„Verhetzungsverdacht“

Akademikerball-Chef zeigt jüdische Studierende an

Wien
24.03.2025 14:47

Wegen „Verhetzung“ stoppte die Polizei Anfang März eine Protestaktion der Jüdischen Hochschüler gegen den umstrittenen Wiener Akademikerball. Nach einer Anzeige des Akademikerball-Chefs Udo Guggenbichler (FPÖ) ermittelt nun der Verfassungsschutz – und das ohne die Kenntnis der Staatsanwaltschaft. Dieses Vorgehen gelte als äußerst unüblich.

Anfang März organisierten die Jüdischen Österreichischen Hochschüler:innen (JöH) eine dreitägige Videoinstallation, die sich gegen geladene Gäste richtete, die teils rechtsextremen Burschenschaften zugeordnet werden. Es wurde ein „Countdown bis zum Nazi-Ball“ projiziert und mit Kreide auf den Bürgersteig gemalt.

Dies dürfte dem Akademikerball-Chef Udo Guggenbichler missfallen haben. Denn nun ermittelt der Verfassungsschutz gegen die Studierenden wegen des „Verdachts auf Verhetzung“.

Guggenbichler brachte Anzeige selbst ein
Am dritten Tag, dem Vorabend des umstrittenen Balls, soll der FPÖ-Mandatar und Akademikerball-Organisator Udo Guggenbichler persönlich am Rand der Kundgebung erschienen sein. Nachdem er die Veranstaltung beobachtet hatte, soll er mehrere Anrufe getätigt haben. Es wird vermutet, dass er die Behörden kontaktiert habe, denn kurze Zeit später seien – trotz des friedlichen Protests – zahlreiche Polizeikräfte eingetroffen, um die Videoinstallation zu stoppen.

Eine Protestaktion der JöH wurde von der Polizei wegen „Verdachts auf Verhetzung“ unterbunden, wie in einem Video auf X zu sehen ist:

Im Rahmen des „Shutdowns” wären Poster beschlagnahmt worden, die zum Protest gegen den Ball aufriefen. Die Polizei hätte außerdem bei allen Kundgebungsteilnehmenden Identitätsfeststellungen durchgeführt, da auch sie als „Beitragstäter” der „Verhetzung” verdächtigt worden wären. Einzelne Polizisten hätten zudem versucht, die Ersatz-Projektion physisch zu verhindern, wären jedoch von ihrem Einsatzleiter zurechtgewiesen worden.

Grund der polizeilichen Intervention sei laut Einsatzleiter die „Anordnung einer Juristin der Versammlungsbehörde” wegen des „Verdachts auf Verhetzung”. Wie aus dem Polizeiakt hervorgeht, soll Guggenbichler die Anzeige selbst eingebracht haben. Laut dem Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) – dem Verfassungsschutz der Republik Österreich – soll die Bezeichnung des Akademiker-Balls als „Naziball“  jenen Tatbestand erfüllen. 

Die beiden ersten Kundgebungsabende sollen friedlich und ohne Interventionen der Polizei verlaufen sein. (Bild: JöH)
Die beiden ersten Kundgebungsabende sollen friedlich und ohne Interventionen der Polizei verlaufen sein.
Der Akademikerball-Organisator Udo Guggenbichler soll anschließend aufgetaucht sein. Laut Polizeiakt wurde die Anzeige von ihm selbst eingebracht. (Bild: JöH)
Der Akademikerball-Organisator Udo Guggenbichler soll anschließend aufgetaucht sein. Laut Polizeiakt wurde die Anzeige von ihm selbst eingebracht.

JöH orten Anzeige auf „Zuruf“
Die JöH kritisierten nicht nur, dass überhaupt Ermittlungen eingeleitet wurden. Sie vermuten vor allem, dass die Behörden auf „Zuruf“ des Organisators des Akademikerballs, FPÖ-Politiker Udo Guggenbichler, eingeschritten seien. „Die demokratische Versammlungs- und Meinungsfreiheit wurde also offenbar zugunsten und unter Mitwirkung rechtsextremer Burschenschafter verletzt und somit versucht, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen“, hieß es gegenüber der „Krone“.

Die Ermittlungen seien auch deshalb besonders befremdlich, da bei der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der anschließenden Polizeiladung kein Verfahren bekannt war, erklärt die JöH. Dieses Verfahren sei vollkommen unüblich.

Alon Ishay, Präsident der JöH, sprach zudem von einem „Skandal“, da Polizei und das LSE sich offenbar als „private Truppe des rechtsextremen Burschenschafters“ Guggenbichler verstehen würden. „In völliger Unkenntnis der österreichischen Rechtslage wurde ein  ‘Verhetzungs-Verdacht‘ gegen jüdische Studierende behauptet“, so Isay. Dabei sei dieses Gesetz eigentlich dazu gedacht, „uns als Jüdinnen und Juden vor den Teilnehmern des WKR-Balls und ihren ‘Einzelfällen‘ zu schützen.“

Zitat Icon

Anstatt, dass der Verfassungsschutz darauf fokussiert ist, Juden und Jüdinnen vor der immer stärkeren antisemitischen Bedrohung zu schützen, kriminalisiert er den Protest jüdischer Studierender. Der Rechtsstaat wird hier vom Kopf auf die Füße gestellt.

Mag. Bini Guttmann,  juristischer Vertreter der Jüdischen österreichischen HochschülerInnen

LSE leitet Ermittlungen ohne Anordnung der StA ein
Auch der Rechtsvertreter der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen Mag. Bini Guttmann ortet eine „juristische Verdrehung“ in dem Fall. Den Verhetzungsparagrafen bei jüdischen Studierenden anzuwenden, die einen rechtsextremen Ball kritisieren, stelle das Recht auf den Kopf. Der § 283 StGB solle „vulnerable Minderheiten vor Hassrede“ schützen, nicht politische Veranstaltungen vor Kritik. Laut Guttmann lasse sich diese juristische Verdrehung nur dann nachvollziehen, wenn man H.C Strache zustimmen würde, der am WKR-Ball im Jahr 2012 meinte: „Wir sind die neuen Juden.“ Auch er finde es höchst beunruhigend, dass die Ermittlungen ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft vom LSE eingeleitet worden sind.

Der Akademikerball-Chef Guggenbichler ist für die Justiz keinesfalls ein Unbekannter: Gegen den FPÖ-Burschenschafter gab es bereits 2023 Ermittlungen wegen Wiederbetätigung, die später eingestellt wurden, zu denen laut JöH eine parlamentarische Anfrage an den Innenminister gestellt wurde. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Zu Einzelheiten äußerte sich die Polizei jedenfalls nicht. Mit Abschluss der Ermittlungen würden die Ergebnisse der Staatsanwaltschaft Wien zur Kenntnis gebracht, hieß es. Die Staatsanwaltschaft Wien entscheidet in weiterer Folge über das Verfahren.

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