In Deutschland fällt der Biss auf den Menschen unter „immaterielles Kulturerbe“. In Österreich ist das nicht vorstellbar, das kommende Verbot zementiert sich weiter ein. Die Hundelobby hierzulande hat aber Fährte aufgenommen, und möchte das bei uns kommende Verbot des umstrittenen Trainings mit allen Mitteln kippen.
Wildes Geschrei quer über den Platz, angedrohte Stockschläge gegen den Hund und ein martialisch wirkender Sprung mit anschließendem kräftigen Biss in den Unterarm des „Schutzhelfers“ – so sieht der Teil „Schutzdienst“ im Gebrauchshundesport aus. Wenn der Hund sich dann zappelnd im Juteärmel verbeißt, wird das von den Protagonisten des Sports als harmlose „Beuteüberprüfung“ betitelt.
Königsklasse in der Kritik
Hier scheiden sich die Geister. Für die Befürworter ist dieses Element (auch „Abteilung C“ genannt) im Gebrauchshundesport die „Königsklasse“. Doch ein Großteil der Österreicher lehnt das aus guten Gründen ab und begrüßt den Vorstoß, dem im privaten Bereich ein Ende zu bereiten.
Logisch, dass die Politik hier irgendwann Konsequenzen zieht. Ex-Tierschutzminister Johannes Rauch erließ eine Verordnung, die den kritischen Biss auf den Schutzärmel ab Mitte April verbietet. Das wurde von vielen frenetisch gefeiert, für eine Minderzahl an Hundehaltern und dem obersten Rasse-Verband „ÖKV“ (Österreichischer Kynologen Verband) war es allerdings eine Kampfansage.
Absichtliche Falschinformationen
Es wurden allerlei Nebelgranaten geworfen, etwa dass Österreich in Zukunft keine vernünftig gezüchteten Dienst- und Rettungshunde mehr haben könne. Denn die erfolgreich absolvierte „Abteilung C“ müsse für Gebrauchshunderassen wie Malinois, Riesenschnauzer oder Schäferhunde die Basis der Zuchtselektion bilden.
Nicht näher beschrieben
Die Antwort des ÖKV auf „Krone“ Anfrage fällt nicht sehr ausführlich aus: „Wesensfestigkeit und Angstfreiheit wird bei genannten Rassen durch eine rassespezifische Gebrauchshundeprüfung getestet“. Doch wo steht geschrieben, dass das nur mittels dieser in die Kritik geratenen „Abteilung C“ geschehen dürfe, und dass nur Diensthunde mit ÖKV Papieren ihre Arbeit verrichten dürfen?
Der weltweite Dachverband – kurz „FCI“ genannt – überlässt es den Ländern, wie sie die konkreten Zuchtvoraussetzungen festlegen. Vereinfacht gesagt kann der ÖKV für inländische Zuchten selber bestimmen, ob die „Abteilung C“ als Zuchtzulassung verlangt wird oder nicht. „Es geht hier also um Vereinsregeln von Privatpersonen, die noch dazu national variabel und keinesfalls unumstößlich sind“, teilt die Wiener Tierschutzombudsfrau Eva Persy mit.
Kulturgut in Österreich?
Interessant findet Fachfrau Persy auch die Frage, ob die Ernennung zum immateriellen Kulturgut der deutschen UNESCO Kommission etwas an der österreichischen Verordnung ändern würde. „Das ist haltlos. Überspitzt könnten man genauso gut behaupten, dass Stierkämpfe in anderen Ländern als Spanien erlaubt sind, nur weil diese dort zum Kulturgut ernannt wurden“, so die Tierschutzombudsfrau.
Schutzhunde statt Sängerknaben?
Die österreichische Leiterin des Fachbereichs für das hiesige UNESCO Kulturerbe Cristina Biasetto weist darauf hin, dass die Ausübung der Traditionen im Einklang mit geltendem Recht stehen muss. Auch die Aufnahme in das deutsche Verzeichnis bedeutet nicht, dass das so einfach auf Österreich umzulegen ist.
Neben „Fährtenarbeit“ (Abteilung A) und „Unterordnung“ (Abteilung B) gibt es auch „Schutzdienst“ (Abteilung C) in der Gebrauchshundeausbildung.
Das Verbot betrifft die Abteilung C, da ab 15.04. nur noch in vom Menschen klar abgegrenzte Objekte gebissen werden darf. Schutzärmel oder Ganzkörperanzug dürfen privat nicht mehr eingesetzt werden, nur Hunde im Dienst von Polizei und Heer sind ausgenommen.
Experten verweisen auf:
Das zuständige Sozialministerium und Tierschutz-Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) sehen trotz UNESCO-Status keinen Grund, die Verordnung des ehemaligen Ministers zu ändern und möchten, dass Trainings dieser Art nur noch von Polizei und Heer durchgeführt werden.
Die Hundelobby sollte erkennen, dass das so beharrliche Verbeißen langsam sinnlos wird. Statt im Hintergrund zu operieren, sollte man den Schritt nach vorne gehen und neue Akzente setzen. Viele Institutionen – auch staatliche – sind bereits dabei umzudenken, den Tierwohl-Gedanken voranzutreiben und das Gestern loszulassen.
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