Kino-Interview

„Das Licht“: „Familien sind ungeölte Maschinen“

Unterhaltung
21.03.2025 06:10

Der Film „Das Licht“ von Tom Tykwer eröffnete heuer die Berlinale und startet nun bei uns im Kino. Wir sprachen mit dem Erfolgsregisseur, der schon mit „Lola rennt“ oder „Babylon Berlin“ begeisterte, über sein neues Werk, in dem eine Haushälterin zum Anker einer Familie wird, die sich schon fast verloren hatte.

Im Zentrum des Films steht eine dysfunktionale Familie. Gegen diese Bezeichnung hat Tom Tykwer im „Krone“-Interview gleich einen Einwand: „Es gibt ja keine wirklichen funktionalen Familien, soll mir mal einer eine zeigen, die so richtig funktioniert. Das sind ja alles irgendwie so halb kaputte Maschinen, die ungeölt und ächzend durch die Gegend stolpern.“ Das sei aber auch das Tolle daran: „Ich glaube, wir sind den idealisierten Familienfilmen überdrüssig und wollen viel lieber uns spiegeln können auf eine liebevolle, natürliche und auch eine humorvolle Weise in den Widersprüchen und in den Zerreißproben in unserem ganz normalen Alltag, der sich heutzutage irgendwie auch einfach nicht so normal anfühlt.“

Tom Tykwer präsentierte den Streifen kürzlich in Wien. (Bild: Alexander Tuma)
Tom Tykwer präsentierte den Streifen kürzlich in Wien.

Denn „Das Licht“ (ab sofort im Kino) erzählt vor allem von den Herausforderungen der Welt, die sich auch im Privaten niederschlagen. So sieht sich Familienvater Tim Engels, gespielt von Lars Eidinger, mit Vorwürfen seiner Teenager-Kinder konfrontiert: „Ich habe ja auch Kinder und das Gefühl, das mich beschleicht, ist, dass die ganz schön mit uns hadern. Was ja einerseits normal ist, aber heute erscheint es mir so, als hätten sie wirklich gehörigen Anlass dazu, weil unsere Generation denen eine ganz schöne Bürde hinterlässt und ein ganz schönes Durcheinander. Und darüber beschweren die sich nicht zu Unrecht“, so der deutsche Starregisseur (siehe rechts).

Die Lösung für den Generationenkonflikt? „Wir müssen anfangen, uns wieder gegenseitig besser zu verstehen, indem wir einander zuhören. Indem wir aus unseren Tunneln rauskommen und aus unseren Höhlen kriechen, die wir uns gebuddelt haben.“ Das Zuhören und die Offenheit waren auch seine wichtigste Anforderung an die Schauspieler in diesem intensiven Film, der mit einem überraschenden Ende aufwartet.

„Das Licht“ sorgte auch auf der Berlinale für Diskussionen: „Wir haben viele sehr vehemente Reaktionen bekommen, die offensichtlich damit zu tun haben, dass der Film etwas berührt oder anrührt, was uns alle wirklich beschäftigt und angeht, nämlich die Frage: ,Wie wollen wir leben?’“ Wer die Antwort sucht, findet sie im Kino.

„Krone“-Kino-Kritik
„Das Licht“: Top besetzter Psychoanalytischer-Trip mit Lars Eidinger

Eine Familie im Berlin der Gegenwart: Vater Tim Engels (Lars Eidinger) drechselt verkaufsorientierte Sprüche für eine Werbeagentur, Mutter Milena (Nicole Krebitz) pendelt immer wieder nach Nairobi, wo sie ein Theaterprojekt vorantreibt, und die 17-jährigen Zwillinge machen ihr Ding, soll heißen, Sohn Jon setzt die Virtual-Reality-Brille überhaupt nicht mehr ab, und Tochter Frida switcht zwischen hedonistischen Club-Nächten und demonstrativem Klimaaktivismus. Und einen Nachzügler gibt’s auch noch. Farah, eine syrische Immigrantin, nimmt trotz offensichtlicher Überqualifikation – vor dem Bürgerkrieg in ihrem Land war sie Ärztin – die Stelle als Haushaltshilfe bei den Engels an. Und sie nordet die egozentrische Sippe neu ein!

Regisseur Tom Tykwers Herz schlägt für die deutsche Bundeshauptstadt, was er in „Lola rennt“ oder in der zeitgeschichtlich imprägnierten TV-Saga „Babylon Berlin“ bewies. Sein neuer Film „Das Licht“ wird zur sozio-kulturellen Anamnese der aktuellen Weltlage, behandelt er doch Themen wie die globale Multikrise, Vertreibung und Migration, digitale Erschöpfung, Verrat von Idealen, Empathielosigkeit und sexuelle Lustflauten, ja Lebensfrustration trotz aller Privilegiertheit. In diese 160-minütige Gegenwartsdiagnose mischt Tykwer Animation, Flash-Mob-Getanze, Geistersequenzen und satirische Seitenhiebe. Ein topbesetzter psychoanalytischer Trip, der uns ganz tief in uns selbst hineinhorchen lässt.

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