Die Stimmung in der steirischen Industrie rutscht in den Keller: Es wird immer weniger investiert, und es werden kaum noch neue Kapazitäten geschaffen. Von der Landesregierung wünscht man sich „mehr Tempo“. Just am Dienstag kündigte diese einen Deregulierungs-Gipfel und drei neue Gesetze an.
„Die Studie belegt schwarz auf weiß, wovor wir seit Langem warnen.“ So leitet Christoph Robinson, Geschäftsführer der steirischen Industriellenvereinigung, die Präsentation der neuen Investitionsanalyse ein. Auch Studienautor Erich Kirschner von Joanneum Research spricht von „alarmierenden Ergebnissen“.
Inflationsbereinigt sind die Investitionen im Vorjahr – wie schon in den Jahren 2022 und 2023 – gesunken, und das sogar deutlich. Konkret ging es um fast zehn Prozent nach unten. Alleine für die notwendige grüne und digitale Transformation hat sich eine Lücke von etwa 400 Millionen Euro aufgetan. Und die Aussichten für heuer sind nicht besser: „Wir werden mit weiteren Rückgängen konfrontiert sein“, so Kirschner. Betroffen sind nicht nur Maschinen und Anlagen, sondern auch Forschung und Entwicklung.
„Es droht eine echte De-Industrialisierung“
Dramatisch: Umgesetzt werden fast nur noch Ersatzinvestitionen. Nur noch fünf Prozent dienten im Vorjahr der Erweiterung von Kapazitäten. Großprojekte wie bei AT&S in Leoben, AMS-Osram in Premstätten, bei der Voestalpine in Donawitz oder dem neuen Siemens-Energy-Werk bei Weiz sind große Ausnahmen. „Investitionen haben auch einen Vorlauf von drei bis fünf Jahren. Es werden daher derzeit die letzten großen Aufträge abgearbeitet“, sagt IV-Präsident Kurt Maier. Neues in dieser Dimension sei kaum in Sicht. „Es droht eine echte De-Industrialisierung“, warnt Kirschner.
Steirische Unternehmen investieren zudem verstärkt im Ausland. Diese „absolut besorgniserregende Entwicklung“ könnte sich in naher Zukunft sogar noch beschleunigen.
„Massive Wettbewerbsnachteile“
Die Gründe für die Krise sind bekannt: die hohen Energiepreise in Europa, steigende Lohnkosten, der demografische Wandel und eine in Österreich sinkende Arbeitsproduktivität (auch im Vergleich zu Nachbarländern wie der Schweiz und Tschechien). Maier: „Wir haben massive Wettbewerbsnachteile.“
Er nennt Faktoren, wo die Politik handeln müsste. Etwa ein Stromkosten-Ausgleichsgesetz, das es in mehr als einem Dutzend europäischen Ländern gibt, in Österreich aber nur 2022 in Kraft war – die steirische Industrie erhielt damals 90 Millionen Euro zurück, die sie für CO₂-Zertifikate ausgegeben hat. Forderungsklassiker sind der Ausbau der Kinderbetreuung, schnellere Genehmigungsverfahren und mehr qualifizierter Zuzug. Maier: „Wir haben der Landesregierung die Schaffung von Kompetenzzentren, etwa bei den Bezirkshauptmannschaften, vorgeschlagen, um Prozesse wie die Rot-Weiß-Rot-Karte zu beschleunigen.“
Mehr Tempo von Landesregierung gefordert
Die Industriellenvereinigung sieht einen „klaren Weckruf“ an die blau-schwarze Landesregierung, die bald 100 Tage im Amt ist. Auch wenn es durch den Landesratswechsel von Barbara Eibinger-Miedl zu Willibald Ehrenhöfer eine Verzögerung gegeben hat: „Es braucht klare Prioritätensetzungen. Wir sind in Gesprächen, aber wir erwarten uns mehr Tempo bei der Umsetzung der diskutierten Maßnahmen. Die Uhr tickt immer schneller“, betont Maier.
Drei neue Gesetze geplant
Zufall oder nicht: Am Dienstag lud die Landesregierung für kommenden Dienstag zu einem Deregulierungsgipfel. Ziel laut Einladung von Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) und Stellvertreterin Manuela Khom (ÖVP): „Verwaltungsabläufe sollen gestrafft, überholte und überbordende Genehmigungsregelungen und Anforderungen in Rechtsvorschriften des Landes aufgehoben und erforderliche Genehmigungsregelungen entrümpelt werden.“ Dadurch und durch konsequent forcierte Digitalisierung sollen Wirtschaft und Bürger entlastet werden.
Am Ende des Prozesses sind ein Digitalisierungs- und zwei Deregulierungsgesetze geplant. Das erste Deregulierungsgesetz soll laut Khom bis zum Sommer auf den Weg gebracht sein.
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