Hat sich die Europäische Union mit ihrem neuen Rüstungsplan übernommen? Brüssel will Kredite für militärisches Gerät nur gewähren, wenn ein Großteil der Komponenten aus Europa stammt. Einige Mitgliedsstaaten fürchten jedoch bürokratische Horrorszenarien.
Der kolossale Rüstungsplan könnte bis zu 800 Milliarden Euro freisetzen, die in den Schutz des Kontinents fließen sollen. Das Motto lautet dabei: Mehr kaufen, besser kaufen, gemeinsam kaufen – und europäisch kaufen! Durch die massive Aufrüstung soll auch der Wirtschaftsstandort Europa profitieren. Doch es gibt Zweifel, ob dieser die geplanten Vorhaben mittelfristig überhaupt stemmen kann.
Worum geht es?
Die EU plant, einen Fonds namens „SAFE“ aufzusetzen. Der Topf soll 150 Milliarden Euro umfassen, die als langfristige Darlehen an EU-Länder und andere Partnerstaaten fließen. Der Fonds ist als „Kickstarter“ für eine kollektive Rüstungsbeschaffung gedacht.
Mit dem Geld könnten die Mitgliedsstaaten unter anderem Luft- und Raketenabwehrsysteme, Artilleriesysteme, Raketen, Munition, Drohnen oder Cyberabwehrsysteme gemeinsam einkaufen. Die Vergabe unterliegt naturgemäß strikten Vorgaben – mit dem Ziel, Europa aus der Abhängigkeit von US-amerikanischen Waffenlieferungen zu lösen.
„Wir tun dies nicht, um in den Krieg zu ziehen, sondern um uns auf das Schlimmste vorzubereiten und den Frieden in Europa zu verteidigen“, sagte Brüssels Chefdiplomatin Kaja Kallas. Sie betonte zudem, dass die USA unter Donald Trump nicht mehr in der Lage seien, die „freie Welt“ anzuführen.
Was steht im Kleingedruckten?
Der SAFE-Vorschlag sieht vor, dass mindestens 65 Prozent der förderfähigen Komponenten aus der EU stammen müssen. Ausnahmen gelten für die Ukraine, Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Waffensysteme, deren Konstruktionsbefugnis bei anderen Ländern liegt, werden nicht finanziert. Auffällig ist, dass Großbritannien bislang nicht auf der Brüsseler Einkaufsliste steht. Laut Kallas wird an einer Integration des Königreichs gearbeitet.
Das bedeutet: Wer Waffen aus den USA oder Großbritannien kaufen möchte, kann nicht auf den SAFE-Fonds zugreifen. Im schlimmsten Fall könnten dringend benötigte Rüstungsgeschäfte verzögert werden, weil sie die Herkunftsquote nicht erfüllen. Vor allem osteuropäische Mitgliedsstaaten wie Polen und die baltischen Länder warnen, dass Europa sich durch zu strikte Regeln selbst ausbremsen könnte. Frankreich, einer der größten Rüstungsproduzenten Europas, gilt als Architekt der Prozenthürde.
Großteil der NATO-Waffen kommt aus den USA
Dass die SAFE-Regeln zu einem Stolperstein werden könnten, zeigt ein Blick in die Statistik: Die europäischen NATO-Staaten haben ihre Waffenimporte in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt. Doch laut einem Bericht des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts stammten mehr als 60 Prozent der Waffenlieferungen in diesem Zeitraum aus den USA.
Experten befürchten einen enormen bürokratischen Aufwand. Komplexe Waffensysteme bestehen aus Hunderten Komponenten – Hersteller und Käufer müssten künftig detailliert nachweisen, dass ihr Gerät die SAFE-Richtlinien erfüllt. Was als „Kickstarter“ geplant ist, könnte also rasch zum „Bremsklotz“ werden. Polens Premierminister Donald Tusk hat bereits angekündigt, gegen die umstrittene Quote kämpfen zu wollen.
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