Nur wenige Stunden nach dem Antrag der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innenschaft (JöH) auf Einstellung des Verfahrens wegen „Verhetzung“ hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen am Dienstag eingestellt. Ihre Begründung folgt der Argumentation der Studierenden. Grüne und JöH vermuten eine „politische Einflussnahme“ des FPÖ-Akademikerballorganisators bei der Polizei.
Wie die „Krone“ berichtete, organisierte die JöH Anfang März eine dreitägige Videoinstallation, die sich gegen geladene Gäste des umstrittenen Wiener Akademikerballs richtete, die teils rechtsextremen Burschenschaften zugeordnet werden. Dabei wurde ein „Countdown bis zum Nazi-Ball“ projiziert und mit Kreide auf den Gehsteig geschrieben.
Polizei ermittelt wegen Verhetzungsverdachts
Zwei Tage lang blieb der Protest unbeachtet – auch vorbeikommende Polizeibeamte sahen in der Projektion kein Problem. Erst am dritten Tag, dem Vorabend des Balls, soll der Ballorganisator und Burschenschafter Udo Guggenbichler persönlich vor Ort erschienen sein. Nachdem er die Veranstaltung beobachtet hatte, soll er mehrere Anrufe getätigt haben. Kurz darauf trafen zahlreiche Polizeikräfte ein und stoppten die Videoinstallation – obwohl der Protest friedlich verlief.
Im Rahmen des „Shutdowns” wären Poster beschlagnahmt worden, die zum Protest gegen den Ball aufriefen. Die Polizei hätte außerdem bei allen Kundgebungsteilnehmenden Identitätsfeststellungen durchgeführt, da auch sie als „Beitragstäter” der „Verhetzung” verdächtigt worden wären. Einzelne Polizisten hätten zudem versucht, die Ersatz-Projektion physisch zu verhindern, wären jedoch von ihrem Einsatzleiter zurechtgewiesen worden.
Guggenbichler erstattete Anzeige selbst
Grund der polizeilichen Intervention sei laut Einsatzleiter die „Anordnung einer Juristin der Versammlungsbehörde” wegen des „Verdachts auf Verhetzung”. Wie aus dem Polizeiakt hervorgeht, soll Guggenbichler die Anzeige selbst eingebracht haben. Laut dem Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) – dem Verfassungsschutz der Republik Österreich – soll die Bezeichnung des Akademiker-Balls als „Naziball“ jenen Tatbestand erfüllen.
Die JöH kritisierten nicht nur, dass überhaupt Ermittlungen eingeleitet wurden. Sie vermuten vor allem, dass die Behörden auf „Zuruf“ des Organisators des Akademikerballs, FPÖ-Politiker Udo Guggenbichler, eingeschritten seien. „Die demokratische Versammlungs- und Meinungsfreiheit wurde also offenbar zugunsten und unter Mitwirkung rechtsextremer Burschenschafter verletzt und somit versucht, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen“, hieß es am Montag gegenüber der „Krone“.
Die JöH vermutet, dass die Polizei auf „Zuruf“ von FPÖ-Akademikerballorganisator Guggenbichler gehandelt habe:
Alon Ishay, Präsident der JöH, sprach zudem von einem „Skandal“, da Polizei und das Wiener Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) sich offenbar als „private Truppe des rechtsextremen Burschenschafters“ Guggenbichler verstehen würden. „In völliger Unkenntnis der österreichischen Rechtslage wurde ein ,Verhetzungs-Verdacht‘ gegen jüdische Studierende behauptet“, so Ishay. Dabei sei dieses Gesetz eigentlich dazu gedacht, „uns als Jüdinnen und Juden vor den Teilnehmern des WKR-Balls und ihren ,Einzelfällen‘ zu schützen.“
Tatbestand der „Verhetzung“ nicht erfüllt
In der zweiseitigen Erledigung, die dem „Standard“ vorliegt, bestätigt die Staatsanwältin die Argumente der JöH. Die in der Projektion „leuchtenden Äußerungen“ würden sich nicht gegen eine nach § 283 Abs 1 StGB „geschützte Gruppe“ richten. Daher wäre der „Tatbestand der Verhetzung“ nicht erfüllt.
Weiters wies die JöH in ihrem Antrag auf Einstellung auf „datenschutzrechtliche Bedenken“ hin, dass es sich bei den Beschuldigten teils um Angehörige einer religiösen Minderheit und Mitglieder eines NS-Opferverbandes handeln würde. Deren Wohnadressen wurden dennoch nach polizeilichen Identitätsfeststellungen in den Akt aufgenommen – ein Dokument, in das auch der Organisator des Akademikerballs Guggenbichler Einsicht hatte.
Um diesen grotesken Polizeieinsatz zu rechtfertigen, wurde ein Gesetz missbraucht, das eigentlich uns Minderheiten schützen soll.
Alon Ishay, Präsident der Jüdischen österreichischen HochschülerInnen
Zudem kritisierte die JöH, dass die Ermittlungen des LSE offenbar ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft geführt wurden. Bei politisch sensiblen Fällen wäre eine vorherige Prüfung durch die Staatsanwaltschaft nötig gewesen, heißt es im Antrag.
Guttmann vermutet Alleingang der Polizei
JöH-Rechtsberater Bini Guttmann sprach im „Standard“ von einem möglichen „rechtswidrigen“ Eingriff des Verfassungsschutzes gegen jüdische Aktivist:innen. Er vermutet, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren noch am selben Tag eingestellt habe, an dem sie erstmals davon erfuhr. Der Grünen-Nationalratsabgeordnete Lukas Hammer bringt am Mittwoch eine Anfrage an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) ein, um zu klären, ob Guggenbichler die Notrufstelle, eine spezielle Dienststelle oder einen persönlichen Kontakt genutzt hatte.
Die Grünen fordern Aufklärung darüber, warum die juristische Prüfung zu dem Schluss kam, dass der Verhetzungsparagraf in diesem Fall anwendbar gewesen sei. Auch für die JöH ist der Fall nicht erledigt. Ihr Rechtsberater Bini Guttmann kündigte an, alle rechtlichen Schritte zu prüfen, um den „Missbrauch staatlicher Macht“ aufzuarbeiten.
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