Warrior Soul war Anfang der 90er-Jahre die wohl beste Rockband, der kein Erfolg bescheiden war. Mit kurzer Unterbrechung steuert der raubeinige Kory Clarke sein Lebensprojekt unermüdlich über die musikalischen Gewässer. Vor dem Konzert im Wiener Escape Metalcorner erzählt er uns im Interview, was ihn inspiriert, warum er heute ruhiger geworden ist und weshalb sich Rachegedanken nicht lohnen.
Das Gesetz der Ausgewogenheit besagt, dass es neben großen Gewinnern auch unglückliche Verlierer geben muss. Würde sich jeder Musiker mit großem Talent auch zum Superstar aufschwingen können, würde das Pendel zu stark in eine Richtung ausschlagen und der Markt würde am Überangebot explodieren. Es muss auch jene geben, denen eine verheißungsvolle Zukunft propagiert wurde, die aber von den erbarmungslosen Mühlen der Realität zertreten werden und ihr Dasein im Nebulösen fristen. In der jüngeren Rock-Historie sind Warrior Soul dahingehend ganz oben anzusiedeln. Das Lebensprojekt des kauzigen Quertreibers Kory Clarke war Anfang der 90er-Jahre am Sprung zum Superstar-Status und kratzte an der Decke, doch der Fall nach unten war tief und erschütternd. Mit dem 1990er-Debüt „Last Decade Dead Century“ war der Band eine Top-Karriere in die Wiege gelegt, doch während Nirvana, Alice In Chains oder Pearl Jam links und rechts an ihnen vorbeizogen, wussten sie das Momentum nicht zu nützen.
Geprägt vom rauen Umfeld
Clarke wuchs im kantigen Detroit auf und war von den Acts seiner Heimat geprägt. Alice Cooper, Ted Nugent, Bob Seger und natürlich die unvergessenen MC 5 prägten Clarkes Verständnis von ehrlicher Musik, die lieber dornig als allzu glattgebügelt war. Nach seinem frühen Umzug gen New York City tauchte er in den 80ern tief in den Rock-Underground ein. Dort formte sich auch sein politischer Zugang. Die konservativen Republikaner begann er schnell zu verachten, aber auch hüftlahme Demokraten regten ihn auf. Als Clarke 1987 Warrior Soul ins Leben rief, war er sich sicher, damit Erfolg zu haben. Er formierte schnell eine Top-Band, unterschrieb tatsächlich gleich beim Branchenriesen Geffen Records und grätschte Anfang der 90er mit hemdsärmeligem Rock’n’Roll genau richtig in eine Ära, die übersättigt war von den kajalgeschminkten Soft Rockern und toupierten Spandexhosenträgern. Clarke ist ein Rocker der alten Schule. „In Los Angeles war natürlich die Party“, erinnert er sich im „Krone“-Talk zurück, „den Hair-Metal-Bands wurden in den Klubs die Titten ins Gesicht gehalten und sie haben rund um die Uhr gekokst, aber in New York musste man um seinen Platz kämpfen.“
Mit „Drugs, God And The New Republic“ (1991) und „Salutations From The Ghetto Nation“ (1992) legte Clarke zwei hochwertige Rockalben nach, die aber trotz des Hypes um Grunge und dreckigem Alternative Rock nicht vom Genre-Hype zehren konnten und unter Wert verkauft wurden. Für den noch jungen und ehrgeizigen Frontmann war das Grund genug, um sich von der Welt abzuwenden. „Ich war eine Zeit lang ein mieses Arschloch, das nur Stunk machte“, geht er rückblickend selbstkritisch mit dieser Lebensphase um, „mir haben so viele Menschen gesagt, dass ich es ohnehin nicht schaffen würde und meine Musik Bullshit sei, dass ich mir einen Schutzpanzer aufgebaut habe und die Menschen zu hassen begann.“ Clarke legt sich – auch öffentlich – mit anderen an und verwirft sich vor allem mit Labelboss David Geffen. Das Viertwerk „Chill Pill“ (1993) spielt er völlig lustlos und bewusst brustschwach ein, um aus dem Vertrag mit seiner Plattenfirma zu kommen. Die Mission glückt ihm und mit „The Space Age Cowboys“ gelingt ihm 1994 eine Wiedergeburt, die zwar wieder keinen Ruhm und Erfolg bringt, aber für Profis wie Metallica-Drummer Lars Ulrich wie eine akustische Bibel wirkt. Gerüchten zufolge hätte sich auch die schwedische Rockszene rund um die Hellacopters und die Backyard Babies ihr Fundament von diesem Album abgeschaut.
Radikaler Kurswechsel
„Im Nachhinein war vieles unnötig. Ich habe andere Bands kritisiert und mich mit einer Menge Leute überworfen. Hätte ich schon damals erkannt, dass das gemeinschaftliche Arbeiten und ein normaler Umgangston auf Dauer mehr helfen würden, hätte ich mir viel erspart.“ Einen ausschlaggebenden Grund für den Gesinnungswandel hätte es laut Clarke nicht gegeben. „Ich hatte damals ein Rache-Problem und füllte meinen Geist mit Gedanken, wie ich es diesem oder jenem möglichst heftig heimzahlen könne. Viele Leute haben meinen Karriereweg gequert und ihn ruiniert, aber ich selbst war am meisten schuld daran. Wir alle sind nicht auf der Erde, um uns wie Vollidioten zu verhalten. Manche checken das früher. Andere, so wie ich, reichlich später. Heute bin ich beruhigt und entspannt. Mich bringt selten etwas auf die Palme, dafür habe ich zu viel gesehen und erlebt. Und es war wichtig zu erkennen, dass Erfolg nicht unbedingt mit einer erfolgreichen Karriere konnotiert ist.“
1995 löst Clarke seine Lebensband auf, desillusioniert von der Tatsache, dass es nicht und nicht gelingen will, die Lorbeeren für die Arbeit und die guten Songs einzufahren. Bis auf ein kurzes Intermezzo bleibt Warrior Soul bis 2007 auf Eis gelegt, seit knapp 20 Jahren ist die zweite und wesentlich längere Ära der Band im Gange. Mit zahlreichen Nachteilen. Die große Ära der Rock- und Gitarrenbands ist vorbei, Clarke und seine neuen Mitstreiter sind keine hippen Jungspunde mehr und die sechs seit dem Comeback gefertigten Alben sind gutklassig, aber natürlich nicht mehr vom motivierten Feuer der Jugend durchzogen. „Ich sehe bei unseren Shows 17-jährige Kids, die mit jüngeren Alben wie ,Rock’n’Roll Disease‘ oder ,Out On Bail‘ auf uns gekommen sind“, versucht Clarke den Anschluss zu wahren, „aber der große Schritt wird nicht mehr gelingen. Heute sind auch meine Ansprüche anders.“ Mit unterschiedlichen Live-Touren und seinen Zeichnungen – er ist auch leidenschaftlicher Maler - hält er sich über Wasser. Mehr schlecht als recht.
Immer noch der „Real Deal“
„Bei den meisten Touren komme ich gerade einmal auf null und im Studio spiele ich alles selbst ein. Ich bin nicht fucking Bon Jovi und kann meinen Musiker 20.000 Dollar pro Tag hinwerfen, damit sie mein Album veredeln. Es bleibt am Ende an mir hängen.“ Bis Ende 2023 lebte Clarke auch 15 Jahre in Europa, zog zwischen London, Berlin, Schweden und Griechenland hin und her. Mittlerweile hat er sich in Florida niedergelassen. „In den USA ist mir alles zu viel. Zu viel Verkehr, zu viele Waffen, zu viele Vollidioten. In Europa sind die Menschen entspannter und weniger verblendet, von irgendwelchen verheißungsvollen Scharlatanen. Aber Florida ist okay, da kann ich mich vom Rest des Landes relativ gut entkoppeln.“ Clarke wurde von Mitstreitern und Wegbegleitern immer als der „Real Deal“ bezeichnet. Maximal authentisch, ehrlich und knallhart zu sich selbst und anderen. Nicht bereit, für den schnellen Erfolg Kompromisse einzugehen. Damit macht man sich einen guten Namen, aber kein dickes Konto. Ein weiteres Album und seine Autobiografie hat er oft angekündigt, noch warten wir auf beides. Was sicher ist: Kory Clarke wird sich auch weiterhin nicht unterkriegen lassen.
Live in Wien
Eine seltene Chance, Warrior Soul mit zahlreichen großartigen Rocksongs aus mehr als 30 Jahren live zu sehen, bietet sich am 25. März – da beehrt Clarke mit seiner Band den Escape Metalcorner im Wien. Es wird noch Karten an der Abendkassa geben.
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