Tag 2 im Berufungsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof in der Causa Buwog & Co. – Höhepunkt sind die bewegenden Worte des früheren Finanzministers. Der sagt: „Ich habe nichts Unrechtes getan. Ich habe ein reines Gewissen. Ich kann mich in den Spiegel schauen.“ Das Urteil soll am Dienstag um 10 Uhr fallen.
Erstinstanzlich und nicht rechtskräftig wurde Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser im Dezember 2020 am Wiener Straflandesgericht zu acht Jahren Haft verurteilt. Das Urteil im wohl spektakulärsten Korruptionsskandal wird am kommenden Dienstag um 10 Uhr verkündet. Am Montag ist eine abschließende Beratung durch den Senat angesetzt.
Höhepunkt am zweiten Tag sind die Worte des früheren Finanzministers, die unter die Haut gehen. Hier im ungefähren Wortlaut:
„Ich möchte mich bedanken, dass ich die Möglichkeit habe, mich zu äußern. Es ist mir ein großes Anliegen, Ihnen zu sagen, dass ich keinen Geheimnisverrat begangen habe. Ich habe niemandem Informationen zum Verkauf der Bundeswohnungen amtsmissbräuchlich weitergegeben. Ich bin der festen Überzeugung, dass ich den höchstmöglichen Preis für die Republik Österreich erzielt habe.“ ...
„Zur Verfahrensdauer von 16 Jahren. Ich glaube, wenn man nicht selbst davon betroffen ist, kann man diese Zahl gar nicht in Worte fassen. 5635 Tage und Nächte. Es hängt wie ein Damoklesschwert über dir. Dieser Druck auf einem selbst und den eigenen Kindern ist eine enorme Belastung.“ ...
„Der verstorbene Sektionschef Pilnacek hat einmal gesagt, dass ein Verfahren nicht zu einer Strafe werden darf. Für mich ist dieses Verfahren zur Höchststrafe geworden. Man stellt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens und woran man noch glauben kann. Seit dieser Zeit, als eine aus meiner Sicht befangene Richterin ein Urteil gefällt hat, hat es mich getragen, heute hier vor Ihnen, den höchsten Richtern, zu stehen.“...
„Und ich weiß, es ist eine schwere Entscheidung, Sie entscheiden über mein Leben und Schicksal. Es geht aber auch um das Vertrauen in den Rechtsstaat. Ich war Landeshauptmannstellvertreter, war Finanzminister. Ich glaube an unsere Republik und an unseren Rechtsstaat. Ich habe mir in den 16 Jahren gesagt, irgendwann wird es Gerechtigkeit geben. Ich möchte Ihnen aus tiefstem Herzen sagen: Ich habe nichts Unrechtes getan. Ich kann mich in den Spiegel schauen. Ich habe immer an Recht und Gerechtigkeit geglaubt. Wir sind hier vor dem Obersten Gerichtshof. Wo, wenn nicht hier, sollte es Recht und Gerechtigkeit geben.“
Delikt wurde vor 21 Jahren gesetzt
2004 hatte Karl-Heinz Grasser als Finanzminister 60.000 Buwog-Wohnungen privatisiert, 2009 waren bei einer Hausdurchsuchung beim damaligen Bestbieter Immofinanz eine Provisionszahlung in der Höhe von knapp zehn Millionen Euro an Hochegger aufgetaucht. Über ein kompliziertes internationales Firmensystem soll das Geld zwischen Grasser und Co. aufgeteilt worden sein. Ebenfalls geht es vor dem Obersten Gerichtshof um den Verfahrensstrang Terminal Tower Linz und den Verfahrensstrang Telekom.
Rückendeckung für Erstrichterin Hohenecker
Am Freitag kam auch die Generalprokuratur zu Wort. Das beratende Gremium des Obersten Gerichtshofes hatte das erstinstanzliche Urteil in großen Teilen zu bestätigen. Und erwartungsgemäß stellen sich deren Vertreter hinter Richterin Marion Hohenecker. Dafür spreche auch das Lob von Grasser und Meischberger in ihren Schlussworten über ihre Führung des Prozesses. „Sie führte die Hauptverhandlung ruhig, besonnen und gründlich“, führt die Vertreterin der Generalprokuratur aus. „Mit äußeren Umständen müssen Richter umgehen können.“ – Anhaltspunkte, dass sich Hohenecker beeinflussen haben könnte, gab es keine. Fazit: Die Generalprokuratur hält die Richterin des Buwog-Prozesses für nicht befangen.
„Jegliches Augenmaß verloren“
Auch Grassers Anwalt Norbert Wess und seine Kollegen durften nochmal sprechen. In der zweiten Anwaltsrunde geht es um das potenzielle Strafausmaß. Hierbei habe man „jegliches Augenmaß verloren.“ Acht Jahre für den Ex-Finanzminister lautete das Urteil. Höchststrafe wäre 10 Jahre gewesen. Bei einem Unbescholtenen sei dies „völlig unangemessen“.
Wess macht auch die exorbitant hohe Verfahrensdauer zum Thema. Bald 16 Jahre ist es her, seit gegen Grasser und Co Ermittlungen eingeleitet wurden. Ein Rekord in Österreich. Tatsächlich sollte ein Verfahren nach 3 Jahren erledigt sein. Die Generalprokuratur indes argumentierte, dass die Anwälte selbst das Verfahren in die Länge gezogen hätten. Auch eine Medienschelte inklusive „Vorverurteilung“ kommt zur Sprache des Anwalts. Inklusive Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches.
Bestätigung der Haftstrafen oder „supersauber“
Die Entscheidung des OGH kann von einer Aufhebung des Spruches des Schöffensenates aus dem Jahr 2020 bis zu einer vollinhaltlichen Bestätigung reichen. Neben Grasser wurden im Strafverfahren unter Richterin Marion Hohenecker unter anderem auch Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger und der Lobbyist Peter Hochegger nicht rechtskräftig verurteilt, auch sie haben sich an den OGH gewandt. Hochegger fehlt allerdings aufgrund eines Hüftleidens.
Die „Krone“ berichtet live vom zweiten Verhandlungstag.
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