Die am 1. März gemeinsam mit ihrem siebenjährigen Sohn aus Syrien zurückgeholte Ex-IS-Anhängerin Evelyn T. bleibt vorerst in Untersuchungshaft. Das Wiener Landesgericht begründet dies mit der angenommenen Tatbegehungsgefahr. Ihre Verteidigerin Anna Mair spricht hingegen von einer „Sicherungshaft“ und kündigte an, Beschwerde einzulegen.
Gegen das 26-jährige vormalige Mitglied der radikalislamistischen Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) wird wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation ermittelt. Die U-Haft dürfte vor allem deshalb um weitere vier Wochen verlängert worden sein, weil aus Sicht der Justiz unklar sei, inwieweit die 26-Jährige noch mit IS-Gedankengut liebäugele bzw. ein etwaiger Deradikalisierungsprozess fortgeschritten sein würde.
Verteidigerin legt Beschwerde ein
Die Verteidigerin der 26-jährigen Ex-IS-Anhängerin äußerte sich empört über die Verlängerung der U-Haft, sie würde die weitere Inhaftierung nicht akzeptieren. „Das ist nichts anderes als Sicherungshaft“, so Anna Mair am Dienstagmittag. Sie legte daher gegen den Haftbeschluss Beschwerde ein. Die Entscheidung, ob der vom Landesgericht angenommene Haftgrund noch gegeben ist, liegt damit nun beim Oberlandesgericht (OLG) Wien.
Mair argumentiert: Gefahr sei „Hypothese“
Weiters argumentierte Mair, die ihrer Mandantin unterstellte Tatbegehungsbefahr sei eine „Hypothese“. Es fänden sich im Akt keine Hinweise auf eine noch gegebene Radikalisierung. Laut Mair hätte das Gericht von sich aus nichts unternommen, um zum Beispiel durch einen Sachverständiger abklären zu lassen, ob von Evelyn T. noch eine Gefahr ausgehe. Eine „potenzielle Möglichkeit“ ohne belastbaren Grund reiche nicht aus, um die U-Haft weiter zu rechtfertigen. „Wenn man nicht klar sagt, sie ist weiter radikal, kann man sie nicht weiter einsperren“, erklärt die Verteidigerin.
Laut Mair hat Evelyn T. bereits Kontakt zur beim bundesweiten Netzwerk Offene Jugendarbeit (bOJA) angesiedelten Beratungsstelle Extremismus aufgenommen und erste Termine wahrgenommen. Für den Fall einer Haftentlassung stehe eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung, zudem sei eine Betreuung durch den Bewährungshilfeverein Neustart gesichert. Besonders wichtig sei ihr, wieder mit ihrem Sohn zusammenzuleben, der seit dem 1. März in einer Einrichtung der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) untergebracht ist. Die MA 11 hat vorübergehend die Obsorge übernommen.
Entscheidung für IS als Jugendliche
Evelyn T. schloss sich als Jugendliche dem IS an. Sie reiste nach Syrien und begann dort eine Beziehung mit einem IS-Anhänger. Im Mai 2017 brachte sie einen Buben zur Welt. „Ihr wurden aber bald die Augen geöffnet. Sie erkannte sehr rasch, dass sie einen Fehler gemacht hat“, betonte ihre Verteidigerin. Bereits am 1. November 2017 habe sich Evelyn T. freiwillig den alliierten Truppen ergeben, wie ihre Anwältin Mair unterstrich. Das sogenannte IS-Kalifat erlitt erst im Frühjahr 2019 die entscheidende Niederlage gegen eine von den USA geführte internationale Allianz.
Festnahme nach angeordneter Rückholaktion
Während sich IS-Kämpfer in die Badia-Wüste zwischen Syrien und dem Irak zurückzogen, wurden Evelyn T. und ihr Sohn im Al-Roj-Camp interniert, wo vor allem vom IS radikalisierte Frauen untergebracht waren. „Sie befand sich in jenem Teil des Lagers, in dem keine radikalen Frauen lebten“, betonte ihre Verteidigerin Mair. Evelyn T. habe zudem aktiv versucht, mit ihrem Kind nach Österreich zurückzukehren. Im Juli 2024 wurde schließlich beim Außenministerium konsularischer Schutz beantragt, der die Rückholung von Mutter und Sohn betraf.
Am 1. März landete im Zuge einer vom Außenministerium organisierten Rückholaktion ein Flieger in Wien-Schwechat. Die 26-Jährige ließ sich am Flughafen widerstandslos festnehmen – gegen sie lag eine aufrechte Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Wien vor.
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