Justiz wendet Trick an
Mutmaßliche Linksextremisten in Berlin vor Gericht
Fast genau 30 Jahre nach einem gescheiterten Sprengstoffanschlag auf einen Gefängnisbau in der deutschen Hauptstadt Berlin hat der Prozess gegen zwei mutmaßliche Mitglieder der linksextremistischen Gruppe „Das Komitee“ begonnen. Die Verdächtigen lebten jahrelang im Exil in Lateinamerika. Um eine Verjährung zu umgehen, musste die Justiz tricksen.
Für das Verfahren vor dem Berliner Kammergericht sind die beschuldigten Peter K. (65) und Thomas W. (62) aus ihrem Exil in Venezuela nach Deutschland zurückgekehrt. Die deutsche Bundesanwaltschaft hatte im Dezember 2024 Anklage erhoben.
Verdächtige sollen sich zu Sprengstoffexplosion verabredet haben
Die mutmaßlichen Linksextremisten seien „hinreichend verdächtig, sich zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion verabredet zu haben“, hieß es damals von der obersten Anklagebehörde in Deutschland. Die Beschuldigten hätten sich spätestens im Herbst 1994 mit einem dritten, inzwischen gestorbenen Komplizen zu der linksextremistischen Vereinigung zusammengeschlossen, so die Bundesanwaltschaft. Ihr Ziel sei es gewesen, gesellschaftspolitische Veränderungen durch Brand- und Sprengstoffanschläge auf staatliche Einrichtungen herbeizuführen.
Laut Anklage haben Peter K. und Thomas W. und der Komplize im April 1995 einen Anschlag auf das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau geplant. Dafür sollen sie mehr als 120 Kilogramm Sprengstoff in Propangasflaschen gefüllt und diese mit Zeitzündern präpariert haben. Zum Anschlag selbst kam es nicht: Auf einem Parkplatz in der Nähe der Haftanstalt sollten die Sprengvorrichtungen umgeladen werden – doch eine zufällig vorbeifahrende Polizeistreife kam dazwischen. Die Männer flüchteten.
Asyl in Südamerika
Die Männer tauchten ab – und waren jahrelang auf der Flucht. Fast 20 Jahre nachdem das Trio abgetaucht war, spürte das Bundeskriminalamt den inzwischen toten Verdächtigen in Venezuela auf. Die Polizei nahm ihn fest, er kam in Südamerika in Haft. Ein Auslieferungsersuchen Deutschlands wurde aber abgelehnt. Die beiden Angeklagten erhielten Asyl in Brasilien.
Bei Rückkehr am Flughafen festgenommen
Inzwischen ist das Duo jedoch wieder in Deutschland. Vorausgegangen war laut Rechtsanwalt Lukas Theune eine sogenannte Verständigung. Demnach können die Angeklagten bei einem Geständnis mit einer Bewährungsstrafe rechnen. Solche Absprachen im Strafprozess sind in geeigneten Fällen zulässig. Sie sollen vor allem die Arbeitsbelastung der Justiz mindern, bieten aber auch Angeklagten Vorteile.
Peter K. und Thomas W. wurden bei der Ankunft am Hauptstadtflughafen aufgrund des bestehenden Haftbefehls festgenommen. Sie befinden sich im Gefängnis Moabit in Untersuchungshaft. Die Verteidigung kündigte jedoch an, zum Prozessauftakt eine Entlassung aus der Haft zu beantragen.
Vorwurf noch lange nicht verjährt
Dass es überhaupt nach fast 30 Jahren noch zum Prozess kommt, geht aus Sicht der Verteidigung auf einen „Trick“ der Bundesanwaltschaft zurück. Sie wirft dem Duo nicht Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder den geplanten Anschlag in Grünau vor, sondern eine Verabredung zur Tat. Damit ist die Tat nicht nach 20 Jahren verjährt. Beschwerden dagegen blieben beim Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht ohne Erfolg, so Rechtsanwalt Lukas Theune.
Für den Prozess vor dem 2. Strafsenat des Kammergerichts hat der Vorsitzende Richter Gregor Herb bisher insgesamt vier Tage angesetzt. Ein Urteil wird demnach am 8. April erwartet.
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