Wenn von Gicht die Rede ist, wird diese Erkrankung oft ein bisschen abgetan, etwa mit den Worten: „Sollen diese Patienten doch einfach weniger Bier trinken!“ Aber ganz so simpel gestaltet sich die Behandlung des Leidens dann doch nicht. Es wird, im Gegenteil, zumeist unterschätzt – und das, obwohl die Stoffwechselerkrankung, bei der die Gelenke stark schmerzen, die häufigste entzündliche Krankheit bei Männern ist. Diese sind über dreimal häufiger davon betroffen als Frauen.
„In den vergangenen Jahren wurde Gicht immer mehr zum weltweiten Problem. Die Anzahl der Patienten hat um 22,5 Prozent zugenommen“, erläuterte diesbezüglich der Kremser (NÖ) Rheumatologe OA Dr. Thomas Nothnagl im Rahmen des kürzlichen Apothekerkongresses in Schladming (Stmk.). „In 30 Jahren werden es sogar um 70 Prozent mehr Betroffene sein – ein Kostenproblem für alle Gesundheitssysteme.“
Zu viel Harnsäure im Körper
Die Krankheit entsteht, weil sich zu viel Harnsäure im Körper ansammelt und an unterschiedlichen Stellen ablagert. Das führt zunächst zu Entzündungen und später zu Schäden an den Gelenken. Dr. Nothnagl: „Es handelt sich bei diesem Leiden um eine Ausscheidungsstörung, die allerdings auch einen sinnvollen Aspekt haben könnte, wenn man es evolutionär betrachtet. Menschen und Affen haben in ihrem Blut zehnmal höhere Harnsäurespiegel als andere Wirbeltiere. Das dürfte – als Antioxidans – zu einer höheren Entwicklung des Gehirns und längerer Lebenszeit geführt haben.“
Wer unter Gicht leidet, hat ein um 25 Prozent geringeres Risiko, an Parkinson zu erkranken. Daher sollte der Harnsäurewert, laut Experten, medikamentös auch nicht zu tief gesenkt werden – sondern zwischen 4 und 6 mg/dl liegen.
Alleine durchs ,Essen‘ kann 14-18 Prozent der Harnsäure beeinflusst werden, bei ,gesunder Ernährung‘, wie von US-Fachgesellschaften empfohlen, 15 Prozent. Das Erbgut hat hingegen starke Einflüsse, man spricht von etwa 25 Prozent!
OA Dr. Thomas Nothnagl, Internist und Rheumatologe aus Krems, Landesklinikum Stockerau, NÖ
Bild: Franz Karl
Unbehandelt bzw. chronisch werden lassen sollte man die Erkrankung aber keinesfalls. Nicht nur werden die Gelenke auf lange Sicht zerstört, Patienten mit Gicht haben auch ein doppelt so hohes Risiko für Herzinfarkte! Auch das Gehirn kann Schaden nehmen.
Ursachen oft genetischer Natur
Für Gicht gibt es mehrere Ursachen, zu 25 Prozent sind sie genetischer Natur“, dämpft der Rheumatologe die Hoffnung, dass jeder Patient die Krankheit allein mit einer Diät besiegen kann. „Die Ernährung beeinflusst die Harnsäure nur zu 14 bis 18 Prozent, dennoch lohnt es sich, darauf zu achten – vor allem, wenn die Symptome noch nicht so ausgeprägt sind. Adipositas sollte auf jeden Fall vermieden werden.“ Höheres Alter und männliches Geschlecht, aber auch Vorerkrankungen wie z.B. Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz, gelten ebenfalls als Risikofaktoren.
Nahrungsmittel, welche die Gichtgefahr erhöhen, sind purinreich: Alkohol (vor allem Bier), Fleisch, Innereien, Meeresfrüchte und Fructose, allen voran Fruchtsäfte. Wer zwei solcher Getränke am Tag trinkt, steigert die „Harnsäure-Bedrohung“ um satte 85 Prozent! Patienten sollten überdies ihre Medikation „checken“ lassen, denn manche Arzneien begünstigen die Harnsäure im Blut ebenfalls.
Kaffee zur Senkung des Risikos
Zur Senkung des Risikos kann man allerdings einen Teil beitragen: „Studien haben gezeigt, dass drei Tassen Kaffee pro Tag der Gicht entgegenwirken können“, so Dr. Nothnagl. Sauerkirschen, fettarme Milchprodukte und Vitamin C-Zufuhr (500 mg pro Tag für zwei Monate) sind ebenfalls empfehlenswert. Bewegung darf zur Vorbeugung von Anfällen auch nicht fehlen! Gicht entwickelt sich langsam und bleibt lange ohne Symptome.
Wenn der erste Anfall auftritt, ist bereits das dritte Stadium erreicht. „Meistens wachen Betroffene in der Nacht mit höllischen Schmerzen eines Gelenks weitab von der Körpermitte auf, meist das Großzehengrundgelenk, aber auch Knie oder Ellbogen können betroffen sein“, so Dr. Nothnagl. „Zwei Wochen nach so einem Anfall sollte dann die Harnsäure im Blut bestimmt werden.“
Behandelt wird die Akutsituation mit schmerzlindernden, entzündungshemmenden, eventuell kortisonhaltigen Medikamenten. Dann muss die Harnsäure gesenkt werden – meistens auch medikamentös.
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