In Estland geht derzeit die Angst um. Denn viele befürchten, dass der Kreml dort Ähnliches wie im Donbass oder auf der Krim vorhat.
Erst diese Woche hatte das baltische Land angekündigt, bereits nächstes Jahr seine Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen. Der kleine Staat ist nach Angaben seines früheren Armeechefs Riho Terras entschlossen, sich gegen eine russische Aggression zu wehren. „Wir verteidigen uns. Wir werden das mit und ohne Verbündeten tun“, gab er sich kürzlich bei einem Besuch in Wien kämpferisch. Terras wies auch darauf hin, dass in Estland derzeit britische, französische und amerikanische Soldaten stationiert sind – also Vertreter der drei NATO-Nuklearmächte. Diese würden „nicht weglaufen in dem Moment, wo etwas passiert“, versicherte er.
Indes kommen an der estnisch-russischen Grenze derzeit viele Wohnungen auf den Markt, die bisher von ihren Eigentümern in Erwartung höherer Preise zurückgehalten worden waren. Fast 600 Wohnungsangebote in der Grenzstadt Narva seien ein Rekordhoch, berichtete der Immobilienmakler Vadim Senitšenkov im estnischen Rundfunksender ERR. Gestiegene Heizungskosten würden Bewohner Narvas dazu bringen, leerstehende Wohnungen abzustoßen, so der Sender.
„Wissen nicht, was morgen sein wird“
Der Chef der Immobilienagentur Arco Vara Narva führte aus, dass es im ersten Quartal des Jahres traditionell besonders wenig Marktaktivitäten gibt. Doch sei das Vertrauen der Menschen in der Stadt „auf einem historischen Tiefststand, und sie wissen nicht, was morgen sein wird“, sagte er in offenkundiger Anspielung auf die schwierige sicherheitspolitische Situation in Europa.
Narva wird immer wieder als mögliches Ziel eines verdeckten russischen Angriffs auf den NATO- und EU-Staat Estland genannt. Die Stadt liegt nämlich nicht nur nahe der russischen Grenze, sie hat auch eine mehrheitlich russischsprachige Bevölkerung. Experten zufolge könnte dort ein ähnliches Szenario ablaufen wie bei der Übernahme des Donbass und der Krim durch „grüne Männchen“ ohne Hoheitsabzeichen des russischen Staates im Jahr 2014. Russland könnte versuchen, durch eine Übernahme der Stadt die Entschlossenheit der NATO bei der Verteidigung ihres Territoriums zu testen, ehe es einen offenen Angriff wagt.
Beschwerde an Russland
Grenzüberschreitendes Verhalten durch Russland wäre für Estland keine Neuheit. Im Mai 2024 hatte der Kreml unabgesprochen 24 von 50 schwimmenden Bojen im Grenzfluss Narva entfernt, mit denen von Estland die Schifffahrtsroute markiert worden war. Die Narva bildet die Grenzlinie zwischen den beiden Nachbarländern und markiert zugleich auch die östliche Außengrenze von EU und NATO. Tallinn hatte wiederholt gegen die Entfernung der bisher noch nicht zurückgegebenen Bojen protestiert. Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warf Russland aggressives Verhalten vor.
Nun hat Estland erneut die Rückgabe mehrerer von Moskau entfernter Bojen gefordert. „Wir betonen, dass das Territorium Estlands unverletzlich ist, und die Entfernung von Bojen aus estnischen Gewässern inakzeptabel ist“, heißt es in einer diplomatischen Note, die das Außenministerium des baltischen EU- und NATO-Landes dem einbestellten Geschäftsträger der russischen Botschaft in Tallinn übergeben hat.
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