Konzertkritik

Weiblich, furios, multikulturell

Vorarlberg
22.03.2025 17:25

Mitreißend temperamentvoll und zugleich hochsensibel geriet das Bregenzer Meisterkonzert am Freitagabend im Festspielhaus. Es war eine echte Sternstunde.

Die Kunstmesse „Stage“, die dieser Tage im Festspielbezirk Bregenz abgehalten wird, war auch beim Bregenzer Meisterkonzert allgegenwärtig. Bis weit in die Hinterbühne blickte man auf diverse Objekte. Doch beim Auftritt des Stuttgarter Kammerorchesters wurde ein Bühnenvorhang heruntergerollt, eine Arbeit des Bregenzer Künstlers Uwe Jentsch mit dem Titel „Rette deine Seele“. Dann kam das Energiebündel Nil Venditti aufs Podium, die Dirigentin des Abends also, und erklärte, dass alle hier „crazy“, also verrückt seien, da wir die nächsten Stunden mit klassischer Musik verbringen.

Das famose Stuttgarter Kammer- orchester begeisterte das Publikum im Bregenzer Festspielhaus mit seinem präzisen und dennoch glühenden Spiel. (Bild: Wolfgang Schmidt Ammerbuch)
Das famose Stuttgarter Kammer- orchester begeisterte das Publikum im Bregenzer Festspielhaus mit seinem präzisen und dennoch glühenden Spiel.

Als ob das nicht genug Inputs gewesen wären, führte das Stuttgarter Kammerorchester mit Fazil Says Kammersinfonie von 2015 in die brodelnde Welt der Metropole Istanbul. Der wirbelnde Kopfsatz wurde besänftigt durch den zweiten, denn „Romantik sei auch heute wichtig“, meint der Komponist. Der letzte Satz zeigte uns den großen Bazar. Fazil Say kommt übrigens selbst zum übernächsten Meisterkonzert als Klaviersolist.

Als zweiter Programmpunkt war Mozarts Violinkonzert in A-Dur geplant, doch die Solistin Sakaya Shōji war so versunken in ihre Übungen in der Garderobe, dass sie ihren Auftritt verpasste und die Musiker die für nach der Pause angesetzte Streichersinfonie Nr. 10 von Felix Mendelssohn-Bartholdy vorzogen. Nur 14 Jahre alt war damals ihr Komponist, Mozart, der ebenfalls Frühvollendete, war 19, als er das beliebte A-Dur-Konzert schrieb, das nun doch erklang. So strahlend in ihrer Art die Dirigentin Nil Venditti sich präsentierte, so bescheiden wirkte die Geigerin Sakaya Shōji auf das Publikum. Mit einer langsamen Improvisation leitete sie das Hauptthema des ersten Satzes ein und ließ in der Folge mit einer ausgedehnten Kadenz aufhorchen.

Der zweite Satz geriet zu einem zeitvergessenen Gesang. Das „Rondeau“, ebenfalls mit Improvisationen durchsetzt, schlug schließlich mit seinem „türkischen“ Einschub die Brücke zum ersten Programmpunkt des Abends.

Einziges, dafür umso gewichtigeres und aussagestarkes Werk nach Pause blieb das „Divertimento für Streichorchester“ von Béla Bartók. Es zeugt von den Beunruhigungen seines Entstehungsjahres 1939.

Endlich sei das Stuttgarter Kammerorchester mit seinem präzisen und dennoch glühenden Spiel gerühmt, dazu seine Dirigentin, die Temperament mit sauberster Arbeit zu vereinen weiß. Eine Sternstunde der Bregenzer Meisterkonzerte!

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