Album „Sad Generation“

Ben L‘Oncle Soul: Analoge Musik für die Seele

Musik
31.03.2025 09:00

Vor gut 15 Jahren wurde der Franzose Benjamin Duterde mit dem White-Stripes-Cover „Seven Nation Army“ zum neuen Gesicht des Souls. Vom Glanz der frühen Tage ist nicht viel geblieben, doch der heute 40-Jährige frönt beständig seiner Leidenschaft und legt mit „Sad Generation“ ein neues Album vor. Für die „Krone“ erinnert er sich auch an seine Kindheit zurück.

Vor etwas mehr als 15 Jahren hat sich Benjamin Duterde kurzfristig zu einer der wichtigsten Soul-Stimmen im frankophilen Raum hochgesungen. Die Liebe zu Soul und herzhafter Musik aus den 60er- und 70er-Jahren war ihm wortwörtlich in die Wiege gelegt. Schon während der Schwangerschaft seiner Mutter rotieren im Elternhaus Platten von Ray Charles oder Aretha Franklin. Künstler wie Marvin Gaye oder Otis Redding werden zu Bens Säulenheiligen. Nebenbei ist der 1984 Geborene natürlich auch der Musik seiner Generation nicht abgeneigt. Die Spice Girls revolutionieren die Pop-Welt weit über Großbritannien hinaus, Aqua verlängern mit „Barbie Girl“ den Eurodance-Hype und die White Stripes schreiben mit „Seven Nation Army“ eine der vielleicht letzten Hymnen der Rock-Historie. Was diese so unterschiedlichen Lieder gemein haben? Duterde zieht sie alle durch den Motown-Schlund und macht sie sich in Form von Cover-Versionen zu eigen.

Karriere-Kickstart
Den Spitznamen „Onkel des Soul“ kombiniert er sich selbst zusammen. Weil er schon als Jugendlicher gerne mit einer Fliege am Hemd herumlief, wurde er mit dem Testimonial von „Uncle Ben‘s“ Reis verknüpft, um etwaige Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden, hat sich Ben schließlich seinen heißgeliebten Soul umgehängt und sich zu Ben L’Oncle Soul aufgeschwungen. Damit geht vor allem zu Beginn der 2010er-Jahre alles seinen erfolgreichen Gang. Das Debütalbum „Ben L’Oncle Soul“ setzt sich rundum in den Charts fest, 2011 eröffnet er vor mehr als 10.000 Menschen das Montreal Jazz Festival und wird zu „Later… With Jools Holland“ eingeladen. Schon davor verdient er sich als Support von internationalen Größen wie Raphael Saadiq, India Arie oder Musiq Soulchild erste Livesporen und wird in seiner Heimat zu einer Genregröße. Den Motown-Sound liebt er so sehr, dass er sich die Bezeichnung auf seinen Unterarm tätowieren lässt und bei der französischen Außenstelle des Kultlabels unter Vertrag genommen wird.

Im Laufe der Jahre ebbt der große Hype ab und diverse Strömungen verhindern, dass Duterde ein Motown-Revival der 50er- und 60er-Jahre gelingt. Während er sich französischsprachig zum nationalen Star aufschwingt, spürt er mit Fortdauer seiner Karriere, dass das international anerkannte Englisch nicht nur seinem Erfolg dienlich ist, sondern ihm in vielfacher Hinsicht auch das Singen erleichtert. „Nicht nur die Sprachen unterscheiden sich voneinander, sondern auch meine Stimmlage, wenn ich die Sprachen spreche“, erzählt er uns im „Krone“-Talk, „wenn es um die Musik geht, ist Englisch meine Muttersprache. Es hat lange gedauert, bis ich französischsprachige Musik wirklich wahrgenommen habe, weshalb ich mir auf Englisch leichter tue.“ Seit geraumer Zeit singt Ben L’Oncle Soul nur noch auf Englisch. „Für mich war die Sprache auch eine Möglichkeit, aus dem Alltag auszubrechen. Ich kann mich damit zu meinen eigenen Helden transferieren und dort hingehen, wo meine Leidenschaft für Musik herkommt. Es ist weit mehr als nur ein Stilmittel.“

Schutz vor der Frau Mama
Als Kind probiert sich Ben als Textschreiber auf Französisch aus, weil er Englisch noch zu schlecht kann. „Ich sang in meinem Zimmer Songs und bemerkte irgendwann, dass meine Mutter jedes Wort verstand. Das war unheimlich peinlich für mich, also habe ich mich ernsthaft mit Englisch auseinandergesetzt, um eine eigene, geschützte Welt für mich und meine Musik zu haben.“ Auf Englisch ist auch sein neues Album „Sad Generation“ eingesungen. Während er in den letzten Jahren viel mit Elektronik und unterschiedlichen Stilen experimentierte, geht das aktuelle Werk musikalisch wieder stärker zur Basis zurück. Die R&B-Klänge und Bill Withers-Gedächtnisparallelen hat Ben mit erdigen Blues-Zitaten und einer etwas ernsthafteren, dafür gegenwärtigen Bestandsaufnahme in seinen Texten vermischt. Markant stechen vor allem die wuchtigen Schlagzeugklänge und ein hämmernder Bass hervor. Duterde schafft es einmal mehr, auch schwerere Themen leichtfüßig zu verpacken.

In der Vergangenheit ließ er sich Teile seiner Songs von Beatmachern und externen Produzenten auf den Leib zimmern. Über die letzten Jahre hinweg hat sich der heute 40-Jährige aber verstärkt darauf konzentriert, die Zügel selbst in der Hand zu halten und verstärkt in der Produktion mitzumischen. „Ich habe Musik immer als offenes Experimentierfeld gesehen. Ich war fünf Jahre lang an einer Kunstschule, habe aber das Musizieren nie erlernt, so wie es andere tun. Für mich ist Musik schon immer eine Gesamterscheinung, die sich aus Technik, Leidenschaft, Ideen und der Liebe zum Klang ergibt.“ Über die Jahre versuchte Ben L’Oncle Soul zunehmend, sich und seine Identität in der Musik abzubilden. Als Quintessenz bleibt, dass diese Identität eben aus vielen Facetten besteht und dadurch einer ständigen Veränderung unterworfen ist. „Ich mag Vintage-Klänge und Vintage-Zeug, aber ich will mich nicht nur in der Vergangenheit suhlen.“

Kampf gegen moderne Mechanismen
Sein letzter Live-Auftritt in Österreich liegt einige Jahre zurück, nach dem Hype der frühen Jahre kämpft Ben L’Oncle Soul nicht nur in Resteuropa, sondern auch im französischsprachigen Raum mit der Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt durch den Hype des Streamens und des zunehmenden Mitbewerbs fällt die Aufmerksamkeitsökonomie breiter aus – mitunter auf Kosten seiner eigenen Produkte. „Ich muss aber zugeben, dass ich Musik selbst ganz anders konsumiere als früher. Früher habe ich konzentrierter Alben gehört, heute geht alles über Playlists. Wenn wir auf Tour sind, schmeißt jeder in der Band seine Favoriten rein und die Party steigt. Ein Song von den Alabama Shakes, einer von Lenny Kravitz, einer von Al Green. Man befindet sich als Musiker heute ständig in einem Wettbewerb. Aus dieser Spirale kommen wir so schnell wohl nicht mehr raus.“ Mit „Sad Generation“ versucht sich der Pariser weiterhin, gängigen Mechanismen zu entziehen und hält die Fahne des herzhaften Motown-Soul-Sounds hoch. Traditionen kann man zuweilen auch abseits des kommerziellen Gedankens pflegen.

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