Leokadia Justman flüchtete als junge Frau vor den Nationalsozialisten nach Tirol. Nach dem Krieg schrieb sie ihre Überlebensgeschichte nieder und macht Geschichte damit eindrucksvoll greifbar.
„Ich nehme an, es ist mein Überlebenswille, es ist mein Instinkt, der mir hilft, stärker zu sein, als ich wirklich bin. Ich bin durch die Feuer des Todes gesprungen, und eine kleine Flamme kann meine Flügel nicht verbrennen.“
„Brechen wir aus!“ auf Deutsch erschienen
Als Leokadia Justman diese Zeilen schreibt, ist der Zweite Weltkrieg vorbei. Die 1922 geborene polnische Jüdin hat überlebt, gegen alle Wahrscheinlichkeiten. Ihre Erinnerungen sind ein einzigartiges Zeitdokument, das vor Kurzem unter dem Titel „Brechen wir aus!“ auf Deutsch erschienen ist (Tyrolia). Die Herausgeber Niko Hofinger (Stadtarchiv Innsbruck) und Religionsforscher Dominik Markl (Uni Innsbruck) haben in aufwendiger Recherche den Text auf historische Zuverlässigkeit überprüft.
Wir beschlossen, unsere Reise nach Tirol fortzusetzen, da wir annahmen, dass die österreichische Bevölkerung freundlicher zu Fremden sein könnte, weniger misstrauisch und offenherziger.
Leokadia Justman
Justmans Erzählung umfasst acht Jahre einer dramatischen Flucht. Nach dem Entkommen aus dem Warschauer Ghetto gelangte die junge Frau mit ihrem Vater nach Tirol. „Wir beschlossen, unsere Reise nach Tirol fortzusetzen, da wir annahmen, dass die österreichische Bevölkerung freundlicher zu Fremden sein könnte, weniger misstrauisch und offenherziger“, schreibt Justman.
Die idyllische Landschaft faszinierte die Neuankömmlinge: „In Seefeld konnte man nicht an den Krieg denken. Es war zu friedlich hier ...“
Von Seefeld nach Innsbruck und Lofer
Die ersten Eindrücke wurden rasch von der Erkenntnis abgelöst, dass auch in Österreich Misstrauen gegen Fremde, Hass auf Juden und Angst vor Repressalien der Nazis allgegenwärtig war. Gleichzeitig begegneten die Flüchtlinge großer Hilfsbereitschaft und Mut, das eigene Leben für andere zu riskieren. Justman beschreibt außergewöhnlich präzise und detailreich, wie sie sich in Seefeld und später in Innsbruck durchgeschlagen hat, wie sie verraten und inhaftiert wurde.
Die aktuelle Sonderausstellung bespielt das ehemalige „Gauleiter-Hofer-Zimmer“. Die Räumlichkeiten, die in den 1940er Jahren als Schaltstelle des hiesigen NS-Apparats fungierten, werden nun als dauerhafter Lehr- und Lernort genutzt. Das Neue Landhaus in Innsbruck wurde 1938/1939 als Gauhaus für die nationalsozialistischen Parteidienststellen errichtet und ist der größte heute noch bestehende NS-Bau Tirols.
Die Ausstellung ist bis Oktober zu sehen. Sie wartet mit einem umfangreichen Rahmenprogramm, Führungen und einem Vermittlungsangebot für Schulklassen ab der vierten Schulstufe auf. Die nächste Veranstaltung am 26. März widmet sich der Erinnerungskultur. Die nächste Führung ist für 28. März geplant.
Dort können Besucher die Stationen auf der Flucht von Leokadia Justman anhand von Karten, Texten, Bildern nachverfolgen und so der Atmosphäre jener Zeit nachspüren.
Alle Infos: tirol.gv.at/erinnern
Sie berichtet über den Tod ihres Vaters im Lager Reichenau, von ihrer neuerlichen Flucht nach Lofer (Sbg.) in den Wirren der letzten Kriegsmonate und ihrer Rückkehr nach Innsbruck. „Es sah so aus, als wären wir die einzigen Juden, die noch am Leben waren“, konstatierte die Zeitzeugin am Ende des Krieges bei ihrer Rückkehr nach Tirol.
Leokadia Justman Brechen wir aus! Als polnische Jüdin auf der Flucht in Tirol, Tyrolia-Verlag, 29 Euro.
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