Bei Militärschlag
Syrien trotzt dem Westen: “Werden sie überraschen”
Auf die Frage, welche Mittel Syrien zur Verfügung stünden, antwortete Muallem: "Wir sind kein Häppchen, das man so einfach verspeisen kann. Wir werden die anderen überraschen." Als ihn ein Journalist fragte, ob er denn sicher sei, dass tatsächlich ein Angriff bevorstehe, erklärte der Minister, dies sei gut möglich. Es sei aber auch nicht auszuschließen, dass die Drohungen der vergangenen Tage "Teil des Nervenkrieges sind". Es sei "illusorisch" zu denken, dass eine Militärintervention die Machtbalance im syrischen Bürgerkrieg verändere. Damaskus werde sich bei seinem Vorgehen gegen die Aufständischen nicht beirren lassen. Zugleich betonte Muallem, dass ein Militärschlag des Westens "nur den Interessen der Al-Kaida und Israels" diene.
Arabische Liga verurteilt Syrien für Giftgas-Einsatz
Jedenfalls wird es eng für die syrische Führung, neben den internationalen Vorbereitungen für einen Militärschlag hat sich am Dienstag auch die Arabische Liga vom Assad-Regime distanziert: Die Vereinigung beschuldigt die syrische Führung, für den angeblichen Chemiewaffeneinsatz in der vergangenen Woche verantwortlich zu sein. Die Machthaber in Damaskus trügen die "volle Verantwortung" für den Angriff, hieß es in einer Erklärung des Staatenbundes nach einer Sondersitzung am Dienstag in Kairo. Die Verantwortlichen seien "Kriegsverbrecher" und müssten vor ein internationales Gericht gestellt werden.
Der Irak und Algerien meldeten "Bedenken" gegen die Erklärung an. Der Libanon enthielt sich bei der Abstimmung über das Dokument. Die arabische Führungsmacht Saudi-Arabien ließ unterdessen durchblicken, dass sie sich an der westlichen Militäraktion gegen Syrien beteiligen könnte. Außenminister Prinz Saud al-Faisal sagte am Dienstag, dass eine "entschlossene und ernsthafte Haltung" gegenüber Syrien erforderlich sei.
Kettenreaktion im Nahen Osten möglich
In Syrien steht so viel auf dem Spiel wie in kaum einem anderen Konflikt auf der Welt. Das Land liegt nicht nur geographisch in der Mitte der Nahost-Region, sondern ist auch Dreh- und Angelpunkt für mehrere Konflikte. Ein Eingreifen in den dortigen Bürgerkrieg könnte eine unkontrollierbare Kettenreaktion im Nahen Osten auslösen - mit dem Iran und Israel als Hauptexponenten.
Syrien ist eng mit dem Iran verbündet, der wiederum der Erzfeind Israels und der USA ist. Teheran hat den Westen bereits davor gewarnt, dass es mit einem Angriff auf Syrien eine "rote Linie" überschreiten würde. Israel wiederum könnte sich bei einem Eingreifen Teherans gezwungen sehen, den Iran anzugreifen. Aus der geplanten "chirurgischen" westlichen Militäroperation zur Bestrafung der syrischen Armee könnte somit ein Konflikt zwischen den beiden wichtigsten Militärmächten der Region werden. Bei iranischen Angriffen auf Israel wären die USA gezwungen, zum Schutz ihres wichtigsten Verbündeten umfassend in den Konflikt einzugreifen.
Zahlreiche Länder betroffen
Israel könnte aber auch noch über zwei weitere Wege in den Syrien-Konflikt hineingezogen werden. Einerseits durch einen verzweifelten Angriff des Assad-Regimes auf die Waffenstillstandslinie auf den Golanhöhen, die von Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 annektiert worden waren. Andererseits über den libanesischen Bürgerkrieg, in dem das syrische Regime schon seit Jahrzehnten mitmischt. Auf den Libanon ist der Syrien-Konflikt schon in den vergangenen Monaten immer mehr übergeschwappt. Einerseits leistet die vom Iran unterstützte schiitische Hisbollah-Miliz der bedrängten syrischen Armee militärische Hilfe, andererseits kam es im Libanon selbst zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Hisbollah-Kämpfern und Gegnern des Assad-Regimes. Israel flog mehrmals Luftangriffe auf Syrien, um angebliche Waffenlieferungen an die Hisbollah zu unterbinden.
Doch auch für die beiden Regionalmächte Türkei und Saudi-Arabien steht im Syrien-Konflikt viel auf dem Spiel. Aus Furcht vor einer Ausdehnung des iranischen Einflusses in der Region hatten sie sich auf die Seite der Assad-Gegner gestellt. Während das bitterarme westliche Nachbarland Jordanien unter der Flüchtlingswelle aus Syrien ächzt, könnte eine Internationalisierung des Syrien-Krieges die fragile Machtbalance im östlichen Nachbarland Irak in den Grundfesten erschüttern und die schiitische Regierung in Bagdad in die Hände des Iran treiben. Sie sieht sich nämlich ebenso wie das Assad-Regime mit sunnitischen Aufständischen konfrontiert, die bei einem westlichen Eingreifen in Syrien Auftrieb erhalten könnten. Damit droht auch ein Aufflammen des nur notdürftig befriedeten irakischen Bürgerkriegs.
Causa hat unmittelbare weltpolitische Dimension
Anders als der umstrittene US-Feldzug im Irak hat der Syrien-Konflikt laut politischen Beobachtern zudem eine unmittelbare weltpolitische Dimension. Das geplante westliche Eingreifen berührt nämlich auch militärische Interessen Russlands, das im syrischen Hafen Tartus seinen einzigen Militärstützpunkt im Mittelmeerraum unterhält.
Auch wenn die Weltregion und die Zeit eine andere ist, sind die Parallelen zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der sich im kommenden Jahr zum 100. Mal jährt, nicht von der Hand zu weisen. Die damals nach einigem Zaudern unternommene österreichisch-ungarische "Strafaktion" für die Ermordung des Thronfolgers wuchs sich wegen der gegenseitigen Verstrickung der europäischen Mächte innerhalb weniger Wochen zu einem globalen Konflikt aus. Im Syrien-Konflikt droht Ähnliches - auch ohne die damalige Kriegsbegeisterung.
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