Der Noch-Parteiobmann über die Situation seiner Partei in Opposition, über die Pläne der Regierung und über seine persönliche Bilanz und seine Zukunft. Fazit: „Ich bin nicht amtsmüde“
„Krone“: Die Grünen regieren nicht mehr mit. Schwingt Wehmut mit?
Werner Kogler: Gar nicht. Wir schauen nach vorne. Aber auch in der Rückblende ist schon vieles gelungen. Wir haben viele Rückmeldungen von Menschen bekommen, die uns Respekt und auch Dankbarkeit gezeigt haben. Letztlich sollte es selbstverständlich sein, dass die Politik für die Menschen arbeitet.
Die letzte Nationalratswahl war aber geprägt davon, dass man unbedingt Blau als Nummer eins verhindern wollte. Da haben es alle Kleinen schwer. Man darf aber nicht die Nerven wegschmeißen. Nun regieren wir im Burgenland mit, obwohl uns der Abflug aus dem Landtag vorhergesagt wurde. Von Anja Haider-Wallner wird man noch viel hören. Man sieht, es geht schon wieder nach vorne.
Wie beurteilen Sie als Ökonom die Sparpläne der neuen Regierung?
Es wird jetzt nicht wundern, wenn mir vor allem wichtig ist, Ökologie und Wirtschaft mit sozialer Absicherung in Balance zu halten. Das bekommt man nur von den Grünen. Sparen würden wir auch, nur die Frage ist immer noch, wo und wie? Wir Grüne waren hier immer dabei. Ob mit Wirtschaftsprofessor Alexander Van der Bellen, Gabi Moser oder auch heute.
Man muss vor allem in Ökologie investieren – Photovoltaik, Windkraft, ökologische Industrie etc. Da geht es um Zehntausende Arbeitsplätze. Die NEOS haben in Sachen Staatsreform vernünftige Ansätze und probieren einiges, bringen das aber nicht weiter. Man könnte wirklich sinnvoll sparen – etwa bei umweltschädlichen Subventionen und nicht beim Umwelt- und Klimaschutz.
Die generellen Regierungs-Vorhaben?
Wir sind in den vergangenen 5 Jahren beim Klimaschutz und ökologischen Investitionen vom Pannenstreifen voll auf die Überholspur gekommen. Es ist mehr weitergegangen als die Jahrzehnte davor. Ohne unsere Investitionen in die Ökobranche hätten wir noch viel mehr Verluste der Wirtschaftsleistung und unsere Abhängigkeit von Russland wäre noch viel größer.
Wenn es nach der alten ÖVP gegangen wäre, wären wir weiter in diese Richtung unterwegs. Schulterklopfen beim Genossen Putin war da die Devise. Diese Art von Abhängigkeit ist wirklich ein Wirtschaftsverbrechen. Umso mehr muss man die Energiewende vorantreiben. All die Gasagenten, Öl-Lobbyisten und Betonbarone wurden in Schach gehalten, solange wir regiert haben.
Sie zeigen sich reformbereit und kooperativ. In welchen Bereichen?
Bei sinnvollen Zwei-Drittel-Materien. In der Energiewende und beim Netzausbau zum Beispiel. Da ist vieles fertig, das angegangen gehörte. Das ist ja kein Hobby der Grünen. Das Problem bei allen Reformen ist ja, dass du fast keinen Schritt machen kannst, ohne dass nicht zwei, wenn nicht noch mehr Gebietskörperschaften verwoben sind. Und am schlimmsten ist es in der Gesundheit, dort hast du Städte, Länder und Bund, Ärztekammer und Krankenkassen, die alle irgendwie was zu sagen haben und nichts kann einer allein entscheiden.
Es wird schwierig, vor allem mit der ÖVP. Mit den Landeskaisern …
Ja, natürlich, das war immer schon das Problem. Ich kann mich erinnern, als Vizekanzler Josef Pröll bei konkreten Vorhaben mit Kanzler Faymann an seinen eigenen Landeshauptleuten gescheitert ist. Man kann sie nicht entmachten, man muss ihnen immer auch etwas anbieten. Anders scheint es in diesem Land nicht zu gehen. Der österreichische Föderalismus ist also eine Milliardenfolklore.
Die Grünen sind nun einmal aus dem Spiel. Wie lautet ihr Resümee?
Ich bin mit Alexander Van der Bellen in die Bundespolitik eingetreten, wo wir Grüne zur Blüte gekommen sind. Da haben wir eine ähnliche Rolle eingenommen wie die deutschen Grünen - sehr reformorientiert, aber in der ökologischen Frage, also wie es mit dem Planeten weitergeht, relativ radikal, aber in der Umsetzung real.
Wichtig ist ja eher, was für die Erreichung der Klimaziele bis 2030 passiert. Dafür ist momentan nicht so viel Verständnis da, sondern viel Gegenwind, weil so viele andere Krisen da sind.
