Trotz des – teilweise bestätigten – Schuldspruchs zeigt Ex-Minister Karl-Heinz Grasser keine Einsicht und plant eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Das Höchstgericht halbierte seine Strafe von acht auf vier Jahre unbedingte Haft. Spätestens 30 Tage nach der Urteilsverfügung muss er seine Haft antreten.
Ex-Minister Karl-Heinz Grasser wollte den Staat und damit seine Bürger und Bürgerinnen berauben – zum eigenen Vorteil. Regungslos verfolgt er die Urteilsverkündung durch den Fünf-Richter-Senat des Obersten Gerichtshofs (OGH) unter Vorsitz von Christa Hetlinger. Noch vor Beginn des Urteils hatte er mit seinem Freund und Mitangeklagten Walter Meischberger abgeklatscht. Doch die gute Laune dürfte inzwischen verflogen sein.
Höchstgericht urteilt: Vier Jahre Haft für Grasser
Mit etwas langem Atem, aber doch: Die österreichische Justiz setzt ein klares Zeichen. Grasser muss für seine vom Gericht bestätigten korrupten Vergehen – Untreue und Geschenkannahme – vier Jahre ins Gefängnis. Ein vergleichsweise milder Freiheitsentzug, nachdem bis zu 15 Jahre möglich gewesen wären. Die Unschuldsvermutung gilt nicht mehr. Das Verbrechen sei „in Österreich beispiellos“ und „erschüttert das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in hohem Maße“, mahnt Hetlinger. Ein Schaden von zehn Millionen Euro zur persönlichen Bereicherung sei in Österreich „beispiellos“. Der OGH bestätigt also: Es war Korruption.
Nach 16 Jahren Ermittlungen und Gerichtsprozessen urteilt das Höchstgericht, wie die Generalprokuratur es in der vergangenen Woche empfohlen hatte. Der OGH reduziert die Haft nach so langer Zeit auf ein Minimum und legte Milderungsgründe dar. Da wäre zum einen die „unangemessen lange Verfahrensdauer“, das sei „unzumutbar“ gewesen, wie Hetlinger einräumt. Die Taten liegen mehr als 20 Jahre zurück. Zum anderen hätten die sechs Angeklagten lange Zeit mit „Häme und Spott“ in der Öffentlichkeit zu kämpfen gehabt. Auch das sehe der Richtersenat als „unerträglich“ und deshalb als strafmildernd an.
Ich weiß, dass es ein Fehlurteil ist.
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser will Beschwerde beim EGMR einreichen.
Antrag auf Haftaufschub in Ausnahmefällen möglich
Der OGH übermittelt nun seine Entscheidung an das Straflandesgericht in Wien. Innerhalb von zwei Wochen muss das Urteil „vollzogen“ werden. Binnen 30 Tagen ab diesem Tag müsste Grasser dann die Haft antreten. Zu Ostern könnten Grasser und Co. also noch bei der Familie sein. Die einzige Möglichkeit, die der Ex-Finanzminister dann noch hätte, wäre der Antrag eines Haftaufschubs in Ausnahmefällen – etwa bei einer Krankheit. Öffentlich bekannte Hinweise auf Gründe für einen solchen Aufschub liegen derzeit nicht vor.
Es ist beispiellos in Österreich, dass der Finanzminister als Regierungsmitglied sich hat bestechen lassen und das Geld auch genommen hat.
Die Senatsvorsitzende Christa Hetlinger
Bild: Andi Schiel
Spekulationen über eine mögliche Fußfessel Grassers sind unnötig– eine solche kann zu Beginn der Haftstrafe nicht bewilligt werden. Dies sei erst möglich, wenn die verbliebene Haftstraße „zwölf Monate nicht übersteigt“. Möglich wäre zumindest eine frühzeitige Entlassung Grassers, wenn er die Hälfte der Haftstrafe abgesessen hat. Dies obliegt dem Gericht, zu prüfen, ob eine weitere Haftstrafe aus präventiven Gründen notwendig sein wird. Prozessbeobachter vermuten, dass Grasser ein Jahr im Gefängnis verbringen und danach ein weiteres Jahr eine Fußfessel tragen muss. Damit hätte er die Hälfte seiner Freiheitsstrafe abgebüßt und könnte eine bedingte Entlassung erhalten.
Schuldspruch in Österreich rechtskräftig
Und dann ist da noch der symbolträchtige „Anruf“, den Grasser kurz nach der Urteilsverkündung ankündigte: eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dort könnte er die lange Verfahrensdauer geltend machen. Doch selbst ein Erfolg hätte keinen Einfluss auf den rechtskräftigen Schuldspruch in Österreich – die Strafe muss vollzogen werden. Im besten Fall könnte der EGMR den Verurteilten eine Entschädigung zusprechen.
Doch nicht „schuldlos schuldig“
Bis zum Schluss – wie das Vorhaben des Anrufs beim EGMR zeigt, – ist sich Grasser keiner Schuld bewusst, räumt auch keine Fehler ein – selbst 16 Jahre später nicht. Immerhin ist klar geworden: Eine „griechische Tragödie“, wie Grassers Verteidiger im Prozess behaupteten, war es nicht. Auch die schweren Vorwürfe politischer Befangenheit gegen Erstinstanz-Richterin Marion Hohenecker hielten vor dem Höchstgericht nicht stand und wurden als „nicht nachvollziehbar“ zurückgewiesen.
Ist das Urteil also gerecht? Vier Jahre sind zwar keine so lange Strafe, wie sich manche im Angesicht der Schadenshöhe wohl gewünscht hätten. Aber dennoch gilt es als eine harte Strafe. Die Wiener Justiz zeigt damit, dass Korruption in keinerlei Hinsicht geduldet wird.
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