Gewerkschafter Binder:

„Lohnabschluss unter der Inflation nicht denkbar!“

Wirtschaft
30.03.2025 17:00

Wirtschaftsforscher fordern jetzt angesichts der anhaltenden Rezession und der Krise der Industrie, dass die Einkommen im Zuge der KV-Verhandlungen heuer weniger stark steigen sollen als die Inflation. Mit geringeren Lohnkosten wären Betriebe wieder etwas wettbewerbsfähiger. Doch die Produktionsgewerkschaft kämpft weiter für den Teuerungsausgleich.

Erst am Samstag hatte auch der Chef des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), Clemens Fuest, Österreich in einem Ö1-Interview für heuer Lohnzurückhaltung empfohlen: „Es ist so, dass in einer stagnierenden Wirtschaft Löhne nicht steigen können dauerhaft“, so sein Argument. „Gesamtwirtschaftlich ist es klar, auf Dauer ist es nicht möglich, in einer stagnierenden Wirtschaft Löhne auszudehnen.“

„Ein Teuerungsausgleich ist das Wichtigste!“
Zuvor hatten sich schon die heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS sowie der Fiskalrat für Zurückhaltung bei den Lohnverhandlungen ausgesprochen. Dennoch will Reinhold Binder, Chef der Produktionsgewerkschaft PRO-GE, sowohl in der aktuellen Frühjahrslohnrunde als auch später im Jahr in der Herbstlohnrunde für einen Teuerungsausgleich kämpfen: „Ein Abschluss unter der rollierenden Inflation ist nicht denkbar! Ein Teuerungsausgleich ist in Zeiten wie diesen trotzdem das Wichtigste und notwendig.“ Die Arbeiter sollen nicht das Gefühl haben, sich das Leben oder die Ausbildung ihrer Kinder nicht mehr leisten zu können.

Mit Blick auf die schlechten Konjunkturzahlen sprachen sich Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Boss Holger Bonin zuletzt für Lohnzurückhaltung aus. (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Mit Blick auf die schlechten Konjunkturzahlen sprachen sich Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Boss Holger Bonin zuletzt für Lohnzurückhaltung aus.

„Eine Nulllohnrunde wird es nicht geben!“
Ein besonderer Dorn im Auge sind Binder Forderungen seitens der Industrie, die Löhne heuer gar nicht anzuheben: „Eine Nulllohnrunde wird es nicht geben!“ Die PRO-GE hat ausgerechnet, was es bedeuten würde, wenn es drei Jahre lang Nulllohnrunden gäbe: Dann gingen für die Arbeiter Beträge in Höhe des Urlaubs- und Weihnachtsgelds eines ganzen Jahres verloren.

Binder bringt fünf Argumente vor, warum die Löhne auch heuer zumindest im Ausmaß der Inflation steigen sollen:

  • Erstens sind die Arbeitnehmer nicht schuld an der Inflation. Im Gegenteil: Als die Preise 2022 in Folge von Ukraine-Krieg und Energiekostenschock erstmals stark stiegen, sind die Löhne nicht sofort angehoben worden. Die Beschäftigten seien also in Vorleistung gegangen im Wissen, den Kaufkraftverlust später wieder abgegolten zu bekommen.
  • Das Hauptübel ist und bleibt die Teuerung: Seit rund zehn Jahren liegt sie in Österreich im Schnitt um 0,7 Prozentpunkte über jener unserer wichtigsten Handelspartner. Die Politik müsse alles tun, um die Inflation wieder zu drücken – dann würden die Löhne ohnehin wieder weniger stark steigen.
  • Binder sieht zwar auch die aktuellen Probleme in der Industrie, doch ganz so dramatisch sei die Lage nicht: Die Lohnstückkosten sind zuletzt in Österreich zwar gestiegen, bis 2022 aber gesunken. 2024 lagen wir bei den Lohnstückkosten noch immer unter dem Durchschnitt unserer wichtigsten Handelspartner, das heißt: Wir sind durchaus wettbewerbsfähig.
  • Die Gewinn-Ausschüttungsquoten der Betriebe waren in den letzten Jahren auch „nicht unbescheiden“. Wenn es schon Zurückhaltung geben soll, dann soll diese laut Binder aus Gerechtigkeitsgründen auch für die Unternehmer gelten.
  • Vom Anstieg der Insolvenzen war die Industrie 2024 weniger stark betroffen: Nur 4,3 Prozent aller Insolvenzfälle entfielen im vorigen Jahr auf Industriebetriebe.

Binder: „Industrievertreter malen seit Monaten den Teufel an die Wand, wenn es um die Lohnrunden geht. Doch wir als Gewerkschaft wollen in keinster Weise eine Entwertung der Arbeit haben.“ Die Mitarbeiter seien ein Schatz, den man „nicht beschädigen oder angreifen“ sollte, sondern „hegen und pflegen“. Viele Unternehmen hätten trotzdem bereits Personal abgebaut. Binder über die Konsequenzen: „Das führt dazu, dass jene, die da sind, zusätzlichen Druck haben und jetzt mehr Arbeit stemmen müssen. Denn die Anlagen müssen ja trotzdem laufen.“

Bereitschaft zu mehr Flexibilität
Der Gewerkschafts-Boss ist aber bereit, mehr Flexibilität in die Kollektivverträge zu bringen. Beispielsweise haben die Sozialpartner beim Metaller-Abschluss für 2023 und 2024 erstmals eine Wettbewerbs- und Beschäftigungssicherungsklausel eingeführt: Unternehmen mit höherem Personalkosten-Anteil konnten die Löhne angesichts der schwierigen Wirtschaftslage in den vergangenen zwei Jahren etwas weniger anheben als andere. Binder: „In der Rückschau war das einer der schlauesten Kollektivvertragsabschlüsse.“

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