Wladimir Putin hat Donald Trump erneut alt aussehen lassen. Der Kremlchef lehnte eine allgemeine Waffenruhe ab, ohne „Nein“ zu sagen. Wie ernst er seinen Amtskollegen nimmt, zeigte er wenige Augenblicke vor dem Gespräch. Fünf Erkenntnisse eines ernüchternden Telefonats.
Als die ganze Welt auf den Auftakt des Telefonates zwischen Trump und Putin wartete, plauschte der russische Präsident noch mit Oligarchen bei einem Wirtschaftsgipfel. Auf die Frage, ob er zu spät komme, winkte der Kremlchef mit einem Grinsen im Gesicht ab und sagte, man solle die Terminankündigungen seines Sprechers nicht allzu ernst nehmen. Im Saal brach Gelächter aus. Es war ein Vorgeschmack auf das, was folgen sollte.
Dem Vernehmen nach begann das Telefonat der beiden Präsidenten mit einer Stunde Verspätung. Die Erwartungen an das Gespräch waren riesig. Die Ergebnisse blieben allerdings mau und Versprechungen wurden unverzüglich gebrochen. Folgend fünf Erkenntnisse.
Das Telefonat erbrachte nicht die von Trump erhoffte sofortige Waffenruhe, sondern einen Minimalkonsens: Russland will 30 Tage keine ukrainischen Energieanlagen beschießen, wenn auch die Ukraine darauf verzichtet. Der Kreml teilte mit, Putin habe seine Militärs sofort entsprechend angewiesen. Auch nach Trumps Angaben sollte dies sofort gelten. Soweit die Theorie. Die Realität stellte sich anders dar.
Putin demütigte Trump auch nach ihrem Gespräch. Wenige Augenblicke, nachdem beide Seiten die „Energie- und Infrastruktur-Waffenruhe“ verkündeten, flogen russische Truppen Luftangriffe auf die Ukraine. Reporter in Kiew berichteten von Explosionen. Entgegen der bilateralen Ankündigung wurde offenbar auch die Energieinfrastruktur der Ukraine ins Visier genommen. Eine Lenkbombe soll die Stromversorgung der Stadt Slowjansk lahmgelegt haben. Eine verheerende Optik für den US-Präsidenten. Das Weiße Haus hat auf die Demütigung bisher nicht reagiert.
Der eigentlich zugesagte Verzicht solcher Angriffe soll die „Basis“ für weitere Gespräche bilden. Die allnächtlichen russischen Luftangriffe haben in der Ukraine weite Teile der Energieversorgung beschädigt. Für Russland stellten zuletzt die ukrainischen Drohnentreffer auf seine Ölraffinerien eine Gefahr dar.
Putin brachte seine bekannten Argumente gegen eine allgemeine Waffenruhe vor. Es sei unklar, wie eine solche Feuerpause entlang der gesamten Frontlinie überwacht und abgesichert werden solle, sagte er in dem Telefonat. Der Kreml stellte zudem zwei Maximal-Forderungen. Demnach darf der Westen keine weiteren Waffen und Geheimdienstinformationen mehr an Kiew liefern. Die Ukraine darf die Zeit zusätzlich nicht zur Rekrutierung weiterer Soldaten und zur Wiederbewaffnung nutzen. Für Russland gelten solche Einschränkungen dabei nicht.
Auch für eine Einigung auf einen endgültigen Frieden rückt der Kreml nicht von seinen Forderungen ab. Dazu zählen neben eigenen Sicherheitsinteressen – also dem Verbot eines NATO-Beitritts für die Ukraine – auch die „Beseitigung der Ursachen des Konflikts“. Moskau beschuldigt Kiew, die russischsprachige Minderheit in der Ukraine zu unterdrücken und den Nationalismus zu fördern. Implizit ist damit die Forderung nach einem weiteren Einfluss auf die Politik in Kiew verbunden. Soll heißen: Putin will die Ukraine ihrer Souveränität berauben. Dabei bleibt es.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich von Trump in den vergangenen Wochen Undankbarkeit und fehlenden Friedenswillen vorwerfen lassen müssen. Die USA schickten zeitweise keine Geheimdienstinformationen und Waffen mehr. Dann schloss sich die Ukraine dem US-Vorschlag einer 30-tägigen Waffenruhe an.
Kiew konnte beweisen, dass andere den Prozess sabotieren. Russland zeigte hingegen erneut, dass kein echtes Interesse an einem langfristigen Frieden besteht. In einer ersten Reaktion zeigte sich Selenskyj weiter gesprächsbereit.
Trump ist mit viel Gebrüll in die Verhandlungen gestartet – doch sein vollmundiges Versprechen, den russischen Angriffskrieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden, hat sich offensichtlich nicht erfüllt. Inzwischen rückt der Republikaner selbst von dieser Aussage ab: Es sei „ein bisschen sarkastisch“ gemeint gewesen, erklärte er kürzlich.
Nun geht es für ihn darum, den Krieg zumindest zügig zu beenden. Während er die Ukraine deshalb fortwährend gängelt, inszeniert er sich als Friedensstifter. Nach dem Gespräch mit Putin versucht Trump, zu retten, was zu retten ist. Er sprach auf Truth Social kryptisch von „vielen Elementen eines Friedensvertrages“, die erörtert worden seien. Zeitgleich ließ Putin iranische Kamikaze-Drohnen auf Kiew regnen.
Wieder einmal wird über und nicht mit der Ukraine verhandelt. Die Chefs der großen Atommächte telefonierten allein, weder Kiew noch andere europäische Staatschefs waren dabei gefragt. Arbeitsgruppen, die nun das weitere Vorgehen verhandeln, bestehen ausschließlich aus Russen und Amerikanern. Die Ukraine wird zur Verhandlungsmasse.
Das triggerte bereits in den vergangenen Tagen und Stunden historische Reaktionen. Deutschland verabschiedete das größte Schuldenpaket seiner Geschichte, das quasi endlose Aufrüstung ermöglicht. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte martialisch an, weitere Milliarden in seine Nuklearstreitkräfte zu investieren (siehe Tweet oben). Das Baltikum will künftig fünf Prozent des Bruttoinlandproduktes in Verteidigung investieren. Das Zeitalter der Einflusssphären und des Machtwettlaufs sei zurück, verkündete auch EU-Chefin Ursula von der Leyen. Die „Sicherheitsarchitektur“, auf die wir uns verlassen haben, gebe es nicht mehr.
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