Politik oder Gericht? Diskussion bei der Redaktionskonferenz am Donnerstag Vormittag: Karl-Heinz Grasser, vielleicht der letzte Akt in seinem Gerichtsfall – wo in der Zeitung vom Freitag platziert man den Bericht darüber? Auf den innenpolitischen Seiten? Immerhin war der mittlerweile 56-jährige Kärntner sieben Jahre Finanzminister der Republik. Allerdings können sich die jüngeren Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion, jene, die um die Jahrtausendwende oder sogar noch später geboren wurden, an keinen Finanzminister dieses Namens erinnern. Kein Wunder, bekleidete er dieses Amt doch von 2000 bis 2007, als diese jüngeren Redakteurinnen und Redakteure den Kindergarten oder bestenfalls die Volksschule besuchten. Grasser, so belehrten wir sie, war zunächst als FPÖ-Minister, von Jörg Haider (ja, den kennen auch die Jungen) in die schwarz-blaue Regierung Schüssel I entsandt worden. Ab 2003 saß er in der Regierung Schüssel II als Kandidat der ÖVP im Ministerium – und galt nach der Niederlage der ÖVP unter ihrem Kanzler bei den Nationalratswahlen 2006 sogar als Kandidat für die Vizekanzler-Rolle der ÖVP in der neuen SPÖ-ÖVP-Regierung unter Alfred Gusenbauer. Daraus wurde doch nichts, anstelle des schillernden Grasser kam der farblose Wilhelm Molterer zum Zug. Der Sunnyboy aus Kärnten verließ die Politik und ist in einen schier endlosen Justizfall verstrickt. Der Rechtsfall eines Mannes, der seit 18 Jahren nicht mehr Politiker ist, auf der Politikseite? Nein, die Redaktions-Mehrheit fand: Das gehört auf die Gerichtsseite. Und so geschah es auch.
„Schuldlos schuldig“. 16 Jahre ist die Causa Grasser rund um die Buwog nun gerichtsanhängig. Heute oder zu Beginn der kommenden Woche sollte der Fall endgültig entschieden sein. Denn Grasser war zu acht Jahren Haft verurteilt worden und hat dagegen berufen. Diesen Sachverhalt kennen auch die jüngeren Kollegen und Kollegen – liegt die Verurteilung doch „erst“ fünf Jahre zurück. Um was ging es da eigentlich noch mal, wurden wir Älteren gefragt. Um einen Korruptionsskandal rund um den Verkauf der damaligen Bundesgenossenschaftswohnungen zu einem vermutlich ausgemauschelten Preis und damit verbundenen Provisions-Rückflüssen in der Höhe von 10 Millionen Euro an Grasser und Co. In der Berufungsverhandlung verwies der Grasser-Anwalt gestern neuerlich darauf, dass sein Mandant „schuldlos schuldig“ gesprochen worden sei. In Kürze sollten wir wissen, ob das Oberste Gericht diese Ansicht teilt – oder ob der Ex-Finanzminister ins Gefängnis muss. Wir werden in der Redaktion – so oder so – noch einmal diskutieren, ob diese Nachricht dann auf die Politik- oder die Gerichtsseiten gehört…
Kommen Sie gut durch den Freitag!
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