Ein EU-Defizitverfahren ist kaum mehr zu vermeiden. Österreich ist damit aber nicht alleine, ganz im Gegenteil. Fast ein Drittel der EU-Länder befindet sich bereits in einem solchen Verfahren. Und das hat nicht nur Nachteile.
Derzeit sind acht EU-Staaten in einem Verfahren. Sie alle wurden 2024 eingeleitet, basierend auf den Defizitzahlen 2023. Betroffen sind auch große Staaten wie Frankreich, mit einem Defizit von minus 5,5 Prozent im Jahr 2023 und Italien, mit einem bemerkenswerten Minus von 7,4 Prozent. Auch andere Nachbarländer sind auf der Liste zu finden: Ungarn (- 6,7) und Slowakei (-4,9).
2024 hatte Österreich voraussichtlich ein Defizit von 3,7 Prozent des BIP (endgültige Zahlen von der Statistik Austria kommen am Montag). Die Österreichische Nationalbank (OeNB) rechnet für 2025 mit einem ähnlichen Ergebnis, erst für 2027 sieht sie eine Annäherung an die Grenze von drei Prozent. In ihre Defizit-Schätzung hat die OeNB alle von der Regierung geplanten Sparmaßnahmen einkalkuliert. Die nach wie vor schwächelnde Konjunktur sorge für ein geringeres Wachstum bei den Steuereinnahmen und erhöhe die Ausgaben im Arbeitsmarktbudget. Zudem habe sich bis 2024 die Abgabenquote trotz vieler Steuersenkungen erhöht. In den kommenden Jahren dürfte sich dieser Trend aber umkehren.
Regierung bereitet sich mittlerweile auf ein Verfahren vor
ÖVP-Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl bekräftigt, dass aufgrund der angespannten Budgetlage – wie auch in mehreren anderen EU-Staaten, etwa Frankreich oder Belgien – ein EU-Defizitverfahren möglich sei. Ob ein solches Verfahren tatsächlich eingeleitet wird, hänge von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ab und wird von der EU-Kommission im Juli 2025 entschieden. „Unser Ziel ist es, den Wirtschaftsmotor wieder anzukurbeln, daher setzt die Regierung auf Planbarkeit sowie langfristig angelegte Reformen. Auch die vereinbarten Aktiv-Maßnahmen bleiben unverändert bestehen.“
Fiskalrat-Chef Christoph Badelt ließ mit einer bemerkenswerten Aussage aufhorchen. „Es ist jetzt schon ziemlich egal, ob sie zusätzlich vier oder fünf oder sechs Milliarden noch sparen wollen. Wir gehen da schon auf die Jahresmitte zu und das ist rein praktisch extrem schwierig.“ Er gehe davon aus, dass Österreich in ein Defizitverfahren zunächst einmal für die nächsten zwei Jahre hineinrutschen werde.
Käme es mitten in einer Rezession zu weiteren Ausgabenkürzungen, dann wären die Folgen, dass der Zuspruch zur Regierung abnimmt – und ökonomisch würde es den Abschwung verstärken.
Philipp Heimberger, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche wiiw
Bild: wiiw/Hans Schubert
Auch Philipp Heimberger, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche, betont, dass Österreich nicht sieben Jahre lang im EU-Defizitverfahren bleiben werde. Nach zwei Jahren könnten wir das Verfahren wieder verlassen, sofern der Konsolidierungspfad eingehalten wird.
EU-Kommission überprüft nicht jeden Radiergummi
Das Verfahren selbst wäre nicht dramatisch. Heimberger: „Grundsätzlich hat man einfach nur stärkere Berichtspflichten. Österreich müsste jedes Quartal einen Bericht an die Kommission übermitteln. Die Europäische Kommission wird aber nicht jeden Radiergummi überprüfen, den die Ministerien kaufen.“
Der Experte betont auch, dass ein EU-Defizitverfahren einen eher schonenderen Sparkurs vorsieht: „Paradoxerweise würden die Anforderungen deutlich sinken, weil in einem Defizitverfahren nur eine Mindest-Konsolidierung von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung pro Jahr vorgesehen ist. Das wären für Österreich ungefähr 2,5 Milliarden Euro. Mit dem bisherigen Sparpaket von 6,4 Milliarden Euro liegen wir hingegen bei weit über einem Prozent der Wirtschaftsleistung – und wenn man tatsächlich noch weiter sparen muss, wäre man eher bei zwei Prozent, was schon eine Art Rosskur für 2025 wäre.“
Regierung würde mit mehr Sparen Volkszorn riskieren
So hohe Einschnitte sind laut Heimberger aber unrealistisch, weil gefährlich: „Käme es mitten in einer Rezession zu weiteren Ausgabenkürzungen, dann wären die Folgen, dass der Zuspruch zur Regierung abnimmt und ökonomisch würde es den Abschwung verstärken.“
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