Egal ob Keuchhusten, Masern oder Influenza: in Österreich breiten sich viele Krankheiten aufgrund von Immunisierungslücken aus.
Die nüchterne Bilanz bei einem Pressegespräch vom Österreichischen Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) am Dienstag: Österreich hinkt bei vielen Indikationen hinterher – sogar die Diphtherie sei dadurch wieder zurückgekehrt. Und selbst bei Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), bei der Österreich immer top war, gehen die Durchimpfungsraten zurück.
Dabei würden Impfungen einen wertvollen Beitrag zur öffentlichen Gesundheit leisten, meinte ÖVIH-Präsidentin Renée Gallo-Daniel. Studien zufolge würde jeder Euro, der in die Gesundheitsvorsorge investiert werde, einen Gewinn von 14 Euro für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft generieren. Ein aktueller Bericht habe zudem gezeigt, dass die Impfung von Erwachsenen der Gesellschaft und der Wirtschaft bis zum 19-fachen der ursprünglichen Investition einbringen kann. „Wir sollten Impfungen daher als Investment und nicht als Kosten betrachten“, erklärte auch ÖVIH-Generalsekretär Olivier Jankowitsch. Denn die daraus resultierenden Erkrankungen kosten die Steuerzahler neben gesunder Lebenszeit auch eine Menge Geld. Gebraucht werde ein Paradigmenwechsel, weg vom Behandeln von Krankheiten hin zur Prävention.
Keuchhustenfälle wie in 1960ern
Im vergangenen Jahr stiegen die Fälle von Keuchhusten enorm an. Laut AGES-Radar für Infektionskrankheiten wurden 2024 15.465 Fälle von Keuchhusten registriert, das ist ein deutlicher Anstieg um 450 Prozent gegenüber den 2791 Erkrankungen 2023. Damit ist erstmals wieder eine ähnliche Anzahl an Infektionen wie in der Vor-Impfära in den 1960er-Jahren erreicht worden. Der Grund: „Österreich weist mit einer Durchimpfungsrate von 84 Prozent die niedrigste Impfrate in Europa auf“, sagte Jankowitsch. Im März 2024 sei sogar ein Neugeborenes an Keuchhusten verstorben.
Die Masern seien ebenso auf dem Vormarsch, erläutert Jankowitsch mit Blick auf Zahlen des Vorjahres. 527 Fälle seien da gemeldet worden, 120 Personen mussten stationär aufgenommen werden, das sind 22,8 Prozent.
Die Klimakrise verschärft sich weltweit und in Österreich. Dadurch kommt es immer wieder zum Auftreten von neuen Infektionskrankheiten, während sich die geopolitische Lage unübersichtlich präsentiert. Gleichzeitig nimmt die Wissenschaftsskepsis immer neue Ausmaße an. Wir brauchen daher dringend Lösungen.
ÖVIH-Präsidentin Renée Gallo-Daniel
Niedrige Impfraten trotz öffentlicher Impfprogramme
Auch öffentliche Impfprogramme können die Durchimpfungsraten nicht wirklich erhöhen. Die Bereitschaft, sich gegen Influenza vakzinieren zu lassen, sei immer schon ein Problem gewesen. „Auch diesen Winter war sie nicht berühmt. Nur 15,16 Prozent der Bevölkerung ließen sich gegen das Virus impfen“, so Jankowitsch. Im Corona-Jahr lag die Rate noch über 20 Prozent. EU und WHO fordern dagegen eine Durchimpfungsrate von 75 Prozent in Risikogruppen. Davon sei Österreich weit entfernt.
Beim Humanen Papillomavirus (HPV) werden die Impfkosten ebenfalls – aktuell bis zum Alter von 30 – aus dem Budgettopf der öffentlichen Hand bezahlt. Am effektivsten ist die Impfung im Kindesalter, doch da klaffen noch große Lücken, insbesondere bei Buben. Nicht einmal die Hälfte von ihnen ist im Alter von 14 bereits geimpft. Angestrebt sind 90 Prozent.
Selbst bei FSME, wo die Durchimpfungsrate lange sehr hoch war, gibt es mittlerweile Luft nach oben. Laut einer von IPSOS durchgeführten Marktforschung haben in den Jahren 2019 und 2020 74 Prozent der befragten Geimpften die ersten drei Impfdosen bekommen. 2023/2024 lag diese Rate nur noch bei etwa 60 Prozent. Besonders bei Kindern (ein bis 15 Jahre) sank die Abschlussquote bei den ersten drei Dosen in den Jahren 2023/2024 auf 45 Prozent.
2025 als Schlüsseljahr
„2025 ist in Sachen Impfen ein Schlüsseljahr“, ist sich Gallo-Daniel sicher. „Die Klimakrise verschärft sich weltweit und in Österreich. Dadurch kommt es immer wieder zum Auftreten von neuen Infektionskrankheiten, während sich die geopolitische Lage unübersichtlich präsentiert. Gleichzeitig nimmt die Wissenschaftsskepsis immer neue Ausmaße an. Wir brauchen daher dringend Lösungen.“
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.