzielle Gefahr für die Menschheit dar. Wie wir vor allem vom Super-GAU in Tschernobyl wissen, hat sie das Potenzial, ganze Landstriche zu verseuchen. Und der radioaktive Müll strahlt Jahrtausende“, warnen Greenpeace-Chef Alex Egit und GLOBAL-2000-Expertin Patricia Lorenz. Sie weisen auch auf ein vertuschtes Problem hin: „Auch Uran, aus dem Atomkraftwerke ihre Kraft ziehen, ist ein fossiler und somit endlicher Energieträger. Es wird unter extrem hohem Ressourcenverbrauch und horrenden gesundheitlichen Folgen abgebaut: Nukleare Energie ist alles andere als sauber!“
Gefahr steigt
Aktuell betreiben zwölf der 27 EU-Mitgliedsstaaten Kernkraftwerke, die meisten davon in Frankreich. Besondere Gefahr für Österreich geht von Kraftwerken in der Slowakei, Tschechien und Ungarn aus. Insgesamt surren EU-weit 100 Meiler, ein Viertel aller global „strahlenden“ Anlagen. Egit weist besonders auf die Gefahr im (Ukraine-)Krieg hin: „Das von den Russen besetzte größte AKW Europas in Saporischschja benötigt durchgehend Strom zur Reaktor-Kühlung. Wird das Netz zerstört, fallen auch Notstromaggregate aus. Somit ist eine Kernschmelze zu befürchten.“
Anders sieht es Sayed Ashraf von der Internationalen Atomenergie-Organisation: „Die Kernenergie ist eine der sichersten Formen der Energieerzeugung, kann zur Lösung des Klimawandels beitragen und als kohlenstoffarme Quelle Emissionen reduzieren.“
Sind Mini-Atomkraftwerkte die Lösung? Interview mit Prof. Georg Steinhauser, Radioökologe (TU Wien)
Herr Prof. Steinhauser, warum investieren Google und Co in Mini-Atomkraftwerke?
Kleine, modulare Reaktoren füllen eine Lücke, die die Kernenergie bislang nicht schließen konnte: den Strombedarf dort zu decken, wo er anfällt, zum Beispiel können Industriezentren oder kleinere Ortschaften an entlegenen Orten versorgt werden. Sie sind aus stromwirtschaftlicher Sicht interessante und profitable Objekte: kein Wunder, dass große Firmen in diese Technologie investieren.
Welchen Vorteil haben kleinere Reaktoren?
Ein kleiner, modularer Reaktor bietet zahlreiche Vorteile. Er braucht weniger Personal, oder kann im Extremfall sogar vollkommen autonom betrieben werden. Er kann unterirdisch gebaut werden, was aus Terrorschutz-Sicht vorteilhaft ist. Und besonders wichtig: anders als ein „normales“ Kernkraftwerk dominiert ein kleiner, modularer Reaktor nicht die gesamte Stromproduktion eines Landes. Es erlaubt Redundanz, also mehrere Systeme, die sich wechselweise ersetzen können. Das macht diese Technologie vor allem für Entwicklungs- und Schwellenländer interessant, die bisher mangels Redundanz in der Energieversorgung vor dem Dilemma standen: Wenn das große Kraftwerk läuft, gibt es Strom im ganzen Land; wenn es für eine Revision abgeschaltet wird, fällt der Strom über Wochen aus.
Welche Technologie steckt dahinter? Werden sie mit Thoriumreaktoren betrieben?
Es gibt viele verschiedene Designs für derartige kleine, modulare Reaktoren. Nicht einmal der nukleare Brennstoff ist in jedem Modell derselbe. Sie können mit Uran betrieben werden, manchmal mit Uran etwas höherer Anreicherung, oder mit einem Uran-Thorium-Gemisch. Durch den kleinen Reaktorkern können die Verluste in der Energieerzeugung minimiert werden; die Reaktoren arbeiten dann effizienter, erzeugen also mehr Strom aus der gleichen Menge Brennstoff.
Die Sicherheit wird bei der Entwicklung dieser Reaktoren ganz groß geschrieben.
Prof. Georg Steinhauser, TU Wien
Bild: TU Wien
Wie steht es um die Sicherheit?
Die Sicherheit wird bei der Entwicklung dieser Reaktoren ganz groß geschrieben. Vor einer Bewilligung steht immer ein langer und detaillierter Prozess, in dem die Sicherheit jedes neuen Reaktorenkonzepts auf Herz und Niere geprüft wird. Es spricht dann nichts dagegen, diese Reaktoren nahe Siedlungsgebieten zu errichten, wodurch die Verluste im Stromtransport über Hochspannungsleitungen wiederum minimiert werden können.
Stellen diese AKWs eine Lösung für den Klimawandel dar?
Keine Methode zur Stromerzeugung kann den Klimawandel alleine stoppen. Es braucht einen vernünftigen Energiemix aus möglichst CO2-armen Quellen. Die Kernkraft, im Allgemeinen, ist natürlich eine Option. Mit kleinen modularen Reaktoren können weitere Schritte im Kampf gegen den Klimawandel gesetzt werden.
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