Vorgänger „zu nett“

Neuer Chef verordnet Chipgigant Intel Radikalkur

Digital
17.03.2025 16:05

Der frisch gekürte künftige Intel-Chef Lip-Bu Tan hat Insidern zufolge bereits vor seiner Ernennung Pläne für eine Sanierung des kriselnden US-Chip-Herstellers geschmiedet. Sie sähen verstärkte KI-Anstrengungen, einen Umbau der Halbleiter-Fertigung sowie Entlassungen vor, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Tan wolle vor allem im seiner Sicht nach aufgeblähten mittleren Management Stellen streichen.

Er habe bei einer Mitarbeiter-Versammlung anlässlich seiner Ernennung in der vergangenen Woche bereits angekündigt, dass der US-Konzern vor „schwierigen Entscheidungen“ stehe. Intel wollte sich weder zu diesem Thema äußern noch ein Interview mit Tan ermöglichen. Dessen Wagniskapitalfirma Walden Catalyst war für einen Kommentar zunächst nicht zu erreichen. Bei Anlegern kamen die Pläne gut an. Die Aktien des früheren Vorzeige-Unternehmens stiegen im vorbörslichen Geschäft an der Wall Street um gut ein Prozent, nachdem sie in der vergangenen Woche als Reaktion auf Tans Ernennung bereits um gut 16 Prozent zugelegt hatten.

Dylan Patel, Gründer des Research-Hauses SemiAnalysis, begrüßte den möglichen Jobabbau. Der im Dezember geschasste Intel-Chef Pat Gelsinger sei „zu nett“ gewesen. „Er wollte Beschäftigte des mittleren Managements nicht in dem Umfang entlassen, wie es nötig gewesen wäre.“ Gelsinger hatte als Reaktion auf die jahrelange Talfahrt des einst weltgrößten Halbleiter-Herstellers im vergangenen August ein milliardenschweres Sanierungspaket aufgelegt, in dessen Rahmen konzernweit bis jetzt etwa jeder sechste Arbeitsplatz weggefallen ist. Ungefähr zu dieser Zeit hatte Tan, der frühere Chef der Softwarefirma Cadence, den Verwaltungsrat von Intel verlassen.

Ausbau der Auftragsfertigung – Neue KI-Chips
Ein weiteres Ziel Tans sei es, aggressiv Kunden für Intels Auftragsfertigung anzuwerben, sagten die Insider weiter. Außerdem solle die Produktion von Hochleistungsprozessoren für Künstliche Intelligenz (KI) wieder aufgenommen werden. Bis zur Entwicklung eines konkurrenzfähigen Chips wird es Experten zufolge aber mindestens bis 2027 dauern. Intel teilte hierzu lediglich mit, dass Tan im engen Austausch mit Kunden, Mitarbeitern und dem Management die Grundlage für künftigen geschäftlichen Erfolg schaffen werde.

Intel hat den KI-Trend verschlafen und ist vor allem bei ertragsstarken KI-Prozessoren für Server keine Konkurrenz für den Weltmarktführer Nvidia. Gleichzeitig hinkt das Unternehmen mit Sitz im kalifornischen Santa Clara in der Auftragsfertigung technologisch dem Rivalen TSMC aus Taiwan hinterher. Hier soll Intels neue Produktionstechnik „18A“ den Durchbruch bringen, deren Einführung aber von Problemen verzögert wird.

Wenige Änderungen an der Konzernstrategie?
Auf den ersten Blick scheinen sich Tans Sanierungspläne nur in Nuancen von denen Gelsingers zu unterscheiden. Dieser wollte die Auftragsfertigung ebenfalls kräftig ausbauen, musste angesichts milliardenschwerer Verluste einige Projekte wie den Bau einer neuen Fabrik in Magdeburg aber auf Eis legen. Inzwischen gilt Intel als möglicher Übernahmekandidat.

Der Konzern hatte Tan Ende 2023 beauftragt, die Lage der Auftragsfertigung zu analysieren, sagten die Insider. Er habe dem Verwaltungsrat daraufhin Reformvorschläge unterbreitet, die dieser aber nicht umgesetzt habe. Daher habe er das Gremium im vergangenen Jahr verlassen.

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