(Bild: KMM)

Wer war der Mann?

Unterrichtete ein Spion die spätere Kaiserin Sisi?

Für die fünfzehnjährige Kaiserbraut Elisabeth wurde ein strenges Unterrichtsprogramm erstellt. Ein Ungar unterrichtete die künftige Kaiserin in österreichischer und ungarischer Geschichte. War dieser Lehrer, der Sisis Begeisterung für Ungarn weckte, ein Spion des Wiener Hofes?

Der „göttliche Ischler Séjour“, wie Kaiser Franz Joseph von Österreich von seinem Aufenthalt in Bad Ischl im Sommer 1853 schwärmte, gab der österreichischen, aber auch der ungarischen Geschichte eine neue Wendung. Im August dieses Jahres verliebte sich Franz Joseph Hals über Kopf in seine fünfzehnjährige Cousine Elisabeth, Tochter des Herzogs Max und der Herzogin Elisabeth in Bayern, und hielt um ihre Hand an. Wie zu erwarten, traf sein Wunsch auf offene Ohren, und aus einer bayrischen Prinzessin wurde  über Nacht die künftige Kaiserin von Österreich.

In den knapp neun Monaten bis zur Hochzeit musste die Braut ein dicht gedrängtes Lernpensum absolvieren, schließlich sollte sie möglichst gut auf ihre künftige Rolle vorbereitet werden. Vor allem galt es, Elisabeth Kenntnisse in der Geschichte der Habsburgermonarchie zu vermitteln, und dazu gehörte natürlich auch die ungarische Geschichte.

Nach der Verlobung mit Kaiser Franz Joseph musste Sisi ein Lernprogram absolvieren. (Bild: akg-images / picturedesk.com)
Nach der Verlobung mit Kaiser Franz Joseph musste Sisi ein Lernprogram absolvieren.

Man warf ihm Übereifer gegenüber den Mächtigen vor
Mit der wichtigen Aufgabe, die künftige Kaiserin hierin zu unterrichten, wurde Graf Johann Majláth betraut. Elisabeth soll den Unterricht sehr genossen haben, der Graf galt als guter Vortragender: Er hatte eine angenehme Stimme, spickte seine Vorträge mit Anekdoten und Vergleichen und weckte so bei seiner Schülerin Neugier und Interesse. Im Vergleich zu ihren sonstigen, wohl anstrengenderen Unterrichtsstunden dürften die Lektionen bei Majláth in entspannter Atmosphäre stattgefunden haben, denn zu diesen gesellten sich die Eltern und Geschwister Elisabeths oft und gerne dazu. Johann Majláth habe, so wird überliefert – und so liest man auch in den gängigen Elisabeth-Biografien – die künftige Kaiserin für Ungarn und dessen Geschichte begeistern können und damit die Saat für eine lebenslange Faszination gelegt.

Interessanterweise wurde derselbe Mann von vielen seiner ungarischen Zeitgenossen als „Hauptreaktionär“ und vom liberalen Journalisten Max Falk – er unterrichtete Elisabeth in den 1860er Jahren in Ungarisch – sogar als „Ober-Ober-Pecsovics“ bezeichnet. (Als „Pecsovics“ wurden jene bezeichnet, die den österreichischen Machtinhabern in blindem Übereifer zu Diensten waren.)

Wie war das möglich? Wie kam derselbe Mann, der angeblich Elisabeth für Ungarn begeistert hatte, zu dieser üblen Nachrede? Und warum wurde er sogar als Spion des Wiener Hofes betrachtet?

Die junge Monarchin. Durch die Hochzeit 1854 wurde Elisabeth Kaiserin von Österreich. (Bild: Rabatti - Domingie / akg-images / picturedesk.com)
Die junge Monarchin. Durch die Hochzeit 1854 wurde Elisabeth Kaiserin von Österreich.

Berichtete er der Polizeihofstelle in Wien?
Eine Antwort auf diese Fragen findet man in der Lebensgeschichte des Grafen – diese erklärt auch, warum ausgerechnet er beauftragt wurde, die Kaiserbraut in die Geschichte Österreichs und Ungarns einzuführen. Graf Johann Majláth, 1786 in Pest geboren, war bereits während des Vormärz Berichterstatter des Wiener Hofes. Der berüchtigte Staatskanzler Fürst Klemens von Metternich schätzte an ihm, dass er „als gewandter Redner die königlichen Interessen bei der Magnaten-Tafel vertreten“ könne.

Zudem sei von Vorteil, dass Majláth ein Geschichtswerk zu schreiben beabsichtige, „wodurch das In- und Ausland von der Lage der Dinge aus dem Gesichtspunkte, wie es die Regierung wünscht, belehrt werden wird.“ Metternich bezahlte Majláth für seine Dienste 3.000 Gulden – ein hoher Betrag für jemanden, der nur Stimmung machen sollte. In Ungarn sprach man damals sogar von aktiver Berichterstattung Majláths an die Polizeihofstelle in Wien.

Im Revolutionsjahr 1848 floh Johann Majláth aus Ungarn nach Wien, in der Revolution sah er nichts als eine Rebellion gegen die legalen Machthaber. Den auf Befehl der Regierung hingerichteten Ministerpräsidenten der Revolutionsregierung, Lajos Batthyány, bezeichnete Majláth zudem als Fanatiker und selbst für den gemäßigten Reformer István Széchenyi fand er harte Worte: Dieser sei der „größte Intrigant in Ungarn“.

Elisabeth im ungarischen Hofkleid. 1867 wurde sie auch Königin von Ungarn. (Bild: ÖNB / ÖNB-Bildarchiv / picturedesk.com)
Elisabeth im ungarischen Hofkleid. 1867 wurde sie auch Königin von Ungarn.

Sisi holte sich später selbst die Informationen, die man ihr vorenthielt
Wohl genau aufgrund dieser Einstellung wurde Graf Johann Mailáth die Ehre zuteil, die Braut Kaiser Franz Josephs in die österreichische und ungarische Geschichte einzuführen. Der Wiener Hof wollte so sicherstellen, dass Sisi über Ungarn nur erfuhr, was sie aus Sicht der Wiener Regierung auch erfahren sollte. Dass die Details der blutigen Niederschlagung des ungarischen Freiheitskampfes Thema der beschaulichen Geschichte-Stunden waren, oder das „Blutgericht von Arad“, mit dem die österreichische Regierung ein erschreckendes Exempel statuierte, darf bezweifelt werden.

Graf Johann Majláths Ausführungen zur Geschichte Österreichs und Ungarns vor der Kaiserbraut entsprachen also ganz der Regierungslinie – obwohl Majláth  die Kaiserin wohl nicht im klassischen Sinn ausspionierte, wie ihm auch vorgeworfen wurde. Genauere Information über die Niederschlagung des ungarischen Aufstandes musste sich Sisi woanders holen – und das sollte sie Jahre später auch tun.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt