Ungewöhnliches Gedankenexperiment von FPÖ-Chef Herbert Kickl: Am Donnerstag zeigte er sich in einem Interview mit dem Schweizer Weltwoche-Journalisten Roger Köppel von der Idee angetan, dass Russland der NATO beitritt: „Ich bin davon überzeugt, dass es eine europäische Sicherheitsarchitektur nur unter Einbindung Russlands geben kann.“
„Ich war ganz überrascht und auch fasziniert von diesem Interview von Tucker Carlson mit Wladimir Putin“, sagt Kickl über ein im Februar 2024 ausgestrahltes Gespräch des Trump-nahen US-Journalisten Carlson mit dem russischen Machthaber. Besonders fasziniert habe Kickl eine Passage, in der Putin „davon spricht, dass es russische Überlegungen gegeben hat, der NATO beizutreten. Und offenbar der amerikanische Präsident (damals Bill Clinton, Anmerkung) das in einem ersten Gespräch interessant gefunden hat, aber seine Berater haben dann nichts davon gehalten – aus welchen Gründen auch immer.“ Kickl weiter: „Aber das wäre zum Beispiel eine Vision, wo man sagt: Okay, damit könnten wir tatsächlich nicht in alte und uralte Zeiten zurückfallen, sondern einen Schritt nach vorne machen!“
Für Russland zeigt Kickl in dem Donnerstagabend auf YouTube veröffentlichten Interview mit Köppel generell viel Sympathie: „Wir können ein wenig zurückschauen in die Geschichte und da kann ich sagen: Da hat doch Österreich in seiner Vergangenheit keine schlechten Erfahrungen gemacht. Aus unserer Sicht war Russland – insbesondere, was die wirtschaftliche Kooperation betrifft – immer ein verlässlicher Partner. Da reden wir auch noch von Sowjet-Zeiten, wenn ich zum Beispiel an die ganzen Gas-Lieferungen denke.“
„Eine Todsünde für einen neutralen Staat“
Diese waren laut dem FPÖ-Chef „ein wesentliches Fundament für die Entwicklung, das Wachstum und den Wohlstand in Österreich. Aus diesen Erfahrungswerten heraus kann man durchaus ableiten, dass es so etwas wie eine Vertrauensbasis gibt. Und ich bin erschüttert, dass wir als neutrales Land diese Vertrauensbasis, auch dieses gute Verhältnis, das es zu Österreich gegeben hat, auch vielerlei persönliche Beziehungen – dass man das quasi über Nacht aus einer dummen Emotionalität heraus zertrümmert hat. Ich glaube, dass das eine Todsünde für einen neutralen Staat ist.“
Dann kommt Kickl zu seiner Meinung zum Ukraine-Krieg: „Was die Einschätzung dieses Konflikts und dann später dieses Krieges jetzt zwischen Russland und der Ukraine betrifft: Letztendlich, wenn man sich ehrlich um den Hintergrund und die Vorgeschichte bemüht, dann kann man nicht abstreiten, dass es genügend russische Warnungen gegeben hat, diese Osterweiterungs-Fantasien (der NATO, Anmerkung) und vor allem die Einbindung der Ukraine von der Agenda zu nehmen, weil es ansonsten irgendwo zu einer Eskalation kommen wird. Das kann doch niemand abstreiten.“
„Das ist Heuchelei“
Kickl gibt daraufhin einen tiefen Einblick in seine Sicht der Dinge: „Man kann ja fast sagen: Man hat Putin in diese Situation hineingetrieben. Und seine Antwort ist, dass er das tut, was alle anderen Großmächte auch tun: Wenn sie mit politischen Mitteln ihre nationalen Sicherheitsinteressen nicht durchsetzen können, dann greifen sie zu militärischen. Da folgt Russland einer Logik, die bei anderen auch gilt. Und das ist das, was mich so stört, dieses Messen mit zweierlei Maß: Das sind die Bösen und alle anderen, die das gleiche irgendwo anders auf der Welt machen, da macht man die Augen zu und will nichts davon hören und davon wissen. Das ist Heuchelei, aber das hat nichts mit Moral zu tun.“
Kickl hat aber auch gewisse Sympathien für US-Präsident Donald Trump. Dessen öffentliche Konfrontation mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus vor vier Wochen beurteilt der FPÖ-Chef so: „Für mich ist das eine erfrischend ehrliche Form von Weltpolitik. Da sieht man zumindest, was los ist. Ansonsten kann man immer nur spekulieren, was hinter diesen Tapetentüren so vor sich geht.“
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