Werner Kogler
Bild: APA/GEORG HOCHMUTH
Das, was wir in den vergangenen fünf Jahren umgesetzt haben, wird sich auch für die neue Regierung noch positiv auswirken: Die CO2-Emissionen, die die letzten Jahre deutlich zurückgegangen sind, werden jetzt also nicht gleich steigen. Wichtig ist ja eher, was für die Erreichung der Klimaziele bis 2030 passiert. Dafür ist momentan nicht so viel Verständnis da, sondern viel Gegenwind, weil so viele andere Krisen da sind. Ja, und trotzdem müssen wir die Klimakrise im Auge behalten. Auch im Sinne der Volkswirtschaft.
Wenn wir die umweltschädlichen Subventionen zurückfahren, kommen wir sofort auf eineinhalb bis zweieinhalb Milliarden Euro. Das ist schon ein Riesenbetrag, und da gehört auch das Dieselprivileg dazu. Dieser Tage habe ich mit Freude vernommen, dass in Tirol endlich darüber nachgedacht wird, das zu ändern. Warum? Weil da nämlich ein paar Cent Differenz dazu führt, dass ausländische Lkw weniger über die Brennerroute fahren.
Stichwort Pensionen – der größte Brocken im Budget. Was soll hier geschehen?
Die Debatte dreht sich ja immer sehr gerne um das gesetzliche Pensionsantrittsalter. Tatsächlich sollte man vorab darauf achten, das faktische Antrittsalter an das gesetzliche anzupassen. Dadurch, dass das Thema Frauenpensionen vor Jahren angegangen worden ist, verschiebt sich auch einiges. Der Fehler liegt darin, auf absolute Budgetzahlen zu schauen. In Wahrheit muss man die Ausgaben in Prozent der Wirtschaftsleistung betrachten – und da sieht es dann besser aus.
Was soll in der Asylfrage geschehen? Zuletzt sorgte der Stopp für Familiennachzug für Aufsehen
Das Gerede um den Stopp des Familiennachzugs ist verhältnismäßig aufgeblasen und reine Showpolitik. Das hat eine starke türkis-blaue Note. Dass sich Sozialdemokraten und NEOS für eine derartige Propagandashow hergeben, ist enttäuschend. Das Angekündigte ist rechtlich höchst problematisch. Argumentiert wird ja mit einem Notstand, den geben die aktuellen Zahlen aber nicht her. Fest steht: Man muss die wirklichen Fragen europäisch beantworten, etwa mit einem verstärkten Schutz der Außengrenzen.
Das klingt vielleicht seltsam, wenn das ein Grüner sagt. Aber die Zeiten haben sich dramatisch geändert.
Werner Kogler
Bild: APA/GEORG HOCHMUTH
Europa wirkt zurzeit im Kontext von USA und Russland/Ukraine etwas planlos …
Wenn sich Europa jetzt nicht zusammenreißt, zusammenarbeitet und gemeinsam handelt, dann wird es dieses Europa in 20 Jahren nicht mehr geben. Das hat auch mit Verteidigungsfähigkeiten und damit mit Rüstungsfragen zu tun. Das klingt vielleicht seltsam, wenn das ein Grüner sagt. Aber die Zeiten haben sich dramatisch geändert. Ich selbst habe auch umgedacht. Wer hat es denn für möglich gehalten, dass ein derartiger Aggressor wie Putin den europäischen Frieden und Europa selbst zerstören will?
Österreich hat viel getan für die Ukraine. Freilich im Sinne der Neutralität. Deswegen war es so wichtig, dass keine Europafeinde und Putin-Freunde in die Regierung kommen. In einem anderen Punkt, nämlich der verantwortungslosen völligen Gasabhängigkeit von Russland, werde ich Rot und Schwarz immer massiv in die Pflicht nehmen. Denn die Einzigen, die da keinen Dreck am Stecken haben bei der Verhaberung mit dem Diktator Putin, sind die Grünen und die NEOS.
Etwas Persönliches: Wann wird es eine Übergabe geben? Sind Sie nicht amtsmüde?
Ja, die Übergabe an der Parteispitze wird im Sommer erfolgen. Das wird auf einem Bundeskongress entschieden. Wir werden im Team weiterarbeiten. Mit Sigi Maurer und mir und allen anderen. Und um die andere Frage aufzugreifen: Amtsmüde bin ich definitiv nicht. Auch wenn die letzten Jahre anstrengend und turbulent waren. Es ist ein wilder Ritt mitten in Krisen wie Pandemie, Krieg, Energieknappheit und die daraus resultierende Teuerung. Aber es gibt noch viel zu tun, es beginnt wieder ein neuer Abschnitt und es geht schon wieder aufwärts.
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