„Heute hat Wladimir Putin den Vorschlag für eine vollständige Waffenruhe de facto abgelehnt“, kommentierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unmittelbar das wichtigste Telefonat der Welt zwischen den USA und Russland auf Telegram. So ähnlich sieht das auch die Weltpresse, auch wenn der Kreml einer „Mini-Waffenruhe“ zugestimmt hat. Die australische Zeitung „Sydney Morning Herald“ fasste das mit „so viel zum Thema Kriegsbeendigung innerhalb von 24 Stunden“ am treffendsten zusammen.
Das australische Medium glaubt gar an „einen Schritt nach vorne und zwei Schritte zurück“, auch wenn das Weiße Haus das Gespräch als Fortschritt angepriesen habe. „Die Situation könnte Trump ernsthaft in Verlegenheit bringen, denn er hat in den letzten zwei Monaten darauf beharrt, Putin wolle den Krieg beenden (...). Dabei hat sich Trump als Putin-Flüsterer dargestellt: als der Einzige, der Putin versteht – ihn sogar mag – und ihn zu einem Deal für die Menschheit bewegen kann. Doch diese Zuversicht wird nun auf eine harte Probe gestellt“, sehen die Australier auch einen fliegenden Bumerang, der US-Staatschef wieder auf den Kopf fallen könnte.
Entsetzt zeigt sich die britische Zeitung „Independent“: „Das ukrainische Volk – Opfer unprovozierter und bestialischer militärischer Aggression – muss mit ansehen, wie sein Land und seine ,Vermögenswerte‘ von den Staatschefs sowohl Russlands als auch der USA zerlegt werden, während sein Präsident zum bloßen Zuschauer degradiert wird, wenn überhaupt.“
„Kreml hat seine Angriffe auf den Westen verdoppelt“
Die spanische Zeitung „El Mundo“ sieht nach dem russischen „Njet“ zu einer umfassenden Waffenruhe Trumps eigenes Image „wanken“. „Aus dem gestrigen Gespräch lässt sich jedoch schließen, dass der Kreml seine Angriffe auf den Westen verdoppelt hat, indem er die Unterstützung Washingtons für sein Narrativ des imperialistischen Kreuzzuges und die öffentliche Demütigung seines Feindes (Wolodymyr Selenskyj) im Oval Office nutzt“, attestierte das Blatt Trump eine tatkräftige Schützenhilfe für den russischen Machthaber.
„Die Karten wurden falsch gelesen“
Putin wollte die Fortsetzung des Krieges, und diese habe er auch bekommen, lautet die nüchterne Analyse in der Turiner „La Stampa“. „Das Ergebnis des Telefongesprächs enttäuscht jene – viele davon in Italien -, die glaubten, der US-Präsident habe einen Zauberstab, um auf magische Weise ein Ende des Krieges herbeizuführen. Die Karten in den Händen der beiden Spieler wurden falsch gelesen.“
Die polnische „Polityka“ sieht ein übliches Verhaltensmuster des Kreml: „Wie bei Moskaus Zusicherungen üblich, kann man glauben, was man will, aber man muss es überprüfen. Die erste Überprüfung verlief nicht gut, denn kurz nach dem Ende von Trumps Gesprächen mit Putin regneten Raketen auf Kiew nieder. Die ukrainische Hauptstadt ist für Russland eine Kommandozentrale und keine Infrastruktur.“
Auch das tschechische Nachrichtenportal „Aktualne“ vermutet, dass Putin „in Wirklichkeit keine Waffenruhe“ will. „Er möchte die russische Einflusssphäre wiederherstellen, einen Keil zwischen Europa und die USA treiben und die nach 1989 entstandenen Verhältnisse verändern. Er will in die Geschichte eingehen als ein Herrscher, der die Größe des russischen Imperiums erneuert und seine Fläche vergrößert hat“, schreibt das Medium.
Angriffsstopp auf Energieinfrastruktur „Idee der Ukrainer“
Laut der ungarischen Nachrichtenseite „444“ knallten bereits vor der Kundmachung der Ergebnisse des Telefonats der beiden Präsidenten die Sektkorken. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass der vorläufige Angriffsstopp auf die Energieinfrastruktur eigentlich eine bereits im Vorjahr vorgebrachte ukrainische Idee gewesen ist. Es habe auch Verhandlungen darüber unter der Leitung Katars gegeben. Die ukrainische Offensive in der russischen Grenzregion Kursk hat diese Verhandlungen „weggewischt“.
„Ein Großer Triumph für Moskau!“, titelt die kroatische „Jutarnji List“ und gibt zu Bedenken: „Sogar die Einstellung der Angriffe auf die Energieinfrastruktur für 30 Tage ist ein listiges Manöver des russischen Präsidenten.“
„Sogar Pseudo-Geständnisse mit Fallstricken verknüpft“
„Krone“-Außenpolitikexperte Kurt Seinitz erinnert sich an folgendes Sprichtwort erinnert: „Es kreißten die Berge und ein Mäuslein war geboren.“ Denn nie sei das Sprichwort treffender als für das „Großartige“, so Trump nach dem Telefonat mit Putin. „Es gehört schon eine gehörige Portion Verblendung dazu, dieses Ergebnis als einen Erfolg zu bezeichnen – bei all den Vorleistungen, die Trump der Ukraine abgepresst hat. Sogar kleine Pseudo-Zugeständnisse sind mit Fallstricken verknüpft“, so Seinitz.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.