Enormes Medieninteresse am wohl spektakulärsten Wirtschaftsstrafverfahren Österreichs. Der Oberste Gerichtshof entscheidet ab heute in letzter Instanz über die Urteile für Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, seinen Trauzeugen Walter Meischberger, PR-Berater Peter Hochegger und weitere. Die Dauer des Verfahrens ist bedenklich.
Ruhig, fast staatsmännisch, betritt der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser am Donnerstag um 9.55 Uhr gemeinsam mit seinem Anwalt Manfred Ainedter den Großen Saal im Wiener Justizpalast. Er trägt einen grauen Anzug und eine blaue Krawatte, die Haare sind – wie gewohnt – perfekt frisiert. Nur etwas grauer sind sie im Laufe der Jahre geworden. Kein Wunder, denn die Causa startete bereits im Jahr 2004 ...
„Es ist keine Auszeichnung für einen funktionierenden Rechtsstaat, wenn ein Verfahren so lange dauert. Das ist nicht zumutbar für alle Beteiligten“, sagte Strafrechtsexperte Robert Kert am Mittwoch zu Moderator Armin Wolf in der „Zeit im Bild 2“. In der Tat wurden die mutmaßlichen Delikte vor mehr als 20 Jahren gesetzt.
Knapp zehn Millionen Provision
2004 privatisierte Karl-Heinz Grasser als Finanzminister 60.000 Buwog-Wohnungen, 2009 tauchte bei einer Hausdurchsuchung beim damaligen Bestbieter Immofinanz eine Provisionszahlung in der Höhe von knapp zehn Millionen Euro an Hochegger auf. Über ein kompliziertes internationales Firmensystem soll das Geld zwischen Grasser und Co. aufgeteilt worden sein. Ebenfalls geht es vor dem Obersten Gerichtshof um den Verfahrensstrang Terminal Tower Linz und den Verfahrensstrang Telekom.
Verurteilung unter anderem wegen Untreue
Sieben Jahre lang dauerte es von den Ermittlungen bis zur Anklage, drei Jahre der Prozess, an dessen Ende Grasser – nicht rechtskräftig – acht Jahre Haft ausfasste. Mehr als vier Jahre dauerte das Berufungsverfahren, jetzt entscheidet ein fünfköpfiger Richtersenat über die 2020 unter Vorsitz von Richterin Marion Hohenecker gefällten Urteile.
Grasser ist vom Erstgericht Untreue, Geschenkannahme und Fälschung von Beweismitteln als Beitragstäter angelastet worden. Insgesamt gab es im Wiener Landl acht Schuld- und vier Freisprüche. „Das Urteil ist politisch motivierte Vendetta einer befangenen Richterin“, sagte der heute 56-Jährige damals zur „Krone“.
Hochegger fehlt wegen Hüftleiden
Zum Auftakt am Donnerstag trug die Berichterstatterin die Vorwürfe vor, als Letztes können die Angeklagten und ihre Verteidiger sprechen. Allein dies dauerte fast eine Stunde. Übrigens: Lobbyist Peter Hochegger konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Verhandlung teilnehmen. Er hat ein Hüftleiden.
„Drakonische Strafe“
Anschließend war Grassers Anwalt Manfred Ainedter am Wort. Er verglich den Verlauf mit einer „griechischen Tragödie“, in der sein Mandant „schuldlos schuldig“ sei. Die Strafe nannte er „drakonisch“. „Das 1300 Seiten starke Urteil kann einer Überprüfung nicht standhalten“, so Ainedter. Auch wäre „die Richterin auszuschließen gewesen“.
Anwalt Norbert Wess, der ebenfalls Grasser vertritt, schoss sich voll und ganz auf die Richterin im Erstgericht und deren Familie ein. Er sprach von einer „subjektiven Befangenheit“ Hoheneckers. „Das Verfahren war nicht fair, wir dürfen so ein Verfahren nicht akzeptieren“, sagte er. Das Urteil sei auch inhaltlich „unerträglich falsch“. Wess: „Der Untreue-Tatbestand wurde mit Füßen getreten.“
Entscheidung voraussichtlich am Dienstag
Vier Tage sind im Wiener Justizpalast für die Berufungsverhandlung anberaumt. Von einer Bestätigung, Reduzierung oder Aufhebung der Urteile bis hin zu einer Rückweisung an das Erstgericht sind mehrere Ergebnisse der OGH-Verhandlung möglich. Für Grasser, Meischberger, Hochegger und Co. sind es Schicksalstage. Die Entscheidungen sollen dem Vernehmen nach schon am Montag fallen.
Die Verfassung hat hier ihre Eleganz verloren.
Anwalt Otto Dietrich
Auch der Anwalt des Mitangeklagten Karl Petrikovics, Otto Dietrich, meldete sich zu Wort und fasste zusammen: Das verfassungsrechtliche abgesicherte Grundrecht auf den gesetzlichen Richter seines Mandanten sei verletzt worden. „Die Verfassung hat hier ihre Eleganz verloren.“
Der Verteidiger von Meischberger, Michael Dohr, erklärte: „In diesem Verfahren kann es keine Gewinner mehr geben, aber man kann zumindest der Gerechtigkeit Genüge tun und meinen Mandanten freisprechen.“ Am Donnerstag passierte dies allerdings nicht mehr. Das Verfahren wird am Freitag fortgesetzt.
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