Tag zwei im Prozess um den Suizid der Ärztin Dr. Lisa Kellermayr. Vor dem Landesgericht Wels wurden zahlreiche Zeugen befragt, darunter ein sehr enger Kollege der Ärztin, eine Cybersecurity-Expertin und Mitarbeiterinnen. Alle waren sich einig: Die Medizinerin hatte Angst, ihr ging es schlecht.
Am zweiten Prozesstag war der Angeklagte (61) aus Deutschland nur Zuhörer. Ihm wird gefährliche Drohung mit Todesfolge vorgeworfen. Er soll der Ärztin aus Seewalchen/Attersee mehrere Mails geschickt haben, darin unter anderem damit gedroht haben, sie vor ein Volkstribunal zu stellen.
Ärztin hatte Angst
Ob diese Nachrichten ursächlich für den Suizid der Ärztin waren, sollen unter anderem Zeugenbefragungen klären. Sowohl ehemalige Mitarbeiter als auch jener Arzt, der vor ihr die Ordination betrieben hatte, waren sich einig: „Dr. Kellermayr hatte Angst.“ Immer wieder fällt in dem Zusammenhang der Name „Claas“, es bis dato unbekannten Darknet-Users.
Situation in Praxis angespannt
Besonders in den Wochen vor ihrem Suizid am 29. Juli 2022 hätte sich die Situation in der Praxis zugespitzt. Mitarbeiterinnen berichten: „Sie hatte Angst, vor die Tür zu gehen“; „Sie sagte beinahe nach jedem Patienten, dass sie sich umbringen will“; „Wir konnten so nicht weiterarbeiten.“ Was die Ärztin als so belastend empfand, beschreibt eine Mitarbeiterin so: „Angst, Geldnot und Hilflosigkeit.“
Mitarbeiterinnen bekamen Notfallknöpfe
„Ihre Praxis war ihre Festung“, sagt eine Angestellte. Die Sicherheit dort war der Ärztin ein großes Anliegen. Neben einem Securitymitarbeiter, einer Schleuse am Eingang und Kameras, bekamen die Mitarbeiterinnen auch Notfallknöpfe zur Verfügung gestellt. „Wie groß war ihre Angst“, will die Richterin von einer Mitarbeiterin der ersten Stunde wissen. „Ich habe mich nicht so gefürchtet. Wir haben sehr viel gearbeitet und nicht so viel darüber geredet.“
Droher ausgeforscht
Befragt wurde am zweiten Prozesstag auch eine deutsche Cybersecurity-Expertin, die mithelfen sollte, die Droher im Internet auszuforschen. Der Angeklagte sei sehr leicht auffindbar gewesen, da er sowohl auf Twitter mit seinem Klarnamen auftrat, als auch ein Drohmail von seiner Firmen-Mailadresse abschickte, meinte die Hackerin. „Hat sich die Ärztin nach dem Ausforschen des Angeklagten weniger vor ihm gefürchtet?“, will die Richterin wissen. „Sie dachte, die Hemmschwelle ist weiter gesunken, das hat ihr Angst gemacht“, so die Antwort.
Arzt musste Tochter kündigen
Auch jener Arzt kam zu Wort, von dem Kellermayr die Praxis übernommen hatte. Er beschreibt das Verhältnis anfangs als „sehr gut“, zuletzt aber nicht mehr. Dafür hätte es mehrere Gründe gegeben, vor allem die Kündigung seiner Tochter, die in der Praxis mitgearbeitet hatte. „Sie hielt mir vor, dass meine Tochter nur zum Schein angestellt wäre und hat mit Klage beim Sozialgericht gedroht“, so der mittlerweile pensionierte Mediziner.
Soziale Medien
Auch an den Kosten für das Sicherheitspersonal sollte er sich beteiligen, „da sie sonst die Praxis zugesperrt hätte“. „Ich habe ihr geraten, sich aus den Sozialen Medien zurückzuziehen. Sie wollte sich aber nicht den Mund verbieten lassen“, sagt der Mediziner. Diesen Rat hätten ihr beinahe alle an diesem Tag befragten Zeugen gegeben. Von einer will die Richterin wissen: „Wie viel Zeit hat Dr. Kellermayr im Internet verbracht?‘“ Die knappe Antwort: „Viel.“
In zwei Wochen wird der Prozess am Landesgericht Wels fortgesetzt. Ein Urteil ist für 9. April angekündigt.
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